Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweytes Buch.
dann ich hatte mir vorgesetzt/ alle Thorheiten zu be-
reden/ und alle Eitelkeiten zu straffen/ worzu sich
dann mein damaliger Stand trefflich schickte; kein
Tischgenoß war mir zu gut/ ihm sein Laster zu ver-
weisen und auffzurupffen/ und wenn sich einer fand/
der sichs nicht gefallen liesse/ so wurde er entweder
noch darzu von andern außgelacht/ oder ihme von
meinem Herrn vorgehalten/ daß sich kein Weiser
über einen Narrn zu erzörnen pflege: Den dollen
Fähnrich/ welcher mein argster Feind war/ setzte ich
gleich auff den Esel. Der erste aber/ der mir auß mei-
nes Herrn Wincken mit Vernunfft begegnete/ war
der Secretarius, dann als ich denselben einen Titul-
Schmid nennete/ ihn wegen der eiteln Titul außlach-
te/ und fragte/ wie man der Menschen ersten Vatter
titulirt hätte? Antwortet er/ du redest wie ein unver-
nünfftig Kalb/ weil du nicht weist/ daß nach unsern
ersten Eltern unterschiedliche Leut gelebt/ die durch
seltene Tugenden/ als Weisheit/ mannliche Helden-
Thaten/ und Erfindung guter Künste/ sich und ihr
Geschlecht dermassen geadelt haben/ daß sie auch
von andern über alle irdische Ding/ ja gar übers Ge-
stirn zu Göttern erhoben worden; Wärest du ein
Mensch/ oder hättest auffs wenigst wie ein Mensch
die Historien gelesen/ so verstündest du auch den Un-
terscheid/ der sich zwischen den Menschen enthält/
und würdest dannenhero einem jeden seinen Ehren-
Titul gern gönnen/ sintemal du aber ein Kalb/ und
keiner menschlichen Ehr würdig noch fähig bist/ so
redest du auch von der Sach wie ein dummes Kalb/
und mißgönnest dem edlen menschlichen Geschlecht
das jenige/ dessen es sich zu erfreuen hat. Jch ant-

wor-
G vij

Zweytes Buch.
dann ich hatte mir vorgeſetzt/ alle Thorheiten zu be-
reden/ und alle Eitelkeiten zu ſtraffen/ worzu ſich
dann mein damaliger Stand trefflich ſchickte; kein
Tiſchgenoß war mir zu gut/ ihm ſein Laſter zu ver-
weiſen und auffzurupffen/ und wenn ſich einer fand/
der ſichs nicht gefallen lieſſe/ ſo wurde er entweder
noch darzu von andern außgelacht/ oder ihme von
meinem Herꝛn vorgehalten/ daß ſich kein Weiſer
über einen Narꝛn zu erzoͤrnen pflege: Den dollen
Faͤhnrich/ welcher mein argſter Feind war/ ſetzte ich
gleich auff den Eſel. Der erſte aber/ der mir auß mei-
nes Herꝛn Wincken mit Vernunfft begegnete/ war
der Secretarius, dann als ich denſelben einen Titul-
Schmid nennete/ ihn wegen der eiteln Titul außlach-
te/ und fragte/ wie man der Menſchen erſten Vatter
titulirt haͤtte? Antwortet er/ du redeſt wie ein unver-
nuͤnfftig Kalb/ weil du nicht weiſt/ daß nach unſern
erſten Eltern unterſchiedliche Leut gelebt/ die durch
ſeltene Tugenden/ als Weisheit/ mannliche Helden-
Thaten/ und Erfindung guter Kuͤnſte/ ſich und ihr
Geſchlecht dermaſſen geadelt haben/ daß ſie auch
von andern uͤber alle irdiſche Ding/ ja gar uͤbers Ge-
ſtirn zu Goͤttern erhoben worden; Waͤreſt du ein
Menſch/ oder haͤtteſt auffs wenigſt wie ein Menſch
die Hiſtorien geleſen/ ſo verſtuͤndeſt du auch den Un-
terſcheid/ der ſich zwiſchen den Menſchen enthaͤlt/
und wuͤrdeſt dannenhero einem jeden ſeinen Ehren-
Titul gern goͤnnen/ ſintemal du aber ein Kalb/ und
keiner menſchlichen Ehr wuͤrdig noch faͤhig biſt/ ſo
redeſt du auch von der Sach wie ein dummes Kalb/
und mißgoͤnneſt dem edlen menſchlichen Geſchlecht
das jenige/ deſſen es ſich zu erfreuen hat. Jch ant-

wor-
G vij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0161" n="155"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweytes Buch.</hi></fw><lb/>
dann ich hatte mir vorge&#x017F;etzt/ alle Thorheiten zu be-<lb/>
reden/ und alle Eitelkeiten zu &#x017F;traffen/ worzu &#x017F;ich<lb/>
dann mein damaliger Stand trefflich &#x017F;chickte; kein<lb/>
Ti&#x017F;chgenoß war mir zu gut/ ihm &#x017F;ein La&#x017F;ter zu ver-<lb/>
wei&#x017F;en und auffzurupffen/ und wenn &#x017F;ich einer fand/<lb/>
der &#x017F;ichs nicht gefallen lie&#x017F;&#x017F;e/ &#x017F;o wurde er entweder<lb/>
noch darzu von andern außgelacht/ oder ihme von<lb/>
meinem Her&#xA75B;n vorgehalten/ daß &#x017F;ich kein Wei&#x017F;er<lb/>
über einen Nar&#xA75B;n zu erzo&#x0364;rnen pflege: Den dollen<lb/>
Fa&#x0364;hnrich/ welcher mein arg&#x017F;ter Feind war/ &#x017F;etzte ich<lb/>
gleich auff den E&#x017F;el. Der er&#x017F;te aber/ der mir auß mei-<lb/>
nes Her&#xA75B;n Wincken mit Vernunfft begegnete/ war<lb/>
der <hi rendition="#aq">Secretarius,</hi> dann als ich den&#x017F;elben einen Titul-<lb/>
Schmid nennete/ ihn wegen der eiteln Titul außlach-<lb/>
te/ und fragte/ wie man der Men&#x017F;chen er&#x017F;ten Vatter<lb/>
titulirt ha&#x0364;tte? Antwortet er/ du rede&#x017F;t wie ein unver-<lb/>
nu&#x0364;nfftig Kalb/ weil du nicht wei&#x017F;t/ daß nach un&#x017F;ern<lb/>
er&#x017F;ten Eltern unter&#x017F;chiedliche Leut gelebt/ die durch<lb/>
&#x017F;eltene Tugenden/ als Weisheit/ mannliche Helden-<lb/>
Thaten/ und Erfindung guter Ku&#x0364;n&#x017F;te/ &#x017F;ich und ihr<lb/>
Ge&#x017F;chlecht derma&#x017F;&#x017F;en geadelt haben/ daß &#x017F;ie auch<lb/>
von andern u&#x0364;ber alle irdi&#x017F;che Ding/ ja gar u&#x0364;bers Ge-<lb/>
&#x017F;tirn zu Go&#x0364;ttern erhoben worden; Wa&#x0364;re&#x017F;t du ein<lb/>
Men&#x017F;ch/ oder ha&#x0364;tte&#x017F;t auffs wenig&#x017F;t wie ein Men&#x017F;ch<lb/>
die Hi&#x017F;torien gele&#x017F;en/ &#x017F;o ver&#x017F;tu&#x0364;nde&#x017F;t du auch den Un-<lb/>
ter&#x017F;cheid/ der &#x017F;ich zwi&#x017F;chen den Men&#x017F;chen entha&#x0364;lt/<lb/>
und wu&#x0364;rde&#x017F;t dannenhero einem jeden &#x017F;einen Ehren-<lb/>
Titul gern go&#x0364;nnen/ &#x017F;intemal du aber ein Kalb/ und<lb/>
keiner men&#x017F;chlichen Ehr wu&#x0364;rdig noch fa&#x0364;hig bi&#x017F;t/ &#x017F;o<lb/>
rede&#x017F;t du auch von der Sach wie ein dummes Kalb/<lb/>
und mißgo&#x0364;nne&#x017F;t dem edlen men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlecht<lb/>
das jenige/ de&#x017F;&#x017F;en es &#x017F;ich zu erfreuen hat. Jch ant-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G vij</fw><fw place="bottom" type="catch">wor-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0161] Zweytes Buch. dann ich hatte mir vorgeſetzt/ alle Thorheiten zu be- reden/ und alle Eitelkeiten zu ſtraffen/ worzu ſich dann mein damaliger Stand trefflich ſchickte; kein Tiſchgenoß war mir zu gut/ ihm ſein Laſter zu ver- weiſen und auffzurupffen/ und wenn ſich einer fand/ der ſichs nicht gefallen lieſſe/ ſo wurde er entweder noch darzu von andern außgelacht/ oder ihme von meinem Herꝛn vorgehalten/ daß ſich kein Weiſer über einen Narꝛn zu erzoͤrnen pflege: Den dollen Faͤhnrich/ welcher mein argſter Feind war/ ſetzte ich gleich auff den Eſel. Der erſte aber/ der mir auß mei- nes Herꝛn Wincken mit Vernunfft begegnete/ war der Secretarius, dann als ich denſelben einen Titul- Schmid nennete/ ihn wegen der eiteln Titul außlach- te/ und fragte/ wie man der Menſchen erſten Vatter titulirt haͤtte? Antwortet er/ du redeſt wie ein unver- nuͤnfftig Kalb/ weil du nicht weiſt/ daß nach unſern erſten Eltern unterſchiedliche Leut gelebt/ die durch ſeltene Tugenden/ als Weisheit/ mannliche Helden- Thaten/ und Erfindung guter Kuͤnſte/ ſich und ihr Geſchlecht dermaſſen geadelt haben/ daß ſie auch von andern uͤber alle irdiſche Ding/ ja gar uͤbers Ge- ſtirn zu Goͤttern erhoben worden; Waͤreſt du ein Menſch/ oder haͤtteſt auffs wenigſt wie ein Menſch die Hiſtorien geleſen/ ſo verſtuͤndeſt du auch den Un- terſcheid/ der ſich zwiſchen den Menſchen enthaͤlt/ und wuͤrdeſt dannenhero einem jeden ſeinen Ehren- Titul gern goͤnnen/ ſintemal du aber ein Kalb/ und keiner menſchlichen Ehr wuͤrdig noch faͤhig biſt/ ſo redeſt du auch von der Sach wie ein dummes Kalb/ und mißgoͤnneſt dem edlen menſchlichen Geſchlecht das jenige/ deſſen es ſich zu erfreuen hat. Jch ant- wor- G vij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/161
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/161>, abgerufen am 27.11.2024.