Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.und eingeschränkten Eigenthum der Lande. gerechtigkeit über Neapel] den Anfang machte, ohnedies Reich ie besessen, noch irgend ein Recht zu haben, die Souverains desselben einzusetzen, da es durchs Recht der Eroberung bereits von ihnen besessen ward. Man weiß wie der heilige Stuhl, da diese Souverainetät ent- weder durch die Erbfolge oder durch Tapferkeit von einer Familie auf die andere kam, sich des Rechts anmaassen wolte, sie zu Lehn zu geben, und sich das dominium directum, ohne es iemals in seiner Gewalt gehabt zu haben, vorzubehalten, indem er einen iährlichen Zins foderte und denenienigen ein Blatt Pappier gab, die durch das Völkerrecht bereits für rechmässige und eigen- thümliche Souverains desselben anerkant waren. Man weiß endlich wie der heilige Stuhl einmal ähnliche An- sprüche an England, Sicilien, Sardinien, Schottland, Arragonien, ia sogar an das römisch-teutsche Reich selbst machte, und wie diese nachmals von selbst ver- schwanden, so daß ihrer itzt nicht mehr gedacht wird. Wenn Ew. Heiligkeit nach Ihrer Redlichkeit und Auf- richtigkeit dieses erwägen; so werden Sie mit mir darinn übereinstimmen daß, was die Versprechungen betrift, welche die Souverains dieses Reichs von Zeit zu Zeit gemacht haben, daß sie dem heil. Stuhle den Zins rei- chen und dasienige als von demselben empfangen ansehn wolten, was sie in der That doch nur in Worten em- pfangen hatten, diese Versprechungen nur blosse Pacta waren, die in Gesetzen pacta sine caussa genant werden, die, wenn sie keine Verbindlichkeit in Ansehung von Pri- vatpersonen haben, noch viel weniger Fürsten und Na- zionen verbinden können, welche blos dem Völkerrechte und der natürlichen Billigkeit unterworfen sind, die zur Gültigkeit eines ieden Contracts die wechselseitige würk- liche Prästation der Contrahenten verlangt; und es hilft auch nichts, sich auf einen Besitz oder auf eine Prä- scription zu berufen, wenn es an einem gegründeten L 3
und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande. gerechtigkeit uͤber Neapel] den Anfang machte, ohnedies Reich ie beſeſſen, noch irgend ein Recht zu haben, die Souverains deſſelben einzuſetzen, da es durchs Recht der Eroberung bereits von ihnen beſeſſen ward. Man weiß wie der heilige Stuhl, da dieſe Souverainetaͤt ent- weder durch die Erbfolge oder durch Tapferkeit von einer Familie auf die andere kam, ſich des Rechts anmaaſſen wolte, ſie zu Lehn zu geben, und ſich das dominium directum, ohne es iemals in ſeiner Gewalt gehabt zu haben, vorzubehalten, indem er einen iaͤhrlichen Zins foderte und denenienigen ein Blatt Pappier gab, die durch das Voͤlkerrecht bereits fuͤr rechmaͤſſige und eigen- thuͤmliche Souverains deſſelben anerkant waren. Man weiß endlich wie der heilige Stuhl einmal aͤhnliche An- ſpruͤche an England, Sicilien, Sardinien, Schottland, Arragonien, ia ſogar an das roͤmiſch-teutſche Reich ſelbſt machte, und wie dieſe nachmals von ſelbſt ver- ſchwanden, ſo daß ihrer itzt nicht mehr gedacht wird. Wenn Ew. Heiligkeit nach Ihrer Redlichkeit und Auf- richtigkeit dieſes erwaͤgen; ſo werden Sie mit mir darinn uͤbereinſtimmen daß, was die Verſprechungen betrift, welche die Souverains dieſes Reichs von Zeit zu Zeit gemacht haben, daß ſie dem heil. Stuhle den Zins rei- chen und dasienige als von demſelben empfangen anſehn wolten, was ſie in der That doch nur in Worten em- pfangen hatten, dieſe Verſprechungen nur bloſſe Pacta waren, die in Geſetzen pacta ſine cauſſa genant werden, die, wenn ſie keine Verbindlichkeit in Anſehung von Pri- vatperſonen haben, noch viel weniger Fuͤrſten und Na- zionen verbinden koͤnnen, welche blos dem Voͤlkerrechte und der natuͤrlichen Billigkeit unterworfen ſind, die zur Guͤltigkeit eines ieden Contracts die wechſelſeitige wuͤrk- liche Praͤſtation der Contrahenten verlangt; und es hilft auch nichts, ſich auf einen Beſitz oder auf eine Praͤ- ſcription zu berufen, wenn es an einem gegruͤndeten L 3
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dies Reich ie beſeſſen, noch irgend ein Recht zu haben,
die Souverains deſſelben einzuſetzen, da es durchs Recht
der Eroberung bereits von ihnen beſeſſen ward. Man
weiß wie der heilige Stuhl, da dieſe Souverainetaͤt ent-
weder durch die Erbfolge oder durch Tapferkeit von einer
Familie auf die andere kam, ſich des Rechts anmaaſſen
wolte, ſie zu Lehn zu geben, und ſich das dominium
directum, ohne es iemals in ſeiner Gewalt gehabt zu
haben, vorzubehalten, indem er einen iaͤhrlichen Zins
foderte und denenienigen ein Blatt Pappier gab, die
durch das Voͤlkerrecht bereits fuͤr rechmaͤſſige und eigen-
thuͤmliche Souverains deſſelben anerkant waren. Man
weiß endlich wie der heilige Stuhl einmal aͤhnliche An-
ſpruͤche an England, Sicilien, Sardinien, Schottland,
Arragonien, ia ſogar an das roͤmiſch-teutſche Reich
ſelbſt machte, und wie dieſe nachmals von ſelbſt ver-
ſchwanden, ſo daß ihrer itzt nicht mehr gedacht wird.
Wenn Ew. Heiligkeit nach Ihrer Redlichkeit und Auf-
richtigkeit dieſes erwaͤgen; ſo werden Sie mit mir darinn
uͤbereinſtimmen daß, was die Verſprechungen betrift,
welche die Souverains dieſes Reichs von Zeit zu Zeit
gemacht haben, daß ſie dem heil. Stuhle den Zins rei-
chen und dasienige als von demſelben empfangen anſehn
wolten, was ſie in der That doch nur in Worten em-
pfangen hatten, dieſe Verſprechungen nur bloſſe Pacta
waren, die in Geſetzen pacta ſine cauſſa genant werden,
die, wenn ſie keine Verbindlichkeit in Anſehung von Pri-
vatperſonen haben, noch viel weniger Fuͤrſten und Na-
zionen verbinden koͤnnen, welche blos dem Voͤlkerrechte
und der natuͤrlichen Billigkeit unterworfen ſind, die zur
Guͤltigkeit eines ieden Contracts die wechſelſeitige wuͤrk-
liche Praͤſtation der Contrahenten verlangt; und es hilft
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Zitationshilfe: | Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/179>, abgerufen am 16.02.2025. |