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Samuel Greifnson vom Hirschfeld [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Exempel Der unveränderlichen Vorsehung Gottes. [Nürnberg], 1667.

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zarte Händ wie Horn werden; weil sie
mich bißher in alles Unglück geführt.

Niemand verwundert sich mehr/ daß
Joseph dieser Ursachen halber solte ge-
fangen gesetzt worden seyn/ als eben die
unvergleichliche Asanet; weil sie selbst
viel ein anders so wohl von der Selicha
als dem Joseph wuste! Sie kunte [ni]cht
ersinnen/ wie es doch zugangen sey[n mu-]-
ste/ daß diese beyde so bald ihre Neigun-
gen: Nemlich die Selicha ihre hefftige
Lieb in Haß: und hingegen Joseph sei-
ne Keuschheit in brünstige Geilheit ver-
ändert hätte/ wiewohl sie ihres gleichen
an scharpffem Verstand in Egypten
nicht hatte; die Begierde den Verlauff
zu wissen trieben sie dahin/ ihre Baaß
die Bettlägerige Selicha zu besuchen;
mehr unterm Schein ihr schuldig Mit-
leiden zubezeugen/ als sich mercken zu
lassen/ warum sie mit ihrem verbunde-
nen Finger und verwunden Hertzen hin
käme.

Hertzliebste Frau Schwester/ sagte
sie bey ihrer Ankunfft/ unter andern zur

Selicha;

zarte Haͤnd wie Horn werden; weil ſie
mich bißher in alles Ungluͤck gefuͤhrt.

Niemand verwundert ſich mehr/ daß
Joſeph dieſer Urſachen halber ſolte ge-
fangen geſetzt worden ſeyn/ als eben die
unvergleichliche Aſanet; weil ſie ſelbſt
viel ein anders ſo wohl von der Selicha
als dem Joſeph wuſte! Sie kunte [ni]cht
erſinnen/ wie es doch zugangen ſey[n mu-]-
ſte/ daß dieſe beyde ſo bald ihre Neigun-
gen: Nemlich die Selicha ihre hefftige
Lieb in Haß: und hingegen Joſeph ſei-
ne Keuſchheit in bruͤnſtige Geilheit ver-
aͤndert haͤtte/ wiewohl ſie ihres gleichen
an ſcharpffem Verſtand in Egypten
nicht hatte; die Begierde den Verlauff
zu wiſſen trieben ſie dahin/ ihre Baaß
die Bettlaͤgerige Selicha zu beſuchen;
mehr unterm Schein ihr ſchuldig Mit-
leiden zubezeugen/ als ſich mercken zu
laſſen/ warum ſie mit ihrem verbunde-
nen Finger und verwunden Hertzen hin
kaͤme.

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ſie bey ihrer Ankunfft/ unter andern zur

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[116.[116]/0120] zarte Haͤnd wie Horn werden; weil ſie mich bißher in alles Ungluͤck gefuͤhrt. Niemand verwundert ſich mehr/ daß Joſeph dieſer Urſachen halber ſolte ge- fangen geſetzt worden ſeyn/ als eben die unvergleichliche Aſanet; weil ſie ſelbſt viel ein anders ſo wohl von der Selicha als dem Joſeph wuſte! Sie kunte nicht erſinnen/ wie es doch zugangen ſeyn mu-- ſte/ daß dieſe beyde ſo bald ihre Neigun- gen: Nemlich die Selicha ihre hefftige Lieb in Haß: und hingegen Joſeph ſei- ne Keuſchheit in bruͤnſtige Geilheit ver- aͤndert haͤtte/ wiewohl ſie ihres gleichen an ſcharpffem Verſtand in Egypten nicht hatte; die Begierde den Verlauff zu wiſſen trieben ſie dahin/ ihre Baaß die Bettlaͤgerige Selicha zu beſuchen; mehr unterm Schein ihr ſchuldig Mit- leiden zubezeugen/ als ſich mercken zu laſſen/ warum ſie mit ihrem verbunde- nen Finger und verwunden Hertzen hin kaͤme. Hertzliebſte Frau Schweſter/ ſagte ſie bey ihrer Ankunfft/ unter andern zur Selicha;

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Zitationshilfe: Samuel Greifnson vom Hirschfeld [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Exempel Der unveränderlichen Vorsehung Gottes. [Nürnberg], 1667, S. 116.[116]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_vorsehung_1667/120>, abgerufen am 25.11.2024.