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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Erstes Buch.
legen gewesen; massen ihnen Christus selbsten das
Zeugnus gibt/ daß sie sich untereinander geliebet ha-
ben: Dahero betrachtete ich/ wenn wir keinen Lohn
haben/ so wir die Feinde nicht lieben/ was vor grosse
Straffen wir dann gewärtig seyn müssen/ wann wir
auch unsere Freund hassen; wo die gröste Lieb und
Treu seyn solte/ fande ich die höchste Untreu/ und den
gewaltigsten Haß. Mancher Herr schunde seine ge-
treue Diener und Underthanen/ hingegen wurden
etliche Underthanen an ihren frommen Herren zu
Schelmen. Den continuirlichen Zanck vermercket
ich zwischen vielen Eheleuten/ mancher Tyrann hiel-
te sein ehrlich Weib ärger als einen Hund/ und man-
che lose Vettel ihren frommen Mann vor einen Narrn
und Esel. Viel Hündische Herrn und Meister betro-
gen ihre fleissige Dienstbotten umb ihren gebühren-
den Lohn/ und schmälerten beydes Speiß und Tranck/
hingegen sahe ich auch viel untreu Gesind/ die ihre
fromme Herren entweder durch Diebstal oder Fahr-
lässigkeit ins Verderben setzten. Die Handels-Leut
und Handwercker renneten mit dem Juden-Spieß
gleichsam umb die Wett/ und sogen durch allerhand
Fünde und Vörthel dem Bauersmann seinen sauren
Schweiß ab; hingegen waren theils Bauren so gar
gottloß/ daß sie sich auch darumb bekümmerten/ wenn
sie nicht rechtschaffen genug mit Boßheit durchtrie-
ben waren/ andere Leut/ oder auch wol ihre Herren
selbst/ unterm Schein der Einfalt zu beruffen. Jch
sahe einsmals einen Soldaten einem andern eine
dichte Maulschelle geben/ und bildete mir ein/ der
Geschlagene würde den andern Backen auch dar-
bieten: (weil ich noch niemal bey keiner Schlägerey

gewe-

Erſtes Buch.
legen geweſen; maſſen ihnen Chriſtus ſelbſten das
Zeugnus gibt/ daß ſie ſich untereinander geliebet ha-
ben: Dahero betrachtete ich/ wenn wir keinen Lohn
haben/ ſo wir die Feinde nicht lieben/ was vor groſſe
Straffen wir dann gewaͤrtig ſeyn muͤſſen/ wann wir
auch unſere Freund haſſen; wo die groͤſte Lieb und
Treu ſeyn ſolte/ fande ich die hoͤchſte Untreu/ und den
gewaltigſten Haß. Mancher Herꝛ ſchunde ſeine ge-
treue Diener und Underthanen/ hingegen wurden
etliche Underthanen an ihren frommen Herꝛen zu
Schelmen. Den continuirlichen Zanck vermercket
ich zwiſchen vielen Eheleuten/ mancher Tyrann hiel-
te ſein ehrlich Weib aͤrger als einen Hund/ und man-
che loſe Vettel ihren from̃en Mann vor einen Narꝛn
und Eſel. Viel Huͤndiſche Herꝛn und Meiſter betro-
gen ihre fleiſſige Dienſtbotten umb ihren gebuͤhren-
den Lohn/ und ſchmaͤlerten beydes Speiß und Tranck/
hingegen ſahe ich auch viel untreu Geſind/ die ihre
fromme Herꝛen entweder durch Diebſtal oder Fahr-
laͤſſigkeit ins Verderben ſetzten. Die Handels-Leut
und Handwercker renneten mit dem Juden-Spieß
gleichſam umb die Wett/ und ſogen durch allerhand
Fuͤnde und Voͤrthel dem Bauersmann ſeinen ſauren
Schweiß ab; hingegen waren theils Bauren ſo gar
gottloß/ daß ſie ſich auch darumb bekuͤmmerten/ wenn
ſie nicht rechtſchaffen genug mit Boßheit durchtrie-
ben waren/ andere Leut/ oder auch wol ihre Herꝛen
ſelbſt/ unterm Schein der Einfalt zu beruffen. Jch
ſahe einsmals einen Soldaten einem andern eine
dichte Maulſchelle geben/ und bildete mir ein/ der
Geſchlagene wuͤrde den andern Backen auch dar-
bieten: (weil ich noch niemal bey keiner Schlaͤgerey

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[91/0097] Erſtes Buch. legen geweſen; maſſen ihnen Chriſtus ſelbſten das Zeugnus gibt/ daß ſie ſich untereinander geliebet ha- ben: Dahero betrachtete ich/ wenn wir keinen Lohn haben/ ſo wir die Feinde nicht lieben/ was vor groſſe Straffen wir dann gewaͤrtig ſeyn muͤſſen/ wann wir auch unſere Freund haſſen; wo die groͤſte Lieb und Treu ſeyn ſolte/ fande ich die hoͤchſte Untreu/ und den gewaltigſten Haß. Mancher Herꝛ ſchunde ſeine ge- treue Diener und Underthanen/ hingegen wurden etliche Underthanen an ihren frommen Herꝛen zu Schelmen. Den continuirlichen Zanck vermercket ich zwiſchen vielen Eheleuten/ mancher Tyrann hiel- te ſein ehrlich Weib aͤrger als einen Hund/ und man- che loſe Vettel ihren from̃en Mann vor einen Narꝛn und Eſel. Viel Huͤndiſche Herꝛn und Meiſter betro- gen ihre fleiſſige Dienſtbotten umb ihren gebuͤhren- den Lohn/ und ſchmaͤlerten beydes Speiß und Tranck/ hingegen ſahe ich auch viel untreu Geſind/ die ihre fromme Herꝛen entweder durch Diebſtal oder Fahr- laͤſſigkeit ins Verderben ſetzten. Die Handels-Leut und Handwercker renneten mit dem Juden-Spieß gleichſam umb die Wett/ und ſogen durch allerhand Fuͤnde und Voͤrthel dem Bauersmann ſeinen ſauren Schweiß ab; hingegen waren theils Bauren ſo gar gottloß/ daß ſie ſich auch darumb bekuͤmmerten/ wenn ſie nicht rechtſchaffen genug mit Boßheit durchtrie- ben waren/ andere Leut/ oder auch wol ihre Herꝛen ſelbſt/ unterm Schein der Einfalt zu beruffen. Jch ſahe einsmals einen Soldaten einem andern eine dichte Maulſchelle geben/ und bildete mir ein/ der Geſchlagene wuͤrde den andern Backen auch dar- bieten: (weil ich noch niemal bey keiner Schlaͤgerey gewe-

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/97>, abgerufen am 28.11.2024.