Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Conrectorin? Man geht durch den Stadtpark über die Brücken, man sieht dort weit in das Thal hinaus, und flußabwärts in die unermeßliche Ebene. Das ist mein Lieblingsplätzchen, weil es allerlei Gedanken anregt. Man hört die Wasserfälle rauschen im Seitenthälchen, man übersieht die menschlichen Wohnungen und Vorstädte mit ihren Gärten und Wiesen. Man kommt in einen Zustand contemplativer Beschaulichkeit nach innen und außen, und wie Schiller so schön sagt -- -- --

Nur keine Citate, Vetterchen, und keine Beschreibungen. Sie wollten ja von Frau Julia erzählen --

Ich nähere mich schon diesem Gegenstand, Frau Conrectorin. Sie wissen also, der Weg nach Achatsried geht durch den Stadtpark. Man kommt dabei an einem lustigen Buchenwäldchen vorüber, dicht neben den alten Ulmen. -- Schon einigemal im Frühling sah ich dort eine Dame auf einer Bank sitzen, oder vielmehr ich sah sie nicht, denn die Bank steht ziemlich versteckt, aber ein schöner Schwalbenschwanz, dem ich schon lange nachstellte, führte mich eigentlich auf die Spur, denn er flatterte vom breiten Wege in das Dickicht, und als ich ihm folgte, fand ich ihn sitzen auf den Schultern einer schönen, jungen Frau, die dort unbeweglich saß und in einem Buche las.

Ohne an etwas Arges zu denken, wollte ich meinen schönen Schwalbenschwanz, papilio machaon heißt er, Frau Conrectorin, ergreifen, als mir ein weißes Hündchen entgegenfuhr. Ich entschuldigte mich und setzte meinen

Conrectorin? Man geht durch den Stadtpark über die Brücken, man sieht dort weit in das Thal hinaus, und flußabwärts in die unermeßliche Ebene. Das ist mein Lieblingsplätzchen, weil es allerlei Gedanken anregt. Man hört die Wasserfälle rauschen im Seitenthälchen, man übersieht die menschlichen Wohnungen und Vorstädte mit ihren Gärten und Wiesen. Man kommt in einen Zustand contemplativer Beschaulichkeit nach innen und außen, und wie Schiller so schön sagt — — —

Nur keine Citate, Vetterchen, und keine Beschreibungen. Sie wollten ja von Frau Julia erzählen —

Ich nähere mich schon diesem Gegenstand, Frau Conrectorin. Sie wissen also, der Weg nach Achatsried geht durch den Stadtpark. Man kommt dabei an einem lustigen Buchenwäldchen vorüber, dicht neben den alten Ulmen. — Schon einigemal im Frühling sah ich dort eine Dame auf einer Bank sitzen, oder vielmehr ich sah sie nicht, denn die Bank steht ziemlich versteckt, aber ein schöner Schwalbenschwanz, dem ich schon lange nachstellte, führte mich eigentlich auf die Spur, denn er flatterte vom breiten Wege in das Dickicht, und als ich ihm folgte, fand ich ihn sitzen auf den Schultern einer schönen, jungen Frau, die dort unbeweglich saß und in einem Buche las.

Ohne an etwas Arges zu denken, wollte ich meinen schönen Schwalbenschwanz, papilio machaon heißt er, Frau Conrectorin, ergreifen, als mir ein weißes Hündchen entgegenfuhr. Ich entschuldigte mich und setzte meinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0051"/>
Conrectorin? Man geht durch den                Stadtpark über die Brücken, man sieht dort weit in das Thal hinaus, und flußabwärts                in die unermeßliche Ebene. Das ist mein Lieblingsplätzchen, weil es allerlei Gedanken                anregt. Man hört die Wasserfälle rauschen im Seitenthälchen, man übersieht die                menschlichen Wohnungen und Vorstädte mit ihren Gärten und Wiesen. Man kommt in einen                Zustand contemplativer Beschaulichkeit nach innen und außen, und wie Schiller so                schön sagt &#x2014; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Nur keine Citate, Vetterchen, und keine Beschreibungen. Sie wollten ja von Frau Julia                erzählen &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich nähere mich schon diesem Gegenstand, Frau Conrectorin. Sie wissen also, der Weg                nach Achatsried geht durch den Stadtpark. Man kommt dabei an einem lustigen                Buchenwäldchen vorüber, dicht neben den alten Ulmen. &#x2014; Schon einigemal im Frühling                sah ich dort eine Dame auf einer Bank sitzen, oder vielmehr ich sah sie nicht, denn                die Bank steht ziemlich versteckt, aber ein schöner Schwalbenschwanz, dem ich schon                lange nachstellte, führte mich eigentlich auf die Spur, denn er flatterte vom breiten                Wege in das Dickicht, und als ich ihm folgte, fand ich ihn sitzen auf den Schultern                einer schönen, jungen Frau, die dort unbeweglich saß und in einem Buche las.</p><lb/>
        <p>Ohne an etwas Arges zu denken, wollte ich meinen schönen Schwalbenschwanz, papilio                machaon heißt er, Frau Conrectorin, ergreifen, als mir ein weißes Hündchen                entgegenfuhr. Ich entschuldigte mich und setzte meinen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0051] Conrectorin? Man geht durch den Stadtpark über die Brücken, man sieht dort weit in das Thal hinaus, und flußabwärts in die unermeßliche Ebene. Das ist mein Lieblingsplätzchen, weil es allerlei Gedanken anregt. Man hört die Wasserfälle rauschen im Seitenthälchen, man übersieht die menschlichen Wohnungen und Vorstädte mit ihren Gärten und Wiesen. Man kommt in einen Zustand contemplativer Beschaulichkeit nach innen und außen, und wie Schiller so schön sagt — — — Nur keine Citate, Vetterchen, und keine Beschreibungen. Sie wollten ja von Frau Julia erzählen — Ich nähere mich schon diesem Gegenstand, Frau Conrectorin. Sie wissen also, der Weg nach Achatsried geht durch den Stadtpark. Man kommt dabei an einem lustigen Buchenwäldchen vorüber, dicht neben den alten Ulmen. — Schon einigemal im Frühling sah ich dort eine Dame auf einer Bank sitzen, oder vielmehr ich sah sie nicht, denn die Bank steht ziemlich versteckt, aber ein schöner Schwalbenschwanz, dem ich schon lange nachstellte, führte mich eigentlich auf die Spur, denn er flatterte vom breiten Wege in das Dickicht, und als ich ihm folgte, fand ich ihn sitzen auf den Schultern einer schönen, jungen Frau, die dort unbeweglich saß und in einem Buche las. Ohne an etwas Arges zu denken, wollte ich meinen schönen Schwalbenschwanz, papilio machaon heißt er, Frau Conrectorin, ergreifen, als mir ein weißes Hündchen entgegenfuhr. Ich entschuldigte mich und setzte meinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:31:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/51
Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/51>, abgerufen am 24.11.2024.