German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Deß Abentheurl. Simplicissimi lichste Paradeis selbsten: Hierauff hörte ich küssen/und vermerckte seltzame Posturen/ ich wusie aber nicht was es war oder bedeuten solte/ schwieg derowegen noch fürters so still als ein Mauß. Wie sich aber auch sonst ein possirlich Geräusch erhube/ und der Gänsstall/ so nur von Brettern unter die Stege ge- täfelt war/ zu krachen anfienge/ zumaln das Weibs- bild sich anstellte/ als ob ihr gar wehe bey der Sach geschehe/ da gedachte ich/ das seynd zwey von denen wütenden Leuten/ die den Boden helffen eintretten/ und sich jetzt hieher begeben haben/ da gleicher weis zu hausen/ und dich umbs Leben zu bringen. So bald diese Gedancken mich einnamen/ so bald nam ich hingegen die Thür ein/ dem Todt zu entfliehen/ dar- durch ich mit einem solchen Mordio-Geschrey hin- auß wischte/ das natürlich lautet/ wie das jenige/ das mich an denselben Ort gebracht hatte/ doch war ich so gescheid/ daß ich die Thür hinder mir wieder zurigelte/ und hingegen die offene Haußihür suchte. Dieses nun war die erste Hochzeit/ bey deren ich mich mein Lebtag befunden/ unangesehen ich nicht darzu geladen worden hingegen dorffte ich aber auch nichts schencken/ wiewol mir hernach der Hochzeiter die Zech desto theurer rechnete/ die ich auch redlich be- zahlte. Günstiger Leser/ ich erzehle diese Geschicht nicht darumb/ damit Er viel darüber lachen solle/ sondern damit meine Histori gantz seye/ und der Leser zu Gemüt führe/ was vor ehrbare Früchten von dem Tantzen zu gewarten seyen. Diß halte ich einmal vor gewiß/ daß bey den Täntzen mancher Kauff gemacht wird/ dessen sich hernach eine gantze Freundschafft zu schämen hat. Das
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi lichſte Paradeis ſelbſten: Hierauff hoͤrte ich kuͤſſen/und vermerckte ſeltzame Poſturen/ ich wuſie aber nicht was es war oder bedeuten ſolte/ ſchwieg derowegen noch fuͤrters ſo ſtill als ein Mauß. Wie ſich aber auch ſonſt ein poſſirlich Geraͤuſch erhube/ und der Gaͤnsſtall/ ſo nur von Brettern unter die Stege ge- taͤfelt war/ zu krachen anfienge/ zumaln das Weibs- bild ſich anſtellte/ als ob ihr gar wehe bey der Sach geſchehe/ da gedachte ich/ das ſeynd zwey von denen wuͤtenden Leuten/ die den Boden helffen eintretten/ und ſich jetzt hieher begeben haben/ da gleicher weis zu hauſen/ und dich umbs Leben zu bringen. So bald dieſe Gedancken mich einnamen/ ſo bald nam ich hingegen die Thuͤr ein/ dem Todt zu entfliehen/ dar- durch ich mit einem ſolchen Mordio-Geſchrey hin- auß wiſchte/ das natuͤrlich lautet/ wie das jenige/ das mich an denſelben Ort gebracht hatte/ doch war ich ſo geſcheid/ daß ich die Thuͤr hinder mir wieder zurigelte/ und hingegen die offene Haußihuͤr ſuchte. Dieſes nun war die erſte Hochzeit/ bey deren ich mich mein Lebtag befunden/ unangeſehen ich nicht darzu geladen woꝛden hingegen dorffte ich aber auch nichts ſchencken/ wiewol mir hernach der Hochzeiter die Zech deſto theurer rechnete/ die ich auch redlich be- zahlte. Guͤnſtiger Leſer/ ich erzehle dieſe Geſchicht nicht darumb/ damit Er viel daruͤber lachen ſolle/ ſondern damit meine Hiſtori gantz ſeye/ und der Leſer zu Gemuͤt fuͤhre/ was vor ehrbare Fruͤchten von dem Tantzen zu gewarten ſeyen. Diß halte ich einmal vor gewiß/ daß bey den Taͤntzen mancher Kauff gemacht wird/ deſſen ſich hernach eine gantze Freundſchafft zu ſchaͤmen hat. Das
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0130" n="124"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß Abentheurl. <hi rendition="#aq">Simpliciſſimi</hi></hi></fw><lb/> lichſte Paradeis ſelbſten: Hierauff hoͤrte ich kuͤſſen/<lb/> und vermerckte ſeltzame <hi rendition="#aq">Poſtur</hi>en/ ich wuſie aber nicht<lb/> was es war oder bedeuten ſolte/ ſchwieg derowegen<lb/> noch fuͤrters ſo ſtill als ein Mauß. Wie ſich aber<lb/> auch ſonſt ein poſſirlich Geraͤuſch erhube/ und der<lb/> Gaͤnsſtall/ ſo nur von Brettern unter die Stege ge-<lb/> taͤfelt war/ zu krachen anfienge/ zumaln das Weibs-<lb/> bild ſich anſtellte/ als ob ihr gar wehe bey der Sach<lb/> geſchehe/ da gedachte ich/ das ſeynd zwey von denen<lb/> wuͤtenden Leuten/ die den Boden helffen eintretten/<lb/> und ſich jetzt hieher begeben haben/ da gleicher weis<lb/> zu hauſen/ und dich umbs Leben zu bringen. So bald<lb/> dieſe Gedancken mich einnamen/ ſo bald nam ich<lb/> hingegen die Thuͤr ein/ dem Todt zu entfliehen/ dar-<lb/> durch ich mit einem ſolchen Mordio-Geſchrey hin-<lb/> auß wiſchte/ das natuͤrlich lautet/ wie das jenige/<lb/> das mich an denſelben Ort gebracht hatte/ doch war<lb/> ich ſo geſcheid/ daß ich die Thuͤr hinder mir wieder<lb/> zurigelte/ und hingegen die offene Haußihuͤr ſuchte.<lb/> Dieſes nun war die erſte Hochzeit/ bey deren ich mich<lb/> mein Lebtag befunden/ unangeſehen ich nicht darzu<lb/> geladen woꝛden hingegen dorffte ich aber auch nichts<lb/> ſchencken/ wiewol mir hernach der Hochzeiter die<lb/> Zech deſto theurer rechnete/ die ich auch redlich be-<lb/> zahlte. Guͤnſtiger Leſer/ ich erzehle dieſe Geſchicht<lb/> nicht darumb/ damit Er viel daruͤber lachen ſolle/<lb/> ſondern damit meine Hiſtori gantz ſeye/ und der Leſer<lb/> zu Gemuͤt fuͤhre/ was vor ehrbare Fruͤchten von dem<lb/> Tantzen zu gewarten ſeyen. Diß halte ich einmal vor<lb/> gewiß/ daß bey den Taͤntzen mancher Kauff gemacht<lb/> wird/ deſſen ſich hernach eine gantze Freundſchafft<lb/> zu ſchaͤmen hat.</p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Das</hi> </fw><lb/> </body> </text> </TEI> [124/0130]
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
lichſte Paradeis ſelbſten: Hierauff hoͤrte ich kuͤſſen/
und vermerckte ſeltzame Poſturen/ ich wuſie aber nicht
was es war oder bedeuten ſolte/ ſchwieg derowegen
noch fuͤrters ſo ſtill als ein Mauß. Wie ſich aber
auch ſonſt ein poſſirlich Geraͤuſch erhube/ und der
Gaͤnsſtall/ ſo nur von Brettern unter die Stege ge-
taͤfelt war/ zu krachen anfienge/ zumaln das Weibs-
bild ſich anſtellte/ als ob ihr gar wehe bey der Sach
geſchehe/ da gedachte ich/ das ſeynd zwey von denen
wuͤtenden Leuten/ die den Boden helffen eintretten/
und ſich jetzt hieher begeben haben/ da gleicher weis
zu hauſen/ und dich umbs Leben zu bringen. So bald
dieſe Gedancken mich einnamen/ ſo bald nam ich
hingegen die Thuͤr ein/ dem Todt zu entfliehen/ dar-
durch ich mit einem ſolchen Mordio-Geſchrey hin-
auß wiſchte/ das natuͤrlich lautet/ wie das jenige/
das mich an denſelben Ort gebracht hatte/ doch war
ich ſo geſcheid/ daß ich die Thuͤr hinder mir wieder
zurigelte/ und hingegen die offene Haußihuͤr ſuchte.
Dieſes nun war die erſte Hochzeit/ bey deren ich mich
mein Lebtag befunden/ unangeſehen ich nicht darzu
geladen woꝛden hingegen dorffte ich aber auch nichts
ſchencken/ wiewol mir hernach der Hochzeiter die
Zech deſto theurer rechnete/ die ich auch redlich be-
zahlte. Guͤnſtiger Leſer/ ich erzehle dieſe Geſchicht
nicht darumb/ damit Er viel daruͤber lachen ſolle/
ſondern damit meine Hiſtori gantz ſeye/ und der Leſer
zu Gemuͤt fuͤhre/ was vor ehrbare Fruͤchten von dem
Tantzen zu gewarten ſeyen. Diß halte ich einmal vor
gewiß/ daß bey den Taͤntzen mancher Kauff gemacht
wird/ deſſen ſich hernach eine gantze Freundſchafft
zu ſchaͤmen hat.
Das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDer angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |