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Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Und somit denke ich, mein Herr, können wir diese Unterredung beendigen; oder was wollen Sie eigentlich von mir?

Was ich will, o Julia, und Sie fragen noch? Glauben Sie denn -- gestatten Sie mir diese ergebenste Aeußerung -- glauben Sie, daß jene wonnevollen Augenblicke im Stadtwald, jene unsterblichen Nachmittage, welche in jeder Minute Ewigkeit enthielten, jemals aus meinem Gedächtniß entschwinden könnten? Zwar die Philosophen aller Zeiten und Nationen sind nicht einig, ob eine wahre und innige Freundschaft zwischen Mann und Frau bestehen könne, ohne je in häßliche Leidenschaft umzuschlagen; aber lassen Sie uns wenigstens die erhabene Vorstellung, sei es auch ein selbstloser idealer Traum: daß bevorzugte Naturen, daß höhere Wesen, denen ein Abglanz jener urewigen Bilder des Vollkommenen in das Leben hereinleuchtet -- daß diese vielleicht dennoch berufen sein dürften, in der That eine solche Freundschaft zu schließen. Erlauben Sie mir hochachtungsvollst hinzuzusetzen, daß es bei solchen Naturen höherer Ordnung wirklich noch eine rein geistige Leidenschaft giebt -- eine Leidenschaft, geläutert von allen Schlacken gemeiner Sinnlichkeit, eine Leidenschaft, welche froh und glückselig ist in stillem Verkehr, in unbewußter Verschmelzung der Seelenatmosphären, in der heiligen Vermählung der Gedankenstrahlen. -- Erlassen Sie mir zu schildern, welchen wohlthuenden Einfluß Ihre bloße Nähe, Ihr Bildniß, Ihre Stimme auf mein geistiges und leibliches Dasein

Und somit denke ich, mein Herr, können wir diese Unterredung beendigen; oder was wollen Sie eigentlich von mir?

Was ich will, o Julia, und Sie fragen noch? Glauben Sie denn — gestatten Sie mir diese ergebenste Aeußerung — glauben Sie, daß jene wonnevollen Augenblicke im Stadtwald, jene unsterblichen Nachmittage, welche in jeder Minute Ewigkeit enthielten, jemals aus meinem Gedächtniß entschwinden könnten? Zwar die Philosophen aller Zeiten und Nationen sind nicht einig, ob eine wahre und innige Freundschaft zwischen Mann und Frau bestehen könne, ohne je in häßliche Leidenschaft umzuschlagen; aber lassen Sie uns wenigstens die erhabene Vorstellung, sei es auch ein selbstloser idealer Traum: daß bevorzugte Naturen, daß höhere Wesen, denen ein Abglanz jener urewigen Bilder des Vollkommenen in das Leben hereinleuchtet — daß diese vielleicht dennoch berufen sein dürften, in der That eine solche Freundschaft zu schließen. Erlauben Sie mir hochachtungsvollst hinzuzusetzen, daß es bei solchen Naturen höherer Ordnung wirklich noch eine rein geistige Leidenschaft giebt — eine Leidenschaft, geläutert von allen Schlacken gemeiner Sinnlichkeit, eine Leidenschaft, welche froh und glückselig ist in stillem Verkehr, in unbewußter Verschmelzung der Seelenatmosphären, in der heiligen Vermählung der Gedankenstrahlen. — Erlassen Sie mir zu schildern, welchen wohlthuenden Einfluß Ihre bloße Nähe, Ihr Bildniß, Ihre Stimme auf mein geistiges und leibliches Dasein

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[0092] Und somit denke ich, mein Herr, können wir diese Unterredung beendigen; oder was wollen Sie eigentlich von mir? Was ich will, o Julia, und Sie fragen noch? Glauben Sie denn — gestatten Sie mir diese ergebenste Aeußerung — glauben Sie, daß jene wonnevollen Augenblicke im Stadtwald, jene unsterblichen Nachmittage, welche in jeder Minute Ewigkeit enthielten, jemals aus meinem Gedächtniß entschwinden könnten? Zwar die Philosophen aller Zeiten und Nationen sind nicht einig, ob eine wahre und innige Freundschaft zwischen Mann und Frau bestehen könne, ohne je in häßliche Leidenschaft umzuschlagen; aber lassen Sie uns wenigstens die erhabene Vorstellung, sei es auch ein selbstloser idealer Traum: daß bevorzugte Naturen, daß höhere Wesen, denen ein Abglanz jener urewigen Bilder des Vollkommenen in das Leben hereinleuchtet — daß diese vielleicht dennoch berufen sein dürften, in der That eine solche Freundschaft zu schließen. Erlauben Sie mir hochachtungsvollst hinzuzusetzen, daß es bei solchen Naturen höherer Ordnung wirklich noch eine rein geistige Leidenschaft giebt — eine Leidenschaft, geläutert von allen Schlacken gemeiner Sinnlichkeit, eine Leidenschaft, welche froh und glückselig ist in stillem Verkehr, in unbewußter Verschmelzung der Seelenatmosphären, in der heiligen Vermählung der Gedankenstrahlen. — Erlassen Sie mir zu schildern, welchen wohlthuenden Einfluß Ihre bloße Nähe, Ihr Bildniß, Ihre Stimme auf mein geistiges und leibliches Dasein

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/92>, abgerufen am 28.11.2024.