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Gryphius, Andreas: Teutsche Reim-Gedichte. Frankfurt (Main), 1650.

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das Erste Buch.
1. Gegensatz.
DEr tag/ der süsse tag
Entsetzt sich selbst für mir.
Die Sonn' ist hier nicht helle/
Sie schewet meine klag.
Der Monden fleucht die stelle.
Die stette nacht hat jhr
Dis dunckel-grause loch zum wohnhaus außerkohren
Der Leichen-faule stanck
Hat mich schier gantz erstöckt/ ich bin/ ich bin verlohren!
Mein Leib vnd Seel ist kranck!
Ach! ach! mir ist so bang!
Wo bleibet GOTT solang.
1. Zusatz.
MJch (dem die grosse Welt vorhin zu enge war/)
Hält dieses enge grab verrigelt
Jch bin in dieser klufft versiegelt/
Vnd fest verstrickt in angst/ in wehmut vnd gefahr.
Wo ist die güldne zeit gebliben/
Da ich mit freyem munde sang?
Da meiner süssen seiten klang/
Sich in des höchsten lob must üben.
Ach wie hat alles sich verkehret/
Wie hefftig hat mich GOTT beschweret.
2. Satz.
DV dreymal Höchster Heldt/
Der du manch' hartes schlos/
Wol ehermal zubrochen;
Dem der zu fusse fält
Den deine gunst vom pochen
Des Feindes frey vnd loß
Vnd ledig hat gemacht; ach wende dein gemüte
Auff dieses Jammer haus/
Reis meine band' entzwey/ O Abgrund höchster güte.
Erschein' vnd laß mich aus!
Komm ewig-trewer GOTT/
Vnd wende noth vnd spott.

2. Ge-
G iiij
das Erſte Buch.
1. Gegenſatz.
DEr tag/ der ſuͤſſe tag
Entſetzt ſich ſelbſt fuͤr mir.
Die Sonn’ iſt hier nicht helle/
Sie ſchewet meine klag.
Der Monden fleucht die ſtelle.
Die ſtette nacht hat jhr
Dis dunckel-grauſe loch zum wohnhaus außerkohren
Der Leichen-faule ſtanck
Hat mich ſchier gantz erſtoͤckt/ ich bin/ ich bin verlohren!
Mein Leib vnd Seel iſt kranck!
Ach! ach! mir iſt ſo bang!
Wo bleibet GOTT ſolang.
1. Zuſatz.
MJch (dem die groſſe Welt vorhin zu enge war/)
Haͤlt dieſes enge grab verꝛigelt
Jch bin in dieſer klufft verſiegelt/
Vnd feſt verſtrickt in angſt/ in wehmut vnd gefahr.
Wo iſt die guͤldne zeit gebliben/
Da ich mit freyem munde ſang?
Da meiner ſuͤſſen ſeiten klang/
Sich in des hoͤchſten lob muſt uͤben.
Ach wie hat alles ſich verkehret/
Wie hefftig hat mich GOTT beſchweret.
2. Satz.
DV dreymal Hoͤchſter Heldt/
Der du manch’ hartes ſchlos/
Wol ehermal zubrochen;
Dem der zu fuſſe faͤlt
Den deine gunſt vom pochen
Des Feindes frey vnd loß
Vnd ledig hat gemacht; ach wende dein gemuͤte
Auff dieſes Jammer haus/
Reis meine band’ entzwey/ O Abgrund hoͤchſter guͤte.
Erſchein’ vnd laß mich aus!
Komm ewig-trewer GOTT/
Vnd wende noth vnd ſpott.

2. Ge-
G iiij
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[95/0107] das Erſte Buch. 1. Gegenſatz. DEr tag/ der ſuͤſſe tag Entſetzt ſich ſelbſt fuͤr mir. Die Sonn’ iſt hier nicht helle/ Sie ſchewet meine klag. Der Monden fleucht die ſtelle. Die ſtette nacht hat jhr Dis dunckel-grauſe loch zum wohnhaus außerkohren Der Leichen-faule ſtanck Hat mich ſchier gantz erſtoͤckt/ ich bin/ ich bin verlohren! Mein Leib vnd Seel iſt kranck! Ach! ach! mir iſt ſo bang! Wo bleibet GOTT ſolang. 1. Zuſatz. MJch (dem die groſſe Welt vorhin zu enge war/) Haͤlt dieſes enge grab verꝛigelt Jch bin in dieſer klufft verſiegelt/ Vnd feſt verſtrickt in angſt/ in wehmut vnd gefahr. Wo iſt die guͤldne zeit gebliben/ Da ich mit freyem munde ſang? Da meiner ſuͤſſen ſeiten klang/ Sich in des hoͤchſten lob muſt uͤben. Ach wie hat alles ſich verkehret/ Wie hefftig hat mich GOTT beſchweret. 2. Satz. DV dreymal Hoͤchſter Heldt/ Der du manch’ hartes ſchlos/ Wol ehermal zubrochen; Dem der zu fuſſe faͤlt Den deine gunſt vom pochen Des Feindes frey vnd loß Vnd ledig hat gemacht; ach wende dein gemuͤte Auff dieſes Jammer haus/ Reis meine band’ entzwey/ O Abgrund hoͤchſter guͤte. Erſchein’ vnd laß mich aus! Komm ewig-trewer GOTT/ Vnd wende noth vnd ſpott. 2. Ge- G iiij

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Zitationshilfe: Gryphius, Andreas: Teutsche Reim-Gedichte. Frankfurt (Main), 1650, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_leoarmenius_1650/107>, abgerufen am 02.05.2024.