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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Fünfftes Buch.
welches alles euer Geschlecht dem unserigen weit
vorziehet; Aber ich rede und verstehe hier nichts von
der Ewigkeit/ weil wir deren zu geniessen nicht fähig
seyn/ sondern allein von dieser Zeitlichkeit/ in welcher
der Allergütigste Schöpffer uns genugsam beseeligt/
als mit einer guten gesunden Vernunfft/ mit Er-
kantnus deß Allerheiligsten Willens Gottes/ so viel
uns vonnöthen/ mit gesunden Leibern/ mit langem
Leben/ mit der edlen Freyheit mit genugsamer Wis-
senschafft/ Kunst und Verstand aller natürlichen
Dinge/ und endlich/ so das allermeiste ist/ sind wir
keiner Sünd/ und dannenhero auch keiner Straff/
noch dem Zorn Gottes/ ja nicht einmal der gering-
sten Kranckheit unterworffen: Welches alles ich dir
darumb so weitläufftig erzehlt/ und auch deßwegen
der H. Engel/ irdischen Menschen/ und unvernünff-
tigen Thier gedacht/ damit du mich desto besser ver-
stehen könnest. Jch antwortet/ es wolte mir dennoch
nicht in Kopff; da sie keiner Missethat/ und also auch
keiner Straff unterworffen/ worzu sie denn eines Kö-
nigs bedörfftig? item/ wie sie sich der Freyheit rüh-
men könten/ wenn sie einem König unterworffen
wären? item/ wie sie geboren werden/ und wieder
sterben könten/ wenn sie gar keinen Schmertzen oder
Kranckheit zu leiden geartet wären? Darauff ant-
wortet mir das Printzlein/ sie hätten ihren König
nicht/ daß er Justitiam administriren/ noch daß sie
ihm dienen solten/ sondern daß er wie der König oder
Weissel in einem Jmmenstock/ ihre Geschäffte diri-
gi
re; und gleich wie ihre Weiber in coitu keine Wol-
lust empfänden/ also seyen sie hingegen auch in ihren
Gedurten keinen Schmertzen unterworffen/ wel-

ches
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Fuͤnfftes Buch.
welches alles euer Geſchlecht dem unſerigen weit
vorziehet; Aber ich rede und verſtehe hier nichts von
der Ewigkeit/ weil wir deren zu genieſſen nicht faͤhig
ſeyn/ ſondern allein von dieſer Zeitlichkeit/ in welcher
der Allerguͤtigſte Schoͤpffer uns genugſam beſeeligt/
als mit einer guten geſunden Vernunfft/ mit Er-
kantnus deß Allerheiligſten Willens Gottes/ ſo viel
uns vonnoͤthen/ mit geſunden Leibern/ mit langem
Leben/ mit der edlen Freyheit mit genugſamer Wiſ-
ſenſchafft/ Kunſt und Verſtand aller natuͤrlichen
Dinge/ und endlich/ ſo das allermeiſte iſt/ ſind wir
keiner Suͤnd/ und dannenhero auch keiner Straff/
noch dem Zorn Gottes/ ja nicht einmal der gering-
ſten Kranckheit unterworffen: Welches alles ich dir
darumb ſo weitlaͤufftig erzehlt/ und auch deßwegen
der H. Engel/ irdiſchen Menſchen/ und unvernuͤnff-
tigen Thier gedacht/ damit du mich deſto beſſer ver-
ſtehen koͤnneſt. Jch antwortet/ es wolte mir dennoch
nicht in Kopff; da ſie keiner Miſſethat/ und alſo auch
keiner Straff unterworffen/ worzu ſie denn eines Koͤ-
nigs bedoͤrfftig? item/ wie ſie ſich der Freyheit ruͤh-
men koͤnten/ wenn ſie einem Koͤnig unterworffen
waͤren? item/ wie ſie geboren werden/ und wieder
ſterben koͤnten/ wenn ſie gar keinen Schmertzen oder
Kranckheit zu leiden geartet waͤren? Darauff ant-
wortet mir das Printzlein/ ſie haͤtten ihren Koͤnig
nicht/ daß er Juſtitiam adminiſtriren/ noch daß ſie
ihm dienen ſolten/ ſondern daß er wie der Koͤnig oder
Weiſſel in einem Jmmenſtock/ ihre Geſchaͤffte diri-
gi
re; und gleich wie ihre Weiber in coitu keine Wol-
luſt empfaͤnden/ alſo ſeyen ſie hingegen auch in ihren
Gedurten keinen Schmertzen unterwoꝛffen/ wel-

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[555/0561] Fuͤnfftes Buch. welches alles euer Geſchlecht dem unſerigen weit vorziehet; Aber ich rede und verſtehe hier nichts von der Ewigkeit/ weil wir deren zu genieſſen nicht faͤhig ſeyn/ ſondern allein von dieſer Zeitlichkeit/ in welcher der Allerguͤtigſte Schoͤpffer uns genugſam beſeeligt/ als mit einer guten geſunden Vernunfft/ mit Er- kantnus deß Allerheiligſten Willens Gottes/ ſo viel uns vonnoͤthen/ mit geſunden Leibern/ mit langem Leben/ mit der edlen Freyheit mit genugſamer Wiſ- ſenſchafft/ Kunſt und Verſtand aller natuͤrlichen Dinge/ und endlich/ ſo das allermeiſte iſt/ ſind wir keiner Suͤnd/ und dannenhero auch keiner Straff/ noch dem Zorn Gottes/ ja nicht einmal der gering- ſten Kranckheit unterworffen: Welches alles ich dir darumb ſo weitlaͤufftig erzehlt/ und auch deßwegen der H. Engel/ irdiſchen Menſchen/ und unvernuͤnff- tigen Thier gedacht/ damit du mich deſto beſſer ver- ſtehen koͤnneſt. Jch antwortet/ es wolte mir dennoch nicht in Kopff; da ſie keiner Miſſethat/ und alſo auch keiner Straff unterworffen/ worzu ſie denn eines Koͤ- nigs bedoͤrfftig? item/ wie ſie ſich der Freyheit ruͤh- men koͤnten/ wenn ſie einem Koͤnig unterworffen waͤren? item/ wie ſie geboren werden/ und wieder ſterben koͤnten/ wenn ſie gar keinen Schmertzen oder Kranckheit zu leiden geartet waͤren? Darauff ant- wortet mir das Printzlein/ ſie haͤtten ihren Koͤnig nicht/ daß er Juſtitiam adminiſtriren/ noch daß ſie ihm dienen ſolten/ ſondern daß er wie der Koͤnig oder Weiſſel in einem Jmmenſtock/ ihre Geſchaͤffte diri- gire; und gleich wie ihre Weiber in coitu keine Wol- luſt empfaͤnden/ alſo ſeyen ſie hingegen auch in ihren Gedurten keinen Schmertzen unterwoꝛffen/ wel- ches A a iij

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/561>, abgerufen am 25.05.2024.