Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch.
auch auff deß Apostels Wort offenbertzig schliessen
dörffen/ daß auch nicht jederman seelig werde.

Nächst der Hoffart und dem Geitz/ sampt deren
erbaren Anhängen/ waren Fressen und Sauffen/
Huren und Buben/ bey den Vermöglichen ein tägli-
che Ubung; was mir aber am aller-erschröcklichsten
vorkam/ war dieser Greuel/ daß etliche/ sonderlich
Soldaten-Bursch/ bey welchen man die Laster nicht
am ernstlichsten zu straffen pflegt/ beydes auß ihrer
Gottlosigkeit und dem beiligen Willen GOttes seld-
sten/ nur einen Schertz machten. Zum Exempel/
ich hörete einsmals einen Ehebrecher/ welcher we-
gen vollbrachter That noch gerühmt seyn wolte/ die-
se gottlose Wort sagen: Es thuts dem gedultigen
Hanrey genug/ daß er meinetwegen ein paar Hörner
trägt/ und wenn ich die Warheit bekennen soll/ so
hab ichs mehr dem Mann zu Leyd/ als der Frauen zu
Lieb gethan/ damit ich mich an ihm rächen möge.
O kahle Rach! antwortet ein ehrbar Gemüt/ so da-
bey stunde/ dardurch man sein eigen Gewissen befle-
cket/ und den schändlichen Nahmen eines Ehebre-
chers überkompt! was Ehebrecher? antwortet er
ihm mit einem bönischen Gelächter/ ich bin darumb
kein Ehebrecher/ wenn ich schon diese Ehe ein wenig
gebogen habe; diß seynd Ehebrecher/ worvon das
sechste Gebot sagt/ allwo es verdeut/ daß keiner einem
andern in Garten steigen/ und die Kirschen ehe bre-
chen solle/ als der Eigenthums-Herr! Und daß sol-
ches also zu versteben seye/ erklärte er gleich darauff/
nach seinem Teuffels-Catechismo/ das siebende Ge-
bot/ welches diese Meynung deutlicher vorbringe/
in dem es sagt: Du solt nicht stelen/ etc. Solcher

Wort

Erſtes Buch.
auch auff deß Apoſtels Wort offenbertzig ſchlieſſen
doͤrffen/ daß auch nicht jederman ſeelig werde.

Naͤchſt der Hoffart und dem Geitz/ ſampt deren
erbaren Anhaͤngen/ waren Freſſen und Sauffen/
Huren und Buben/ bey den Vermoͤglichen ein taͤgli-
che Ubung; was mir aber am aller-erſchroͤcklichſten
vorkam/ war dieſer Greuel/ daß etliche/ ſonderlich
Soldaten-Burſch/ bey welchen man die Laſter nicht
am ernſtlichſten zu ſtraffen pflegt/ beydes auß ihrer
Gottloſigkeit und dem beiligen Willen GOttes ſeld-
ſten/ nur einen Schertz machten. Zum Exempel/
ich hoͤrete einsmals einen Ehebrecher/ welcher we-
gen vollbrachter That noch geruͤhmt ſeyn wolte/ die-
ſe gottloſe Wort ſagen: Es thuts dem gedultigen
Hanrey genug/ daß er meinetwegen ein paar Hoͤrner
traͤgt/ und wenn ich die Warheit bekennen ſoll/ ſo
hab ichs mehr dem Mann zu Leyd/ als der Frauen zu
Lieb gethan/ damit ich mich an ihm raͤchen moͤge.
O kahle Rach! antwortet ein ehrbar Gemuͤt/ ſo da-
bey ſtunde/ dardurch man ſein eigen Gewiſſen befle-
cket/ und den ſchaͤndlichen Nahmen eines Ehebre-
chers uͤberkompt! was Ehebrecher? antwortet er
ihm mit einem boͤniſchen Gelaͤchter/ ich bin darumb
kein Ehebrecher/ wenn ich ſchon dieſe Ehe ein wenig
gebogen habe; diß ſeynd Ehebrecher/ worvon das
ſechſte Gebot ſagt/ allwo es verdeut/ daß keiner einem
andern in Garten ſteigen/ und die Kirſchen ehe bre-
chen ſolle/ als der Eigenthums-Herꝛ! Und daß ſol-
ches alſo zu verſteben ſeye/ erklaͤrte er gleich darauff/
nach ſeinem Teuffels-Catechiſmo/ das ſiebende Ge-
bot/ welches dieſe Meynung deutlicher vorbringe/
in dem es ſagt: Du ſolt nicht ſtelen/ ꝛc. Solcher

Wort
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0091" n="85"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Buch.</hi></fw><lb/>
auch auff deß Apo&#x017F;tels Wort offenbertzig &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en<lb/>
do&#x0364;rffen/ daß auch nicht jederman &#x017F;eelig werde.</p><lb/>
        <p>Na&#x0364;ch&#x017F;t der Hoffart und dem Geitz/ &#x017F;ampt deren<lb/>
erbaren Anha&#x0364;ngen/ waren Fre&#x017F;&#x017F;en und Sauffen/<lb/>
Huren und Buben/ bey den Vermo&#x0364;glichen ein ta&#x0364;gli-<lb/>
che Ubung; was mir aber am aller-er&#x017F;chro&#x0364;cklich&#x017F;ten<lb/>
vorkam/ war die&#x017F;er Greuel/ daß etliche/ &#x017F;onderlich<lb/>
Soldaten-Bur&#x017F;ch/ bey welchen man die La&#x017F;ter nicht<lb/>
am ern&#x017F;tlich&#x017F;ten zu &#x017F;traffen pflegt/ beydes auß ihrer<lb/>
Gottlo&#x017F;igkeit und dem beiligen Willen GOttes &#x017F;eld-<lb/>
&#x017F;ten/ nur einen Schertz machten. Zum Exempel/<lb/>
ich ho&#x0364;rete einsmals einen Ehebrecher/ welcher we-<lb/>
gen vollbrachter That noch geru&#x0364;hmt &#x017F;eyn wolte/ die-<lb/>
&#x017F;e gottlo&#x017F;e Wort &#x017F;agen: Es thuts dem gedultigen<lb/>
Hanrey genug/ daß er meinetwegen ein paar Ho&#x0364;rner<lb/>
tra&#x0364;gt/ und wenn ich die Warheit bekennen &#x017F;oll/ &#x017F;o<lb/>
hab ichs mehr dem Mann zu Leyd/ als der Frauen zu<lb/>
Lieb gethan/ damit ich mich an ihm ra&#x0364;chen mo&#x0364;ge.<lb/>
O kahle Rach! antwortet ein ehrbar Gemu&#x0364;t/ &#x017F;o da-<lb/>
bey &#x017F;tunde/ dardurch man &#x017F;ein eigen Gewi&#x017F;&#x017F;en befle-<lb/>
cket/ und den &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Nahmen eines Ehebre-<lb/>
chers u&#x0364;berkompt! was Ehebrecher? antwortet er<lb/>
ihm mit einem bo&#x0364;ni&#x017F;chen Gela&#x0364;chter/ ich bin darumb<lb/>
kein Ehebrecher/ wenn ich &#x017F;chon die&#x017F;e Ehe ein wenig<lb/>
gebogen habe; diß &#x017F;eynd Ehebrecher/ worvon das<lb/>
&#x017F;ech&#x017F;te Gebot &#x017F;agt/ allwo es verdeut/ daß keiner einem<lb/>
andern in Garten &#x017F;teigen/ und die Kir&#x017F;chen ehe bre-<lb/>
chen &#x017F;olle/ als der Eigenthums-Her&#xA75B;! Und daß &#x017F;ol-<lb/>
ches al&#x017F;o zu ver&#x017F;teben &#x017F;eye/ erkla&#x0364;rte er gleich darauff/<lb/>
nach &#x017F;einem Teuffels-Catechi&#x017F;mo/ das &#x017F;iebende Ge-<lb/>
bot/ welches die&#x017F;e Meynung deutlicher vorbringe/<lb/>
in dem es &#x017F;agt: Du &#x017F;olt nicht &#x017F;telen/ &#xA75B;c. Solcher<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wort</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0091] Erſtes Buch. auch auff deß Apoſtels Wort offenbertzig ſchlieſſen doͤrffen/ daß auch nicht jederman ſeelig werde. Naͤchſt der Hoffart und dem Geitz/ ſampt deren erbaren Anhaͤngen/ waren Freſſen und Sauffen/ Huren und Buben/ bey den Vermoͤglichen ein taͤgli- che Ubung; was mir aber am aller-erſchroͤcklichſten vorkam/ war dieſer Greuel/ daß etliche/ ſonderlich Soldaten-Burſch/ bey welchen man die Laſter nicht am ernſtlichſten zu ſtraffen pflegt/ beydes auß ihrer Gottloſigkeit und dem beiligen Willen GOttes ſeld- ſten/ nur einen Schertz machten. Zum Exempel/ ich hoͤrete einsmals einen Ehebrecher/ welcher we- gen vollbrachter That noch geruͤhmt ſeyn wolte/ die- ſe gottloſe Wort ſagen: Es thuts dem gedultigen Hanrey genug/ daß er meinetwegen ein paar Hoͤrner traͤgt/ und wenn ich die Warheit bekennen ſoll/ ſo hab ichs mehr dem Mann zu Leyd/ als der Frauen zu Lieb gethan/ damit ich mich an ihm raͤchen moͤge. O kahle Rach! antwortet ein ehrbar Gemuͤt/ ſo da- bey ſtunde/ dardurch man ſein eigen Gewiſſen befle- cket/ und den ſchaͤndlichen Nahmen eines Ehebre- chers uͤberkompt! was Ehebrecher? antwortet er ihm mit einem boͤniſchen Gelaͤchter/ ich bin darumb kein Ehebrecher/ wenn ich ſchon dieſe Ehe ein wenig gebogen habe; diß ſeynd Ehebrecher/ worvon das ſechſte Gebot ſagt/ allwo es verdeut/ daß keiner einem andern in Garten ſteigen/ und die Kirſchen ehe bre- chen ſolle/ als der Eigenthums-Herꝛ! Und daß ſol- ches alſo zu verſteben ſeye/ erklaͤrte er gleich darauff/ nach ſeinem Teuffels-Catechiſmo/ das ſiebende Ge- bot/ welches dieſe Meynung deutlicher vorbringe/ in dem es ſagt: Du ſolt nicht ſtelen/ ꝛc. Solcher Wort

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/91
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/91>, abgerufen am 27.11.2024.