Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.und dem europäischen insbesondere. tet wissen wollen, ob deren algemeine Verbindlichkeit gleichaus dem natürlichen Völkerrechte nicht allemal zu erwei- sen ist. Da die europäischen Nazionen keinen menschli- chen gesetzgebenden Obern über sich erkennen, und die wenigsten Handlungen derselben gegeneinander durch ausdrückliche Verträge bestimt sind; so ist das Herkom- men, oder das, was in vorigen Zeiten in dergleichen und ähnlichen Fällen unter ihnen ist beobachtet worden, von desto größerm Umfange. *] Joh. Jac. Moser in Moserianis 1779. 1. Stck. n 4. S. 72. **] Hier ist nicht sowohl von einem besondern, etwa nur zwischen zwey oder einigen wenigen Nazionen eingeführten Herkommen, sondern hauptsächlich von solchen Gewon- heiten die Rede, welche sie insgesamt verbinden sollen. Bey deren I] Bestimmung ist zu merken: a] Das Herkommen gründet sich lediglich auf That- sachen, die stilschweigend nach und nach eine gesetz- liche Kraft erreicht haben: auch kan es durch Ver- träge zwischen etlichen Völkern veranlaßt worden seyn, indem die übrigen, ohne ausdrücklichen Bei- tritt, sich demselben gemäs benehmen. b] Je mehr Staaten einem Herkommen beigestimt, oder nur nicht widersprochen haben, für desto ver- bindlicher wird es geachtet. c] Je mehr Fälle man aufweisen kan, desto weniger ist es zu bezweifeln: doch gnügt zuweilen auch nur ein einziges Beispiel. d] Die Fälle müssen gleichförmig seyn. e] Da Gewohnheiten einer öftern Abänderung unter- worfen sind, so komt es hauptsächlich auf die neu- sten Fälle an; nicht selten muß man iedoch auf die ältern Zeiten zurückgehn. II]
und dem europaͤiſchen insbeſondere. tet wiſſen wollen, ob deren algemeine Verbindlichkeit gleichaus dem natuͤrlichen Voͤlkerrechte nicht allemal zu erwei- ſen iſt. Da die europaͤiſchen Nazionen keinen menſchli- chen geſetzgebenden Obern uͤber ſich erkennen, und die wenigſten Handlungen derſelben gegeneinander durch ausdruͤckliche Vertraͤge beſtimt ſind; ſo iſt das Herkom- men, oder das, was in vorigen Zeiten in dergleichen und aͤhnlichen Faͤllen unter ihnen iſt beobachtet worden, von deſto groͤßerm Umfange. *] Joh. Jac. Moſer in Moſerianis 1779. 1. Stck. n 4. S. 72. **] Hier iſt nicht ſowohl von einem beſondern, etwa nur zwiſchen zwey oder einigen wenigen Nazionen eingefuͤhrten Herkommen, ſondern hauptſaͤchlich von ſolchen Gewon- heiten die Rede, welche ſie insgeſamt verbinden ſollen. Bey deren I] Beſtimmung iſt zu merken: a] Das Herkommen gruͤndet ſich lediglich auf That- ſachen, die ſtilſchweigend nach und nach eine geſetz- liche Kraft erreicht haben: auch kan es durch Ver- traͤge zwiſchen etlichen Voͤlkern veranlaßt worden ſeyn, indem die uͤbrigen, ohne ausdruͤcklichen Bei- tritt, ſich demſelben gemaͤs benehmen. b] Je mehr Staaten einem Herkommen beigeſtimt, oder nur nicht widerſprochen haben, fuͤr deſto ver- bindlicher wird es geachtet. c] Je mehr Faͤlle man aufweiſen kan, deſto weniger iſt es zu bezweifeln: doch gnuͤgt zuweilen auch nur ein einziges Beiſpiel. d] Die Faͤlle muͤſſen gleichfoͤrmig ſeyn. e] Da Gewohnheiten einer oͤftern Abaͤnderung unter- worfen ſind, ſo komt es hauptſaͤchlich auf die neu- ſten Faͤlle an; nicht ſelten muß man iedoch auf die aͤltern Zeiten zuruͤckgehn. II]
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chen geſetzgebenden Obern uͤber ſich erkennen, und die
wenigſten Handlungen derſelben gegeneinander durch
ausdruͤckliche Vertraͤge beſtimt ſind; ſo iſt das Herkom-
men, oder das, was in vorigen Zeiten in dergleichen
und aͤhnlichen Faͤllen unter ihnen iſt beobachtet worden,
von deſto groͤßerm Umfange.
*] Joh. Jac. Moſer in Moſerianis 1779. 1. Stck. n 4. S. 72.
**] Hier iſt nicht ſowohl von einem beſondern, etwa nur
zwiſchen zwey oder einigen wenigen Nazionen eingefuͤhrten
Herkommen, ſondern hauptſaͤchlich von ſolchen Gewon-
heiten die Rede, welche ſie insgeſamt verbinden ſollen.
Bey deren
I] Beſtimmung iſt zu merken:
a] Das Herkommen gruͤndet ſich lediglich auf That-
ſachen, die ſtilſchweigend nach und nach eine geſetz-
liche Kraft erreicht haben: auch kan es durch Ver-
traͤge zwiſchen etlichen Voͤlkern veranlaßt worden
ſeyn, indem die uͤbrigen, ohne ausdruͤcklichen Bei-
tritt, ſich demſelben gemaͤs benehmen.
b] Je mehr Staaten einem Herkommen beigeſtimt,
oder nur nicht widerſprochen haben, fuͤr deſto ver-
bindlicher wird es geachtet.
c] Je mehr Faͤlle man aufweiſen kan, deſto weniger
iſt es zu bezweifeln: doch gnuͤgt zuweilen auch nur
ein einziges Beiſpiel.
d] Die Faͤlle muͤſſen gleichfoͤrmig ſeyn.
e] Da Gewohnheiten einer oͤftern Abaͤnderung unter-
worfen ſind, ſo komt es hauptſaͤchlich auf die neu-
ſten Faͤlle an; nicht ſelten muß man iedoch auf die
aͤltern Zeiten zuruͤckgehn.
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