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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von Erlangung des Eigenthums von andern
aus einer iedermann erlaubten Besitzergreifung eine
Menge schädlicher Unordnungen in Absicht auf die To-
desfälle entstehen würden e]. Allein aus einer solchen
blossen Vermuthung ist wohl kein bestimtes Recht her-
zuleiten: ich glaube vielmehr, daß es, nachdem auf
unsern bewohnten Erdstrichen alles bereits zu Eigen-
thum gemacht ist, Nothwendigkeit sey, wenigstens den
Kindern und Nachkommen seine Güter zu hinterlassen,
weil diese sonst, nach der Eltern Tode des nothdürf-
tigen Unterhalts und Eigenthums gröstentheils würden
entbehren müssen f]. Die Erbfolge anderer Personen
in Ermangelung der Kinder und Nachkommen hinge-
gen beruht ohnstreitig auf wilkührliche Bestimmung
theils des Sterbenden theils der Landesgesetze.

Nach eingeführten Staatsverbindungen läßt sich
wenigstens nicht mehr annehmen, daß die Güter der
Verstorbenen herrnlos würden. Hier pflegt die Erb-
folge gewisser Personen durch Gesetze bestimt zu seyn,
im unbeerbten Fall aber das Obereigenthum des Staats
einzutreten. Eben so wenig kann ein Volk, nach Ab-
sterben des Regenten in monarchischen Staaten als
erledigt für ieden andern betrachtet werden, weil wenn
die Regentenfolge nicht in voraus bestimmt ist, alle
Gewalt auf das Volk selbst zurückfält.

Wenn nun eine Nazion die Oberherschaft einem
Regenten und seiner ganzen Familie aufgetragen hat,
oder dieser sonst sogenante eigenthümliche Lande besitzt,
über die er wie über Privateigenthum schalten kann,
so dient vorzüglich entweder die in den Grundgesetzen
etwa vorgeschriebene oder die sonst herkomliche Erbfolgs-
art dabey zur Norm. Bey entstehenden Zweifeln aber
komt es, da die Natur ausser der Nachfolge der Kin-
der etc. nichts bestimt, im erstern Falle hauptsächlich
auf die Entscheidung des Volks, im letztern hingegen,
wenn gütliche Vereinigung nicht Statt findet, noch

mehr

Von Erlangung des Eigenthums von andern
aus einer iedermann erlaubten Beſitzergreifung eine
Menge ſchaͤdlicher Unordnungen in Abſicht auf die To-
desfaͤlle entſtehen wuͤrden e]. Allein aus einer ſolchen
bloſſen Vermuthung iſt wohl kein beſtimtes Recht her-
zuleiten: ich glaube vielmehr, daß es, nachdem auf
unſern bewohnten Erdſtrichen alles bereits zu Eigen-
thum gemacht iſt, Nothwendigkeit ſey, wenigſtens den
Kindern und Nachkommen ſeine Guͤter zu hinterlaſſen,
weil dieſe ſonſt, nach der Eltern Tode des nothduͤrf-
tigen Unterhalts und Eigenthums groͤſtentheils wuͤrden
entbehren muͤſſen f]. Die Erbfolge anderer Perſonen
in Ermangelung der Kinder und Nachkommen hinge-
gen beruht ohnſtreitig auf wilkuͤhrliche Beſtimmung
theils des Sterbenden theils der Landesgeſetze.

Nach eingefuͤhrten Staatsverbindungen laͤßt ſich
wenigſtens nicht mehr annehmen, daß die Guͤter der
Verſtorbenen herrnlos wuͤrden. Hier pflegt die Erb-
folge gewiſſer Perſonen durch Geſetze beſtimt zu ſeyn,
im unbeerbten Fall aber das Obereigenthum des Staats
einzutreten. Eben ſo wenig kann ein Volk, nach Ab-
ſterben des Regenten in monarchiſchen Staaten als
erledigt fuͤr ieden andern betrachtet werden, weil wenn
die Regentenfolge nicht in voraus beſtimmt iſt, alle
Gewalt auf das Volk ſelbſt zuruͤckfaͤlt.

Wenn nun eine Nazion die Oberherſchaft einem
Regenten und ſeiner ganzen Familie aufgetragen hat,
oder dieſer ſonſt ſogenante eigenthuͤmliche Lande beſitzt,
uͤber die er wie uͤber Privateigenthum ſchalten kann,
ſo dient vorzuͤglich entweder die in den Grundgeſetzen
etwa vorgeſchriebene oder die ſonſt herkomliche Erbfolgs-
art dabey zur Norm. Bey entſtehenden Zweifeln aber
komt es, da die Natur auſſer der Nachfolge der Kin-
der ꝛc. nichts beſtimt, im erſtern Falle hauptſaͤchlich
auf die Entſcheidung des Volks, im letztern hingegen,
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mehr
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[102/0116] Von Erlangung des Eigenthums von andern aus einer iedermann erlaubten Beſitzergreifung eine Menge ſchaͤdlicher Unordnungen in Abſicht auf die To- desfaͤlle entſtehen wuͤrden e]. Allein aus einer ſolchen bloſſen Vermuthung iſt wohl kein beſtimtes Recht her- zuleiten: ich glaube vielmehr, daß es, nachdem auf unſern bewohnten Erdſtrichen alles bereits zu Eigen- thum gemacht iſt, Nothwendigkeit ſey, wenigſtens den Kindern und Nachkommen ſeine Guͤter zu hinterlaſſen, weil dieſe ſonſt, nach der Eltern Tode des nothduͤrf- tigen Unterhalts und Eigenthums groͤſtentheils wuͤrden entbehren muͤſſen f]. Die Erbfolge anderer Perſonen in Ermangelung der Kinder und Nachkommen hinge- gen beruht ohnſtreitig auf wilkuͤhrliche Beſtimmung theils des Sterbenden theils der Landesgeſetze. Nach eingefuͤhrten Staatsverbindungen laͤßt ſich wenigſtens nicht mehr annehmen, daß die Guͤter der Verſtorbenen herrnlos wuͤrden. Hier pflegt die Erb- folge gewiſſer Perſonen durch Geſetze beſtimt zu ſeyn, im unbeerbten Fall aber das Obereigenthum des Staats einzutreten. Eben ſo wenig kann ein Volk, nach Ab- ſterben des Regenten in monarchiſchen Staaten als erledigt fuͤr ieden andern betrachtet werden, weil wenn die Regentenfolge nicht in voraus beſtimmt iſt, alle Gewalt auf das Volk ſelbſt zuruͤckfaͤlt. Wenn nun eine Nazion die Oberherſchaft einem Regenten und ſeiner ganzen Familie aufgetragen hat, oder dieſer ſonſt ſogenante eigenthuͤmliche Lande beſitzt, uͤber die er wie uͤber Privateigenthum ſchalten kann, ſo dient vorzuͤglich entweder die in den Grundgeſetzen etwa vorgeſchriebene oder die ſonſt herkomliche Erbfolgs- art dabey zur Norm. Bey entſtehenden Zweifeln aber komt es, da die Natur auſſer der Nachfolge der Kin- der ꝛc. nichts beſtimt, im erſtern Falle hauptſaͤchlich auf die Entſcheidung des Volks, im letztern hingegen, wenn guͤtliche Vereinigung nicht Statt findet, noch mehr

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/116>, abgerufen am 22.11.2024.