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Gryphius, Andreas: Teutsche Reim-Gedichte. Frankfurt (Main), 1650.

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das Erste Buch.
Jst seiner freundtligkeit doch gar nichts gleich zu schätzen.
Er ists der mir viel Ehr' vnd mehr' als ehr' erweist/
Er ists/ der mich nicht nur ins Angesicht gepreiß't/
Wen könt ich dir wol sonst zum Freund vnd Richter setzen.
XX. Grabschrifft eines trefflichen Vor-
sprechens.
JCh der durch alle Netz der ernsten Rechte brach/
Dem an verstand vnd Kunst kaum jemand gleich zu 'schätzen
Der sich für keinem Thron noch Richtstul kont entsetzen
Verlohr/ als mir der Todt mein endlich vrtheil sprach.
Der wolberedte Mund/ der gleich der stoltzen bach
Sich vnverzagt ergoß/ der jede zu verletzen
Vnd trösten mächtig war/ vergaß sein weises schwätzen/
Der strenge Richter gab mir keine frist mehr nach.
Er schloß die Augen zu/ den nichts verschlossen war/
Der Kärcker brach vnd schloß/ den schleust die enge bahr:
Was hilfft mich daß ich vor befördert so viel sachen?
Daß meine widerpart mit schrecken mich gehört?
Daß jeder dem ich kundt/ mich mit bestürtzung ehrt?
Nun nichts mich von dem Spruch deß Todes loß kan machen.
XXI. An Eugenien.
SChön ist ein schöner Leib den aller Lippen preisen!
Der von nicht schlechtem Stam vnd edlen Blutt herrührt.
Doch schöner wenn den Leib ein edle Seele zihrt
Die einig sich nur läst die Tugend vnterweisen.
Vielmehr wenn Weißheit noch/ nach der wir oftmals reisen
Sie in der Wiegen lehrt/ mehr wenn sie Zucht anführt
Vnd Heilig seyn ergetzt/ vnd Demut stets regirt.
Mehr wenn jhr keuscher Geist nicht zagt für Flam vnd Eisen.
Diß schätz ich rühmens wehrt/ diß ist was diese Welt
Die aller Schönheit Sitz für höchste Schönheit hält/
Vnd daß man billich mag der Schönheit wunder nennen.
Wer dieses schawen wil wird finden was er sucht

Vnd
das Erſte Buch.
Jſt ſeiner freundtligkeit doch gar nichts gleich zu ſchaͤtzen.
Er iſts der mir viel Ehr’ vnd mehr’ als ehr’ erweiſt/
Er iſts/ der mich nicht nur ins Angeſicht gepreiß’t/
Wen koͤnt ich dir wol ſonſt zum Freund vnd Richter ſetzen.
XX. Grabſchrifft eines trefflichen Vor-
ſprechens.
JCh der durch alle Netz der ernſten Rechte brach/
Dem an verſtand vnd Kunſt kaum jemand gleich zu ’ſchaͤtzẽ
Der ſich fuͤr keinem Thron noch Richtſtul kont entſetzen
Verlohr/ als mir der Todt mein endlich vrtheil ſprach.
Der wolberedte Mund/ der gleich der ſtoltzen bach
Sich vnverzagt ergoß/ der jede zu verletzen
Vnd troͤſten maͤchtig war/ vergaß ſein weiſes ſchwaͤtzen/
Der ſtrenge Richter gab mir keine friſt mehr nach.
Er ſchloß die Augen zu/ den nichts verſchloſſen war/
Der Kaͤrcker brach vnd ſchloß/ den ſchleuſt die enge bahr:
Was hilfft mich daß ich vor befoͤrdert ſo viel ſachen?
Daß meine widerpart mit ſchrecken mich gehoͤrt?
Daß jeder dem ich kundt/ mich mit beſtuͤrtzung ehrt?
Nun nichts mich von dem Spruch deß Todes loß kan machẽ.
XXI. An Eugenien.
SChoͤn iſt ein ſchoͤner Leib den aller Lippen preiſen!
Der von nicht ſchlechtem Stam vñ edlen Blutt herꝛuͤhrt.
Doch ſchoͤner wenn den Leib ein edle Seele zihrt
Die einig ſich nur laͤſt die Tugend vnterweiſen.
Vielmehr wenn Weißheit noch/ nach der wir oftmals reiſen
Sie in der Wiegen lehrt/ mehr wenn ſie Zucht anfuͤhrt
Vnd Heilig ſeyn ergetzt/ vnd Demut ſtets regirt.
Mehr wenn jhr keuſcher Geiſt nicht zagt fuͤr Flam vñ Eiſen.
Diß ſchaͤtz ich ruͤhmens wehrt/ diß iſt was dieſe Welt
Die aller Schoͤnheit Sitz fuͤr hoͤchſte Schoͤnheit haͤlt/
Vnd daß man billich mag der Schoͤnheit wunder nennen.
Wer dieſes ſchawen wil wird finden was er ſucht

Vnd
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[151/0163] das Erſte Buch. Jſt ſeiner freundtligkeit doch gar nichts gleich zu ſchaͤtzen. Er iſts der mir viel Ehr’ vnd mehr’ als ehr’ erweiſt/ Er iſts/ der mich nicht nur ins Angeſicht gepreiß’t/ Wen koͤnt ich dir wol ſonſt zum Freund vnd Richter ſetzen. XX. Grabſchrifft eines trefflichen Vor- ſprechens. JCh der durch alle Netz der ernſten Rechte brach/ Dem an verſtand vnd Kunſt kaum jemand gleich zu ’ſchaͤtzẽ Der ſich fuͤr keinem Thron noch Richtſtul kont entſetzen Verlohr/ als mir der Todt mein endlich vrtheil ſprach. Der wolberedte Mund/ der gleich der ſtoltzen bach Sich vnverzagt ergoß/ der jede zu verletzen Vnd troͤſten maͤchtig war/ vergaß ſein weiſes ſchwaͤtzen/ Der ſtrenge Richter gab mir keine friſt mehr nach. Er ſchloß die Augen zu/ den nichts verſchloſſen war/ Der Kaͤrcker brach vnd ſchloß/ den ſchleuſt die enge bahr: Was hilfft mich daß ich vor befoͤrdert ſo viel ſachen? Daß meine widerpart mit ſchrecken mich gehoͤrt? Daß jeder dem ich kundt/ mich mit beſtuͤrtzung ehrt? Nun nichts mich von dem Spruch deß Todes loß kan machẽ. XXI. An Eugenien. SChoͤn iſt ein ſchoͤner Leib den aller Lippen preiſen! Der von nicht ſchlechtem Stam vñ edlen Blutt herꝛuͤhrt. Doch ſchoͤner wenn den Leib ein edle Seele zihrt Die einig ſich nur laͤſt die Tugend vnterweiſen. Vielmehr wenn Weißheit noch/ nach der wir oftmals reiſen Sie in der Wiegen lehrt/ mehr wenn ſie Zucht anfuͤhrt Vnd Heilig ſeyn ergetzt/ vnd Demut ſtets regirt. Mehr wenn jhr keuſcher Geiſt nicht zagt fuͤr Flam vñ Eiſen. Diß ſchaͤtz ich ruͤhmens wehrt/ diß iſt was dieſe Welt Die aller Schoͤnheit Sitz fuͤr hoͤchſte Schoͤnheit haͤlt/ Vnd daß man billich mag der Schoͤnheit wunder nennen. Wer dieſes ſchawen wil wird finden was er ſucht Vnd

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Zitationshilfe: Gryphius, Andreas: Teutsche Reim-Gedichte. Frankfurt (Main), 1650, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_leoarmenius_1650/163>, abgerufen am 27.04.2024.