Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.Von den souverainen Staaten überhaupt, zu befehlen habe, weil die der Römisch. Catholischen Reli-gion zugethanen Staaten dem Papst in Glaubens und Kir- chensachen eine gewisse Art der Oberherschaft zugestehen. Wahrscheinlich ward er zu diesen Beisatz veranlaßt, weil ich in meinem kurz zuvor herausgegebenen Grundrisse, zu Behauptung der reichsständischen Freiheit anführte, daß die eingeschränkte Ausübung der Hoheitsrechte, der Souve- rainetät keinesweges nachtheilig seyn könnte, weil selbst die unbezweifelt souverainen Mächte in Europa römischka- tholischer Religion in Ansehung ihrer geistlichen Gerecht- same von dem Papste in vielen Stücken abhingen. Allein iener Zusatz; in Weltlichen scheint mir diesen Einwurf kei- nesweges zu heben, indem, wie ich schon damals erin- nerte, kein Grund vorhanden, warum die Hoheitsrechte im Geistlichen geringer als die im Weltlichen seyn, und die Einschränkung der erstern durch eine auswärtige Macht der Souverainetät nichts schaden solten. b] Den Sinn dieser Redensart erklärt der Herr von Real in seiner Science du Gouvernement T. IV. C. II. Sect. II. §. 11. c] Weder die Art, wie und durch wen die Hoheitsrechte aus- geübt werden d. i. die Regierungsform, noch der größere oder kleinere Umfang eines Staats kommen bey Bestim- mung der Freiheit und Unabhängigkeit eigentlich in Be- trachtung; ob der letztere gleich, natürlicherweise, auf das stärkere oder mindere Gewicht in den Staatsgeschäften der übrigen Mächte einen großen Einflus hat. Der unter dem Namen Caesarini Furstenerii versteckte grose Leibnitz will daher in der bekanten Abhandlung de suprematu prin- cipum etc. die Souverainete, oder seinen sogenanten Su- prematum nur denienigen Staaten beilegen, welche einen weitläuftigen Umfang haben, Krieg führen, Bündnisse schliessen und zur Entscheidung der Staatsangelegenheiten anderer Völker überhaupt etwas beitragen können. Prae- Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt, zu befehlen habe, weil die der Roͤmiſch. Catholiſchen Reli-gion zugethanen Staaten dem Papſt in Glaubens und Kir- chenſachen eine gewiſſe Art der Oberherſchaft zugeſtehen. Wahrſcheinlich ward er zu dieſen Beiſatz veranlaßt, weil ich in meinem kurz zuvor herausgegebenen Grundriſſe, zu Behauptung der reichsſtaͤndiſchen Freiheit anfuͤhrte, daß die eingeſchraͤnkte Ausuͤbung der Hoheitsrechte, der Souve- rainetaͤt keinesweges nachtheilig ſeyn koͤnnte, weil ſelbſt die unbezweifelt ſouverainen Maͤchte in Europa roͤmiſchka- tholiſcher Religion in Anſehung ihrer geiſtlichen Gerecht- ſame von dem Papſte in vielen Stuͤcken abhingen. Allein iener Zuſatz; in Weltlichen ſcheint mir dieſen Einwurf kei- nesweges zu heben, indem, wie ich ſchon damals erin- nerte, kein Grund vorhanden, warum die Hoheitsrechte im Geiſtlichen geringer als die im Weltlichen ſeyn, und die Einſchraͤnkung der erſtern durch eine auswaͤrtige Macht der Souverainetaͤt nichts ſchaden ſolten. b] Den Sinn dieſer Redensart erklaͤrt der Herr von Real in ſeiner Science du Gouvernement T. IV. C. II. Sect. II. §. 11. c] Weder die Art, wie und durch wen die Hoheitsrechte aus- geuͤbt werden d. i. die Regierungsform, noch der groͤßere oder kleinere Umfang eines Staats kommen bey Beſtim- mung der Freiheit und Unabhaͤngigkeit eigentlich in Be- trachtung; ob der letztere gleich, natuͤrlicherweiſe, auf das ſtaͤrkere oder mindere Gewicht in den Staatsgeſchaͤften der uͤbrigen Maͤchte einen großen Einflus hat. Der unter dem Namen Caeſarini Furſtenerii verſteckte groſe Leibnitz will daher in der bekanten Abhandlung de ſuprematu prin- cipum etc. die Souveraineté, oder ſeinen ſogenanten Su- prematum nur denienigen Staaten beilegen, welche einen weitlaͤuftigen Umfang haben, Krieg fuͤhren, Buͤndniſſe ſchlieſſen und zur Entſcheidung der Staatsangelegenheiten anderer Voͤlker uͤberhaupt etwas beitragen koͤnnen. 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Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt,
a]
zu befehlen habe, weil die der Roͤmiſch. Catholiſchen Reli-
gion zugethanen Staaten dem Papſt in Glaubens und Kir-
chenſachen eine gewiſſe Art der Oberherſchaft zugeſtehen.
Wahrſcheinlich ward er zu dieſen Beiſatz veranlaßt, weil
ich in meinem kurz zuvor herausgegebenen Grundriſſe, zu
Behauptung der reichsſtaͤndiſchen Freiheit anfuͤhrte, daß
die eingeſchraͤnkte Ausuͤbung der Hoheitsrechte, der Souve-
rainetaͤt keinesweges nachtheilig ſeyn koͤnnte, weil ſelbſt
die unbezweifelt ſouverainen Maͤchte in Europa roͤmiſchka-
tholiſcher Religion in Anſehung ihrer geiſtlichen Gerecht-
ſame von dem Papſte in vielen Stuͤcken abhingen. Allein
iener Zuſatz; in Weltlichen ſcheint mir dieſen Einwurf kei-
nesweges zu heben, indem, wie ich ſchon damals erin-
nerte, kein Grund vorhanden, warum die Hoheitsrechte im
Geiſtlichen geringer als die im Weltlichen ſeyn, und die
Einſchraͤnkung der erſtern durch eine auswaͤrtige Macht der
Souverainetaͤt nichts ſchaden ſolten.
b] Den Sinn dieſer Redensart erklaͤrt der Herr von Real in
ſeiner Science du Gouvernement T. IV. C. II. Sect. II.
§. 11.
c] Weder die Art, wie und durch wen die Hoheitsrechte aus-
geuͤbt werden d. i. die Regierungsform, noch der groͤßere
oder kleinere Umfang eines Staats kommen bey Beſtim-
mung der Freiheit und Unabhaͤngigkeit eigentlich in Be-
trachtung; ob der letztere gleich, natuͤrlicherweiſe, auf
das ſtaͤrkere oder mindere Gewicht in den Staatsgeſchaͤften
der uͤbrigen Maͤchte einen großen Einflus hat. Der unter
dem Namen Caeſarini Furſtenerii verſteckte groſe Leibnitz
will daher in der bekanten Abhandlung de ſuprematu prin-
cipum etc. die Souveraineté, oder ſeinen ſogenanten Su-
prematum nur denienigen Staaten beilegen, welche einen
weitlaͤuftigen Umfang haben, Krieg fuͤhren, Buͤndniſſe
ſchlieſſen und zur Entſcheidung der Staatsangelegenheiten
anderer Voͤlker uͤberhaupt etwas beitragen koͤnnen. Prae-
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