Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Seewald vorgenommen, daran ist natürlich nun nicht mehr zu denken. Sie, Frau Conrectorin, haben Feuer in meine Seele geworfen -- nun helfen Sie es auch löschen. Ich werde meine Sommervacanz bei Ihnen zubringen. Es könnte sich gar nicht günstiger treffen. Sie haben ein hübsches Fremdenstübchen, einen großen Garten, alte Bücher und frische Butter, gesunde Landluft und kuhwarme Milch, was will ich mehr? -- Vetter, ich durchschaue Sie, sagte die Conrectorin. Sie wollen noch ganz andere Dinge hier. Sie streuen mir keinen Sand in die Augen. Nun ja, erwiderte der Vetter flüsternd, wozu ein Geheimniß daraus machen? Ich will die Entwickelung der Sache hier abwarten, vor allen Dingen Eine Luft mit ihr athmen, mit der Göttlichen, bis Sie Wort gehalten haben werden, Frau Conrectorin. Vetterchen, thun Sie mir den einzigen Gefallen und fangen Sie nicht wieder von Neuem an zu schwärmen, ich bin wirklich zu müde dazu. Sie sind doch der curioseste Kauz von der Welt -- hätten Sie mir heute Nachmittag den Vorschlag gemacht, ich würde Nein gesagt haben und hundertmal Nein -- nun sind Sie einmal da und thun mir beinah leid, daß Sie den weiten Weg hin und zurück und wieder heraus dreimal gemacht haben. Sie wollen mich also behalten, einzigste, goldenste Frau Conrectorin? Seewald vorgenommen, daran ist natürlich nun nicht mehr zu denken. Sie, Frau Conrectorin, haben Feuer in meine Seele geworfen — nun helfen Sie es auch löschen. Ich werde meine Sommervacanz bei Ihnen zubringen. Es könnte sich gar nicht günstiger treffen. Sie haben ein hübsches Fremdenstübchen, einen großen Garten, alte Bücher und frische Butter, gesunde Landluft und kuhwarme Milch, was will ich mehr? — Vetter, ich durchschaue Sie, sagte die Conrectorin. Sie wollen noch ganz andere Dinge hier. Sie streuen mir keinen Sand in die Augen. Nun ja, erwiderte der Vetter flüsternd, wozu ein Geheimniß daraus machen? Ich will die Entwickelung der Sache hier abwarten, vor allen Dingen Eine Luft mit ihr athmen, mit der Göttlichen, bis Sie Wort gehalten haben werden, Frau Conrectorin. Vetterchen, thun Sie mir den einzigen Gefallen und fangen Sie nicht wieder von Neuem an zu schwärmen, ich bin wirklich zu müde dazu. Sie sind doch der curioseste Kauz von der Welt — hätten Sie mir heute Nachmittag den Vorschlag gemacht, ich würde Nein gesagt haben und hundertmal Nein — nun sind Sie einmal da und thun mir beinah leid, daß Sie den weiten Weg hin und zurück und wieder heraus dreimal gemacht haben. Sie wollen mich also behalten, einzigste, goldenste Frau Conrectorin? <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0070"/> Seewald vorgenommen, daran ist natürlich nun nicht mehr zu denken. Sie, Frau Conrectorin, haben Feuer in meine Seele geworfen — nun helfen Sie es auch löschen. Ich werde meine Sommervacanz bei Ihnen zubringen. Es könnte sich gar nicht günstiger treffen. Sie haben ein hübsches Fremdenstübchen, einen großen Garten, alte Bücher und frische Butter, gesunde Landluft und kuhwarme Milch, was will ich mehr? —</p><lb/> <p>Vetter, ich durchschaue Sie, sagte die Conrectorin. Sie wollen noch ganz andere Dinge hier. Sie streuen mir keinen Sand in die Augen.</p><lb/> <p>Nun ja, erwiderte der Vetter flüsternd, wozu ein Geheimniß daraus machen? Ich will die Entwickelung der Sache hier abwarten, vor allen Dingen Eine Luft mit ihr athmen, mit der Göttlichen, bis Sie Wort gehalten haben werden, Frau Conrectorin.</p><lb/> <p>Vetterchen, thun Sie mir den einzigen Gefallen und fangen Sie nicht wieder von Neuem an zu schwärmen, ich bin wirklich zu müde dazu. Sie sind doch der curioseste Kauz von der Welt — hätten Sie mir heute Nachmittag den Vorschlag gemacht, ich würde Nein gesagt haben und hundertmal Nein — nun sind Sie einmal da und thun mir beinah leid, daß Sie den weiten Weg hin und zurück und wieder heraus dreimal gemacht haben.</p><lb/> <p>Sie wollen mich also behalten, einzigste, goldenste Frau Conrectorin?</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0070]
Seewald vorgenommen, daran ist natürlich nun nicht mehr zu denken. Sie, Frau Conrectorin, haben Feuer in meine Seele geworfen — nun helfen Sie es auch löschen. Ich werde meine Sommervacanz bei Ihnen zubringen. Es könnte sich gar nicht günstiger treffen. Sie haben ein hübsches Fremdenstübchen, einen großen Garten, alte Bücher und frische Butter, gesunde Landluft und kuhwarme Milch, was will ich mehr? —
Vetter, ich durchschaue Sie, sagte die Conrectorin. Sie wollen noch ganz andere Dinge hier. Sie streuen mir keinen Sand in die Augen.
Nun ja, erwiderte der Vetter flüsternd, wozu ein Geheimniß daraus machen? Ich will die Entwickelung der Sache hier abwarten, vor allen Dingen Eine Luft mit ihr athmen, mit der Göttlichen, bis Sie Wort gehalten haben werden, Frau Conrectorin.
Vetterchen, thun Sie mir den einzigen Gefallen und fangen Sie nicht wieder von Neuem an zu schwärmen, ich bin wirklich zu müde dazu. Sie sind doch der curioseste Kauz von der Welt — hätten Sie mir heute Nachmittag den Vorschlag gemacht, ich würde Nein gesagt haben und hundertmal Nein — nun sind Sie einmal da und thun mir beinah leid, daß Sie den weiten Weg hin und zurück und wieder heraus dreimal gemacht haben.
Sie wollen mich also behalten, einzigste, goldenste Frau Conrectorin?
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Zitationshilfe: | Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/70>, abgerufen am 16.07.2024. |