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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Handlungen nach ihrem Gefallen einzurichten.
Beziehung ist blos die angezogene Vorschrift des §. 4.
Art. VI. der Wahlcapitulation zu befolgen d]. Die Art
der Zuredestellung, oder vielmehr Ahndung, bey einem,
ienen Grundsätzen zuwider laufenden Unternehmen, geben
die Reichsgesetze sattsam an die Hand.

Auch kein Mitstand ist befugt sich in die innere
Regierungsverfassung des andern zu mischen, sondern
ieder handelt hierin frey, in soweit ihm, so wie iedem
andern souverainen Staat, durch Verträge, sogenante
Staatsrechtsservitute, Garantien der Landesverträge,
Herkommen etc. die Hände nicht gebunden sind und den
übrigen kein Nachtheil dadurch zuwächst e]. Die engern
geselschaftlichen Bande, welche sämtliche Stände in
einen Staatskörper vereinigen, erfodern hierin allerdings
mehrere Behutsamkeit, als unter ganz souverainen Na-
zionen f]. Die Maasregeln der Reichsstände gegen
einander im Falle eintretender Beschwerden, sind in dem
Landfrieden und andern Reichsgrundgesetzen ebenfals
bestimt. In Ansehung des Reichs, einander zu Rede
zu stellen, ahndete der Kaiser in einem Commissionsde-
kret vom 12. April 1720, "daß die Reichsstände bey
dem Reichsconvent einander unter sich, nach kaum an-
gebrachten Klagen, ohne Richter oder Mittler,
gleichsam zu Rede stellen und bedrohen wolten, da doch
der Kaiser nicht glauben könne, daß ein Stand oder ein
Theil des Reichs den andern eigenmächtig zu Rede zu
stellen befugt sey g].

Auswärtige Nazionen haben eben so wenig Recht,
sich in die Staatsgeschäfte der teutschen Reichsstände,
als in die Angelegenheiten irgend eines ganz souverainen
Staats zu mischen, oder sie deshalb zu Rede zu stellen,
ob es gleich bey der Mindermächtigkeit vieler Reichsstän-
de, freilich nicht selten geschieht h]. Dieienigen indes,
deren Verfassung es zuläßt, können dagegen aller einem
souverainen Staate erlaubten Vorkehrungen sich bedienen.

a]

Handlungen nach ihrem Gefallen einzurichten.
Beziehung iſt blos die angezogene Vorſchrift des §. 4.
Art. VI. der Wahlcapitulation zu befolgen d]. Die Art
der Zuredeſtellung, oder vielmehr Ahndung, bey einem,
ienen Grundſaͤtzen zuwider laufenden Unternehmen, geben
die Reichsgeſetze ſattſam an die Hand.

Auch kein Mitſtand iſt befugt ſich in die innere
Regierungsverfaſſung des andern zu miſchen, ſondern
ieder handelt hierin frey, in ſoweit ihm, ſo wie iedem
andern ſouverainen Staat, durch Vertraͤge, ſogenante
Staatsrechtsſervitute, Garantien der Landesvertraͤge,
Herkommen ꝛc. die Haͤnde nicht gebunden ſind und den
uͤbrigen kein Nachtheil dadurch zuwaͤchſt e]. Die engern
geſelſchaftlichen Bande, welche ſaͤmtliche Staͤnde in
einen Staatskoͤrper vereinigen, erfodern hierin allerdings
mehrere Behutſamkeit, als unter ganz ſouverainen Na-
zionen f]. Die Maasregeln der Reichsſtaͤnde gegen
einander im Falle eintretender Beſchwerden, ſind in dem
Landfrieden und andern Reichsgrundgeſetzen ebenfals
beſtimt. In Anſehung des Reichs, einander zu Rede
zu ſtellen, ahndete der Kaiſer in einem Commiſſionsde-
kret vom 12. April 1720, “daß die Reichsſtaͤnde bey
dem Reichsconvent einander unter ſich, nach kaum an-
gebrachten Klagen, ohne Richter oder Mittler,
gleichſam zu Rede ſtellen und bedrohen wolten, da doch
der Kaiſer nicht glauben koͤnne, daß ein Stand oder ein
Theil des Reichs den andern eigenmaͤchtig zu Rede zu
ſtellen befugt ſey g].

Auswaͤrtige Nazionen haben eben ſo wenig Recht,
ſich in die Staatsgeſchaͤfte der teutſchen Reichsſtaͤnde,
als in die Angelegenheiten irgend eines ganz ſouverainen
Staats zu miſchen, oder ſie deshalb zu Rede zu ſtellen,
ob es gleich bey der Mindermaͤchtigkeit vieler Reichsſtaͤn-
de, freilich nicht ſelten geſchieht h]. Dieienigen indes,
deren Verfaſſung es zulaͤßt, koͤnnen dagegen aller einem
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[319/0345] Handlungen nach ihrem Gefallen einzurichten. Beziehung iſt blos die angezogene Vorſchrift des §. 4. Art. VI. der Wahlcapitulation zu befolgen d]. Die Art der Zuredeſtellung, oder vielmehr Ahndung, bey einem, ienen Grundſaͤtzen zuwider laufenden Unternehmen, geben die Reichsgeſetze ſattſam an die Hand. Auch kein Mitſtand iſt befugt ſich in die innere Regierungsverfaſſung des andern zu miſchen, ſondern ieder handelt hierin frey, in ſoweit ihm, ſo wie iedem andern ſouverainen Staat, durch Vertraͤge, ſogenante Staatsrechtsſervitute, Garantien der Landesvertraͤge, Herkommen ꝛc. die Haͤnde nicht gebunden ſind und den uͤbrigen kein Nachtheil dadurch zuwaͤchſt e]. Die engern geſelſchaftlichen Bande, welche ſaͤmtliche Staͤnde in einen Staatskoͤrper vereinigen, erfodern hierin allerdings mehrere Behutſamkeit, als unter ganz ſouverainen Na- zionen f]. Die Maasregeln der Reichsſtaͤnde gegen einander im Falle eintretender Beſchwerden, ſind in dem Landfrieden und andern Reichsgrundgeſetzen ebenfals beſtimt. In Anſehung des Reichs, einander zu Rede zu ſtellen, ahndete der Kaiſer in einem Commiſſionsde- kret vom 12. April 1720, “daß die Reichsſtaͤnde bey dem Reichsconvent einander unter ſich, nach kaum an- gebrachten Klagen, ohne Richter oder Mittler, gleichſam zu Rede ſtellen und bedrohen wolten, da doch der Kaiſer nicht glauben koͤnne, daß ein Stand oder ein Theil des Reichs den andern eigenmaͤchtig zu Rede zu ſtellen befugt ſey g]. Auswaͤrtige Nazionen haben eben ſo wenig Recht, ſich in die Staatsgeſchaͤfte der teutſchen Reichsſtaͤnde, als in die Angelegenheiten irgend eines ganz ſouverainen Staats zu miſchen, oder ſie deshalb zu Rede zu ſtellen, ob es gleich bey der Mindermaͤchtigkeit vieler Reichsſtaͤn- de, freilich nicht ſelten geſchieht h]. Dieienigen indes, deren Verfaſſung es zulaͤßt, koͤnnen dagegen aller einem ſouverainen Staate erlaubten Vorkehrungen ſich bedienen. a]

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/345>, abgerufen am 21.05.2024.