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Gryphius, Andreas: Horribilicribrifax. Breslau, 1665.

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Schertz-Spiel.
Antonia. Man wird dir mahlen müssen/ was dir tügen
solle. Cleander, der dich vor begehret/ da er in
geringerm Stande/ wil dich ietzt nicht/ da er ge-
stiegen/ durch einen zubrochenen Zaun ansehen.
Was werden wir an Palladio zu tadeln haben?
Du siehest/ wie dessen Glücke zu blühen beginnet.
Selene. Wol Frau Mutter! weil es blühet/ so mag es
reiff werden! Gelehrte: Verkehrte. Ein Gebünd-
lin Bücher/ und ein Packetlin Kinder ist ihre gan-
tze Verlassenschafft. Was kan eine Dame von
Qvalität vor contentament haben bey einem sol-
chen Menschen? Des Morgens umb vier/ oder
auch eher/ aus dem Bette/ und unter die Bücher/
von dannen auff den Hoff/ in die Kirche oder zu
den Krancken. Sie traumen an der Taffel/ oder
belegen die Teller wol gar mit Brieffen. Denn
gantzen Tag/ steckt ihnen der Kopff voll Mäusene-
ster/ und (was der Teuffel gar ist) wenn sie umb
12. Vhr wiederumb zu Bette kommen/ so schlagen
sie sich mit tollen gedancken/ machen Verse oder
schicken die fünff Sinne gar in Ost Jndien. Vn-
sere alte wasche Magd/ die schwartze Dorabelle,
welche lange bey einem Königlichen Rath in Dien-
sten gewesen/ hat mich mit Eyd und Thränen ver-
sichert/ daß eine Bauer-Greta viel besser sich auff
den Strosack befinde/ als des gelehrtesten Man-
nes Frau auff Schwanen Federn.
Antonia. Sie sind nicht alle solche Träumer. Vnsere
Schwägerin Frau Sulpitia hat sich noch niemals
beklagt: sie hat die Kasten voll/ das Hauß be-
schicket/ die Schüttboden versehen/ die Keller son-
der Mangel/ die Küchen stets leuchtend. Da her-
gegen Frau Gertrud, die den reichen Wucherer
geheyrathet/ hunger stirbt/ und mehr Maul Ta-
schen als Kramets Vogel von ihren Mann auff-
fressen muß.

Selen.
B
Schertz-Spiel.
Antonia. Man wird dir mahlen muͤſſen/ was dir tuͤgen
ſolle. Cleander, der dich vor begehret/ da er in
geringerm Stande/ wil dich ietzt nicht/ da er ge-
ſtiegen/ durch einen zubrochenen Zaun anſehen.
Was werden wir an Palladio zu tadeln haben?
Du ſieheſt/ wie deſſen Gluͤcke zu bluͤhen beginnet.
Selene. Wol Frau Mutter! weil es bluͤhet/ ſo mag es
reiff werden! Gelehrte: Verkehrte. Ein Gebuͤnd-
lin Buͤcher/ und ein Packetlin Kinder iſt ihre gan-
tze Verlaſſenſchafft. Was kan eine Dame von
Qvalitaͤt vor contentament haben bey einem ſol-
chen Menſchen? Des Morgens umb vier/ oder
auch eher/ aus dem Bette/ und unter die Buͤcher/
von dannen auff den Hoff/ in die Kirche oder zu
den Krancken. Sie traumen an der Taffel/ oder
belegen die Teller wol gar mit Brieffen. Denn
gantzen Tag/ ſteckt ihnen der Kopff voll Maͤuſene-
ſter/ und (was der Teuffel gar iſt) wenn ſie umb
12. Vhr wiederumb zu Bette kommen/ ſo ſchlagen
ſie ſich mit tollen gedancken/ machen Verſe oder
ſchicken die fuͤnff Sinne gar in Oſt Jndien. Vn-
ſere alte waſche Magd/ die ſchwartze Dorabelle,
welche lange bey einem Koͤniglichen Rath in Dien-
ſten geweſen/ hat mich mit Eyd und Thraͤnen ver-
ſichert/ daß eine Bauer-Greta viel beſſer ſich auff
den Stroſack befinde/ als des gelehrteſten Man-
nes Frau auff Schwanen Federn.
Antonia. Sie ſind nicht alle ſolche Traͤumer. Vnſere
Schwaͤgerin Frau Sulpitia hat ſich noch niemals
beklagt: ſie hat die Kaſten voll/ das Hauß be-
ſchicket/ die Schuͤttboden verſehen/ die Keller ſon-
der Mangel/ die Kuͤchen ſtets leuchtend. Da her-
gegen Frau Gertrud, die den reichen Wucherer
geheyrathet/ hunger ſtirbt/ und mehr Maul Ta-
ſchen als Kramets Vogel von ihren Mann auff-
freſſen muß.

Selen.
B
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[5/0021] Schertz-Spiel. Antonia. Man wird dir mahlen muͤſſen/ was dir tuͤgen ſolle. Cleander, der dich vor begehret/ da er in geringerm Stande/ wil dich ietzt nicht/ da er ge- ſtiegen/ durch einen zubrochenen Zaun anſehen. Was werden wir an Palladio zu tadeln haben? Du ſieheſt/ wie deſſen Gluͤcke zu bluͤhen beginnet. Selene. Wol Frau Mutter! weil es bluͤhet/ ſo mag es reiff werden! Gelehrte: Verkehrte. Ein Gebuͤnd- lin Buͤcher/ und ein Packetlin Kinder iſt ihre gan- tze Verlaſſenſchafft. Was kan eine Dame von Qvalitaͤt vor contentament haben bey einem ſol- chen Menſchen? Des Morgens umb vier/ oder auch eher/ aus dem Bette/ und unter die Buͤcher/ von dannen auff den Hoff/ in die Kirche oder zu den Krancken. Sie traumen an der Taffel/ oder belegen die Teller wol gar mit Brieffen. Denn gantzen Tag/ ſteckt ihnen der Kopff voll Maͤuſene- ſter/ und (was der Teuffel gar iſt) wenn ſie umb 12. Vhr wiederumb zu Bette kommen/ ſo ſchlagen ſie ſich mit tollen gedancken/ machen Verſe oder ſchicken die fuͤnff Sinne gar in Oſt Jndien. Vn- ſere alte waſche Magd/ die ſchwartze Dorabelle, welche lange bey einem Koͤniglichen Rath in Dien- ſten geweſen/ hat mich mit Eyd und Thraͤnen ver- ſichert/ daß eine Bauer-Greta viel beſſer ſich auff den Stroſack befinde/ als des gelehrteſten Man- nes Frau auff Schwanen Federn. Antonia. Sie ſind nicht alle ſolche Traͤumer. Vnſere Schwaͤgerin Frau Sulpitia hat ſich noch niemals beklagt: ſie hat die Kaſten voll/ das Hauß be- ſchicket/ die Schuͤttboden verſehen/ die Keller ſon- der Mangel/ die Kuͤchen ſtets leuchtend. Da her- gegen Frau Gertrud, die den reichen Wucherer geheyrathet/ hunger ſtirbt/ und mehr Maul Ta- ſchen als Kramets Vogel von ihren Mann auff- freſſen muß. Selen. B

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Zitationshilfe: Gryphius, Andreas: Horribilicribrifax. Breslau, 1665, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_horribilicribrifax_1663/21>, abgerufen am 28.03.2024.