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Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Zeilen studirt, Geist und Charakter dieser zierlichen, feinen Handschrift zu entziffern gesucht habe. Sie müssen wissen, daß ich mich einigermaßen darauf verstehe. Diese kühnen und doch leichten Züge deuten auf Unternehmungsgeist, diese zierlichen Anfangsbuchstaben auf hohe Idealität, diese Gleichmäßigkeit des Flusses endlich auf vollkommene Harmonie der Seele -- und zugleich auf festen Willen; -- mitten im Leid und Zweifel haben Sie durch die Handschrift allein mich zum Glücklichsten gemacht!

Ich sehe jetzt, sagte Julia für sich, es war eine große Unvorsichtigkeit, ihm zu schreiben, -- und sie sah sich wiederholt unruhig um, ob noch keine Erlösung komme.

Da Sie nun übrigens meine Familienverhältnisse kennen, mein Herr, sagte sie jetzt mit Entschiedenheit, so wird es Sie kaum überrascht haben, daß ich so und nicht anders handeln durfte. Ich bin in keiner freien, unabhängigen Lage, und in dieser Situation hat eine Frau noch sorgfältiger auf ihren Ruf zu achten. Seien Sie im Uebrigen überzeugt, daß mir nichts ferner lag, als Sie etwa beleidigen zu wollen.

Beleidigen! rief Isidor, und seine Stimme schmolz zum süßesten Tone, während er mit unerwarteter Kühnheit Juliens Hand ergriff. O Julia, Sie können mich zwar tödten -- foltern -- zu Grunde richten, aber beleidigen können Sie mich niemals, Julia, niemals! Dabei neigte er sich, um ihre kleine Hand zu küssen.

Julia entzog ihm rasch ihre Hand und stand auf.

Zeilen studirt, Geist und Charakter dieser zierlichen, feinen Handschrift zu entziffern gesucht habe. Sie müssen wissen, daß ich mich einigermaßen darauf verstehe. Diese kühnen und doch leichten Züge deuten auf Unternehmungsgeist, diese zierlichen Anfangsbuchstaben auf hohe Idealität, diese Gleichmäßigkeit des Flusses endlich auf vollkommene Harmonie der Seele — und zugleich auf festen Willen; — mitten im Leid und Zweifel haben Sie durch die Handschrift allein mich zum Glücklichsten gemacht!

Ich sehe jetzt, sagte Julia für sich, es war eine große Unvorsichtigkeit, ihm zu schreiben, — und sie sah sich wiederholt unruhig um, ob noch keine Erlösung komme.

Da Sie nun übrigens meine Familienverhältnisse kennen, mein Herr, sagte sie jetzt mit Entschiedenheit, so wird es Sie kaum überrascht haben, daß ich so und nicht anders handeln durfte. Ich bin in keiner freien, unabhängigen Lage, und in dieser Situation hat eine Frau noch sorgfältiger auf ihren Ruf zu achten. Seien Sie im Uebrigen überzeugt, daß mir nichts ferner lag, als Sie etwa beleidigen zu wollen.

Beleidigen! rief Isidor, und seine Stimme schmolz zum süßesten Tone, während er mit unerwarteter Kühnheit Juliens Hand ergriff. O Julia, Sie können mich zwar tödten — foltern — zu Grunde richten, aber beleidigen können Sie mich niemals, Julia, niemals! Dabei neigte er sich, um ihre kleine Hand zu küssen.

Julia entzog ihm rasch ihre Hand und stand auf.

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[0091] Zeilen studirt, Geist und Charakter dieser zierlichen, feinen Handschrift zu entziffern gesucht habe. Sie müssen wissen, daß ich mich einigermaßen darauf verstehe. Diese kühnen und doch leichten Züge deuten auf Unternehmungsgeist, diese zierlichen Anfangsbuchstaben auf hohe Idealität, diese Gleichmäßigkeit des Flusses endlich auf vollkommene Harmonie der Seele — und zugleich auf festen Willen; — mitten im Leid und Zweifel haben Sie durch die Handschrift allein mich zum Glücklichsten gemacht! Ich sehe jetzt, sagte Julia für sich, es war eine große Unvorsichtigkeit, ihm zu schreiben, — und sie sah sich wiederholt unruhig um, ob noch keine Erlösung komme. Da Sie nun übrigens meine Familienverhältnisse kennen, mein Herr, sagte sie jetzt mit Entschiedenheit, so wird es Sie kaum überrascht haben, daß ich so und nicht anders handeln durfte. Ich bin in keiner freien, unabhängigen Lage, und in dieser Situation hat eine Frau noch sorgfältiger auf ihren Ruf zu achten. Seien Sie im Uebrigen überzeugt, daß mir nichts ferner lag, als Sie etwa beleidigen zu wollen. Beleidigen! rief Isidor, und seine Stimme schmolz zum süßesten Tone, während er mit unerwarteter Kühnheit Juliens Hand ergriff. O Julia, Sie können mich zwar tödten — foltern — zu Grunde richten, aber beleidigen können Sie mich niemals, Julia, niemals! Dabei neigte er sich, um ihre kleine Hand zu küssen. Julia entzog ihm rasch ihre Hand und stand auf.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:31:15Z)

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Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/91>, abgerufen am 28.11.2024.