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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
überreichten/ lase er ein paar Zeilen darnach/ und
fragte mich/ wer mir das Büchlein geben hätte? ich
antwortet/ es wäre von Anfang mein eigen gewest/
dann ich hätte es selbst gemacht und überschrieben:
Er fragte/ warumb eben auff birckene Rinden? Jch
antwortet/ weil sich die Rinden von andern Bäumen
nicht darzu schicken: Du Flegel/ sagte er/ ich frage/
warumb du nicht auff Papier geschrieben hast? Ey/
antwortet ich/ wir haben keins mehr im Wald ge-
habt: Der Gubernator fragte/ Wo? in welchem
Wald? Jch antwortet wieder auff meinen alten
Schrot/ ich wüste es nicht.

Da wandte sich der Gubernator zu etlichen von
seinen Officiern/ die ihm eben auffwarteten/ und sag-
te: Entweder ist dieser ein Ertz-Schelm/ oder gar
ein Narr! zwar kan er kein Narr seyn/ weil er so
schreibt; und in dem als er so redet/ blättert er in
meinem Büchlein so starck herumb/ ihnen mein schö-
ne Handschrifft zu weisen/ daß deß Einsidlers Brief-
lein herauß fallen muste/ solches liesse er auffheben/
ich aber entfärbte mich darüber/ weil ich solches vor
meinen höchsten Schatz und Heiligthumb hielte;
welches der Gubernator wol in acht nam/ und daher
noch ein grössern Argwohn der Verrätherey schöpff-
te/ vornemlich als er das Briefflein auffgemacht
und gelesen hatte/ dann er sagte: Jch kenne einmal
diese Hand/ und weiß/ daß sie von einem mir wolbe-
kandten Kriegs-Officier geschrieben worden ist/ ich
kan mich aber nicht erinnern/ von welchem? so kam
ihm auch der Jnhalt selbst gar seltzam und ohnver-
ständlich vor/ dann er sagte: Diß ist ohne Zweiffel
eine abgeredte Sprach/ die sonst niemand verstehet/

als

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
uͤberꝛeichten/ laſe er ein paar Zeilen darnach/ und
fragte mich/ wer mir das Buͤchlein geben haͤtte? ich
antwortet/ es waͤre von Anfang mein eigen geweſt/
dann ich haͤtte es ſelbſt gemacht und uͤberſchrieben:
Er fragte/ warumb eben auff birckene Rinden? Jch
antwortet/ weil ſich die Rinden von andern Baͤumen
nicht darzu ſchicken: Du Flegel/ ſagte er/ ich frage/
warumb du nicht auff Papier geſchrieben haſt? Ey/
antwortet ich/ wir haben keins mehr im Wald ge-
habt: Der Gubernator fragte/ Wo? in welchem
Wald? Jch antwortet wieder auff meinen alten
Schrot/ ich wuͤſte es nicht.

Da wandte ſich der Gubernator zu etlichen von
ſeinen Officiern/ die ihm eben auffwarteten/ und ſag-
te: Entweder iſt dieſer ein Ertz-Schelm/ oder gar
ein Narꝛ! zwar kan er kein Narꝛ ſeyn/ weil er ſo
ſchreibt; und in dem als er ſo redet/ blaͤttert er in
meinem Buͤchlein ſo ſtarck herumb/ ihnen mein ſchoͤ-
ne Handſchrifft zu weiſen/ daß deß Einſidlers Brief-
lein herauß fallen muſte/ ſolches lieſſe er auffheben/
ich aber entfaͤrbte mich daruͤber/ weil ich ſolches vor
meinen hoͤchſten Schatz und Heiligthumb hielte;
welches der Gubernator wol in acht nam/ und daher
noch ein groͤſſern Argwohn der Verꝛaͤtherey ſchoͤpff-
te/ vornemlich als er das Briefflein auffgemacht
und geleſen hatte/ dann er ſagte: Jch kenne einmal
dieſe Hand/ und weiß/ daß ſie von einem mir wolbe-
kandten Kriegs-Officier geſchrieben worden iſt/ ich
kan mich aber nicht erinnern/ von welchem? ſo kam
ihm auch der Jnhalt ſelbſt gar ſeltzam und ohnver-
ſtaͤndlich vor/ dann er ſagte: Diß iſt ohne Zweiffel
eine abgeredte Sprach/ die ſonſt niemand verſtehet/

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[70/0076] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi uͤberꝛeichten/ laſe er ein paar Zeilen darnach/ und fragte mich/ wer mir das Buͤchlein geben haͤtte? ich antwortet/ es waͤre von Anfang mein eigen geweſt/ dann ich haͤtte es ſelbſt gemacht und uͤberſchrieben: Er fragte/ warumb eben auff birckene Rinden? Jch antwortet/ weil ſich die Rinden von andern Baͤumen nicht darzu ſchicken: Du Flegel/ ſagte er/ ich frage/ warumb du nicht auff Papier geſchrieben haſt? Ey/ antwortet ich/ wir haben keins mehr im Wald ge- habt: Der Gubernator fragte/ Wo? in welchem Wald? Jch antwortet wieder auff meinen alten Schrot/ ich wuͤſte es nicht. Da wandte ſich der Gubernator zu etlichen von ſeinen Officiern/ die ihm eben auffwarteten/ und ſag- te: Entweder iſt dieſer ein Ertz-Schelm/ oder gar ein Narꝛ! zwar kan er kein Narꝛ ſeyn/ weil er ſo ſchreibt; und in dem als er ſo redet/ blaͤttert er in meinem Buͤchlein ſo ſtarck herumb/ ihnen mein ſchoͤ- ne Handſchrifft zu weiſen/ daß deß Einſidlers Brief- lein herauß fallen muſte/ ſolches lieſſe er auffheben/ ich aber entfaͤrbte mich daruͤber/ weil ich ſolches vor meinen hoͤchſten Schatz und Heiligthumb hielte; welches der Gubernator wol in acht nam/ und daher noch ein groͤſſern Argwohn der Verꝛaͤtherey ſchoͤpff- te/ vornemlich als er das Briefflein auffgemacht und geleſen hatte/ dann er ſagte: Jch kenne einmal dieſe Hand/ und weiß/ daß ſie von einem mir wolbe- kandten Kriegs-Officier geſchrieben worden iſt/ ich kan mich aber nicht erinnern/ von welchem? ſo kam ihm auch der Jnhalt ſelbſt gar ſeltzam und ohnver- ſtaͤndlich vor/ dann er ſagte: Diß iſt ohne Zweiffel eine abgeredte Sprach/ die ſonſt niemand verſtehet/ als

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/76>, abgerufen am 27.11.2024.