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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Fünfftes Buch.
Botten mit guter Bezahlung wieder zurück schickten.

Das Land kame mir so frembd vor gegen andern
Teutschen Ländern/ als wenn ich in Brasilia oder
in China gewesen wäre/ da sahe ich die Leute in dem
Frieden handlen und wandlen/ die Ställe siunden
voll Viehe/ die Baurn-Höf lieffen voll Hüner/ Gäns
und Endten/ die Strassen wurden sicher von den
Räisenden gebraucht/ die Wirthshäuser sassen voll
Leute die sich lustig machten/ da war gantz keine
Forcht vor dem Feind/ keine Sorg vor der Plünde-
rung/ und keine Angst/ sein Gut/ Leib noch Leben zu
verlieren/ ein jeder lebte sicher unter seinem Wein-
stock und Feigenbaum/ und zwar gegen andern Teut-
schen Ländern zu rechnen/ in lauter Wollust und
Freud/ also daß ich dieses Land vor ein irdisch Para-
dis hielte/ wiewoln es von Art rauch genug zu seyn
schiene. Das machte/ daß ich auff dem gantzen Weg
nur hin und her gaffte/ wenn hingegen Hertzbruder
an seinem Rosenkrantz betete/ deßwegen ich manchen
Filtz bekam/ dann er wolte haben/ ich solte/ wie er/ an
einem Stück beten/ welches ich aber nicht gewohnen
konte.

Zu Zürch kam er mir recht hinder die Brieff/ und
dahero sagte er mir die Warheit auch am tröcknesten
herauß/ denn als wir zu Schafhausen (allwo mir die
Füß von den Erbsen sehr weh thäten) die vorig Nacht
geherbergt/ und ich mich den künfftigen Tag wieder
auff den Erbsen zu gehen förchtete/ ließ ich sie kochen/
und thäts wieder in die Schuh; deßwegen ich dann
wol zu Fuß nach Zürch gelangte/ er aber sich gar übel
gehube/ und zu mir sagte: Bruder/ du hast grosse
Gnad von Gott/ daß du unangesehen der Erbsen in den

Schuhen

Fuͤnfftes Buch.
Botten mit guter Bezahlung wieder zuruͤck ſchickten.

Das Land kame mir ſo frembd vor gegen andern
Teutſchen Laͤndern/ als wenn ich in Braſilia oder
in China geweſen waͤre/ da ſahe ich die Leute in dem
Frieden handlen und wandlen/ die Staͤlle ſiunden
voll Viehe/ die Baurn-Hoͤf lieffen voll Huͤner/ Gaͤns
und Endten/ die Straſſen wurden ſicher von den
Raͤiſenden gebraucht/ die Wirthshaͤuſer ſaſſen voll
Leute die ſich luſtig machten/ da war gantz keine
Forcht vor dem Feind/ keine Sorg vor der Pluͤnde-
rung/ und keine Angſt/ ſein Gut/ Leib noch Leben zu
verlieren/ ein jeder lebte ſicher unter ſeinem Wein-
ſtock und Feigenbaum/ und zwar gegen andern Teut-
ſchen Laͤndern zu rechnen/ in lauter Wolluſt und
Freud/ alſo daß ich dieſes Land vor ein irdiſch Para-
dis hielte/ wiewoln es von Art rauch genug zu ſeyn
ſchiene. Das machte/ daß ich auff dem gantzen Weg
nur hin und her gaffte/ wenn hingegen Hertzbruder
an ſeinem Roſenkrantz betete/ deßwegen ich manchen
Filtz bekam/ dann er wolte haben/ ich ſolte/ wie er/ an
einem Stuͤck beten/ welches ich aber nicht gewohnen
konte.

Zu Zuͤrch kam er mir recht hinder die Brieff/ und
dahero ſagte er mir die Warheit auch am troͤckneſten
herauß/ denn als wir zu Schafhauſen (allwo mir die
Fuͤß von den Erbſen ſehr weh thaͤten) die vorig Nacht
geherbergt/ und ich mich den kuͤnfftigen Tag wieder
auff den Erbſen zu gehen foͤrchtete/ ließ ich ſie kochen/
und thaͤts wieder in die Schuh; deßwegen ich dann
wol zu Fuß nach Zuͤrch gelangte/ er aber ſich gar uͤbel
gehube/ und zu mir ſagte: Bruder/ du haſt groſſe
Gnad von Gott/ daß du unangeſehen der Erbſen in den

Schuhen
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[499/0505] Fuͤnfftes Buch. Botten mit guter Bezahlung wieder zuruͤck ſchickten. Das Land kame mir ſo frembd vor gegen andern Teutſchen Laͤndern/ als wenn ich in Braſilia oder in China geweſen waͤre/ da ſahe ich die Leute in dem Frieden handlen und wandlen/ die Staͤlle ſiunden voll Viehe/ die Baurn-Hoͤf lieffen voll Huͤner/ Gaͤns und Endten/ die Straſſen wurden ſicher von den Raͤiſenden gebraucht/ die Wirthshaͤuſer ſaſſen voll Leute die ſich luſtig machten/ da war gantz keine Forcht vor dem Feind/ keine Sorg vor der Pluͤnde- rung/ und keine Angſt/ ſein Gut/ Leib noch Leben zu verlieren/ ein jeder lebte ſicher unter ſeinem Wein- ſtock und Feigenbaum/ und zwar gegen andern Teut- ſchen Laͤndern zu rechnen/ in lauter Wolluſt und Freud/ alſo daß ich dieſes Land vor ein irdiſch Para- dis hielte/ wiewoln es von Art rauch genug zu ſeyn ſchiene. Das machte/ daß ich auff dem gantzen Weg nur hin und her gaffte/ wenn hingegen Hertzbruder an ſeinem Roſenkrantz betete/ deßwegen ich manchen Filtz bekam/ dann er wolte haben/ ich ſolte/ wie er/ an einem Stuͤck beten/ welches ich aber nicht gewohnen konte. Zu Zuͤrch kam er mir recht hinder die Brieff/ und dahero ſagte er mir die Warheit auch am troͤckneſten herauß/ denn als wir zu Schafhauſen (allwo mir die Fuͤß von den Erbſen ſehr weh thaͤten) die vorig Nacht geherbergt/ und ich mich den kuͤnfftigen Tag wieder auff den Erbſen zu gehen foͤrchtete/ ließ ich ſie kochen/ und thaͤts wieder in die Schuh; deßwegen ich dann wol zu Fuß nach Zuͤrch gelangte/ er aber ſich gar uͤbel gehube/ und zu mir ſagte: Bruder/ du haſt groſſe Gnad von Gott/ daß du unangeſehen der Erbſen in den Schuhen

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/505>, abgerufen am 25.11.2024.