Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Deß Abentheurl. Simplicissimi
Himmel sage darzu/ was er will; dieser Abgott ward
an statt anderer Opffer täglich mit allerhand Schmin-
cke/ Salben/ Wassern/ Pulvern und sonst Schmir-
sel unter halten und verehrt. Jch sahe Leut/ die wol-
gelegene Häuser vor Götter hielten/ dann sie sagten/
so lang sie darinn gewohnet/ wäre ihnen Glück und
Heyl zugestanden/ und das Gelt gleichsam zum
Fenster hinein gefallen; welcher Thorheit ich mich
höchstens verwundert/ weil ich die Ursach sahe/ wa-
rumb die Jnwohner so guten Zuschlag gehabt: Jch
kante einen Kerl/ der konte in etlich Jahren vor dem
Toback-Handel nicht recht schlaffen/ weil er demsel-
ben sein Hertz/ Sinn und Gedancken/ das allein
GOtt gewidmet seyn solte/ geschenckt hatte/ er schick-
te demselben so Tags als Nachts viel 1000. Seuff-
tzer/ weil er dardurch prosperirte; Aber was gescha-
be? der Phantast starb/ und fuhr dahin/ wie der
Toback-Rauch selbst. Da gedacht ich/ O du elender
Mensch! wäre dir deiner Seelen Seeligkeit und deß
wahren GOttes Ehr/ so hoch angelegen gewesen/
als der Abgott/ der in Gestalt eines Brasilianers mit
einer Roll Toback unterm Arm/ und einer Pfeiffen
im Maul/ auff deinem Gaden stehet/ so lebte ich der
ohnzweifflichen Zuversicht/ du hättest ein herrliches
Ehren-Kräntzlein/ in jener Welt zu tragen/ erwor-
ben. Ein anderer gEsell hatte noch wol liederlichere
Götter/ dann als bey einer Gesellschafft von jedem
erzehlt wurde/ auff was Weis er sich in dem grenli-
lichen Hunger und theuren Zeit ernehret und durch
gebracht/ sagte dieser mit Teutschen Worten: Die
Schnecken und Frösch seyen sein Herr Gott gewesen/
er hätte sonst in Mangel ihrer müssen Hungers ster-

ben:

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
Him̃el ſage darzu/ was er will; dieſer Abgott ward
an ſtatt anderer Opffer taͤglich mit allerhand Schmin-
cke/ Salben/ Waſſern/ Pulvern und ſonſt Schmir-
ſel unter halten und verehrt. Jch ſahe Leut/ die wol-
gelegene Haͤuſer vor Goͤtter hielten/ dann ſie ſagten/
ſo lang ſie darinn gewohnet/ waͤre ihnen Gluͤck und
Heyl zugeſtanden/ und das Gelt gleichſam zum
Fenſter hinein gefallen; welcher Thorheit ich mich
hoͤchſtens verwundert/ weil ich die Urſach ſahe/ wa-
rumb die Jnwohner ſo guten Zuſchlag gehabt: Jch
kante einen Kerl/ der konte in etlich Jahren vor dem
Toback-Handel nicht recht ſchlaffen/ weil er demſel-
ben ſein Hertz/ Sinn und Gedancken/ das allein
GOtt gewidmet ſeyn ſolte/ geſchenckt hatte/ er ſchick-
te demſelben ſo Tags als Nachts viel 1000. Seuff-
tzer/ weil er dardurch proſperirte; Aber was geſcha-
be? der Phantaſt ſtarb/ und fuhr dahin/ wie der
Toback-Rauch ſelbſt. Da gedacht ich/ O du elender
Menſch! waͤre dir deiner Seelen Seeligkeit und deß
wahren GOttes Ehr/ ſo hoch angelegen geweſen/
als der Abgott/ der in Geſtalt eines Braſilianers mit
einer Roll Toback unterm Arm/ und einer Pfeiffen
im Maul/ auff deinem Gaden ſtehet/ ſo lebte ich der
ohnzweifflichen Zuverſicht/ du haͤtteſt ein herꝛliches
Ehren-Kraͤntzlein/ in jener Welt zu tragen/ erwor-
ben. Ein anderer gEſell hatte noch wol liederlichere
Goͤtter/ dann als bey einer Geſellſchafft von jedem
erzehlt wurde/ auff was Weis er ſich in dem grenli-
lichen Hunger und theuren Zeit ernehret und durch
gebracht/ ſagte dieſer mit Teutſchen Worten: Die
Schnecken und Froͤſch ſeyen ſein Herꝛ Gott geweſen/
er haͤtte ſonſt in Mangel ihrer muͤſſen Hungers ſter-

ben:
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0094" n="88"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß Abentheurl. <hi rendition="#aq">Simplici&#x017F;&#x017F;imi</hi></hi></fw><lb/>
Him&#x0303;el &#x017F;age darzu/ was er will; die&#x017F;er Abgott ward<lb/>
an &#x017F;tatt anderer Opffer ta&#x0364;glich mit allerhand Schmin-<lb/>
cke/ Salben/ Wa&#x017F;&#x017F;ern/ Pulvern und &#x017F;on&#x017F;t Schmir-<lb/>
&#x017F;el unter halten und verehrt. Jch &#x017F;ahe Leut/ die wol-<lb/>
gelegene Ha&#x0364;u&#x017F;er vor Go&#x0364;tter hielten/ dann &#x017F;ie &#x017F;agten/<lb/>
&#x017F;o lang &#x017F;ie darinn gewohnet/ wa&#x0364;re ihnen Glu&#x0364;ck und<lb/>
Heyl zuge&#x017F;tanden/ und das Gelt gleich&#x017F;am zum<lb/>
Fen&#x017F;ter hinein gefallen; welcher Thorheit ich mich<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;tens verwundert/ weil ich die Ur&#x017F;ach &#x017F;ahe/ wa-<lb/>
rumb die Jnwohner &#x017F;o guten Zu&#x017F;chlag gehabt: Jch<lb/>
kante einen Kerl/ der konte in etlich Jahren vor dem<lb/>
Toback-Handel nicht recht &#x017F;chlaffen/ weil er dem&#x017F;el-<lb/>
ben &#x017F;ein Hertz/ Sinn und Gedancken/ das allein<lb/>
GOtt gewidmet &#x017F;eyn &#x017F;olte/ ge&#x017F;chenckt hatte/ er &#x017F;chick-<lb/>
te dem&#x017F;elben &#x017F;o Tags als Nachts viel 1000. Seuff-<lb/>
tzer/ weil er dardurch <hi rendition="#aq">pro&#x017F;peri</hi>rte; Aber was ge&#x017F;cha-<lb/>
be? der Phanta&#x017F;t &#x017F;tarb/ und fuhr dahin/ wie der<lb/>
Toback-Rauch &#x017F;elb&#x017F;t. Da gedacht ich/ O du elender<lb/>
Men&#x017F;ch! wa&#x0364;re dir deiner Seelen Seeligkeit und deß<lb/>
wahren GOttes Ehr/ &#x017F;o hoch angelegen gewe&#x017F;en/<lb/>
als der Abgott/ der in Ge&#x017F;talt eines Bra&#x017F;ilianers mit<lb/>
einer Roll Toback unterm Arm/ und einer Pfeiffen<lb/>
im Maul/ auff deinem Gaden &#x017F;tehet/ &#x017F;o lebte ich der<lb/>
ohnzweifflichen Zuver&#x017F;icht/ du ha&#x0364;tte&#x017F;t ein her&#xA75B;liches<lb/>
Ehren-Kra&#x0364;ntzlein/ in jener Welt zu tragen/ erwor-<lb/>
ben. Ein anderer gE&#x017F;ell hatte noch wol liederlichere<lb/>
Go&#x0364;tter/ dann als bey einer Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft von jedem<lb/>
erzehlt wurde/ auff was Weis er &#x017F;ich in dem grenli-<lb/>
lichen Hunger und theuren Zeit ernehret und durch<lb/>
gebracht/ &#x017F;agte die&#x017F;er mit Teut&#x017F;chen Worten: Die<lb/>
Schnecken und Fro&#x0364;&#x017F;ch &#x017F;eyen &#x017F;ein Her&#xA75B; Gott gewe&#x017F;en/<lb/>
er ha&#x0364;tte &#x017F;on&#x017F;t in Mangel ihrer mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Hungers &#x017F;ter-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ben:</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0094] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi Him̃el ſage darzu/ was er will; dieſer Abgott ward an ſtatt anderer Opffer taͤglich mit allerhand Schmin- cke/ Salben/ Waſſern/ Pulvern und ſonſt Schmir- ſel unter halten und verehrt. Jch ſahe Leut/ die wol- gelegene Haͤuſer vor Goͤtter hielten/ dann ſie ſagten/ ſo lang ſie darinn gewohnet/ waͤre ihnen Gluͤck und Heyl zugeſtanden/ und das Gelt gleichſam zum Fenſter hinein gefallen; welcher Thorheit ich mich hoͤchſtens verwundert/ weil ich die Urſach ſahe/ wa- rumb die Jnwohner ſo guten Zuſchlag gehabt: Jch kante einen Kerl/ der konte in etlich Jahren vor dem Toback-Handel nicht recht ſchlaffen/ weil er demſel- ben ſein Hertz/ Sinn und Gedancken/ das allein GOtt gewidmet ſeyn ſolte/ geſchenckt hatte/ er ſchick- te demſelben ſo Tags als Nachts viel 1000. Seuff- tzer/ weil er dardurch proſperirte; Aber was geſcha- be? der Phantaſt ſtarb/ und fuhr dahin/ wie der Toback-Rauch ſelbſt. Da gedacht ich/ O du elender Menſch! waͤre dir deiner Seelen Seeligkeit und deß wahren GOttes Ehr/ ſo hoch angelegen geweſen/ als der Abgott/ der in Geſtalt eines Braſilianers mit einer Roll Toback unterm Arm/ und einer Pfeiffen im Maul/ auff deinem Gaden ſtehet/ ſo lebte ich der ohnzweifflichen Zuverſicht/ du haͤtteſt ein herꝛliches Ehren-Kraͤntzlein/ in jener Welt zu tragen/ erwor- ben. Ein anderer gEſell hatte noch wol liederlichere Goͤtter/ dann als bey einer Geſellſchafft von jedem erzehlt wurde/ auff was Weis er ſich in dem grenli- lichen Hunger und theuren Zeit ernehret und durch gebracht/ ſagte dieſer mit Teutſchen Worten: Die Schnecken und Froͤſch ſeyen ſein Herꝛ Gott geweſen/ er haͤtte ſonſt in Mangel ihrer muͤſſen Hungers ſter- ben:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/94
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/94>, abgerufen am 28.11.2024.