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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
köpff sehen hencken/ die wolten einsmals bey Nacht
stelen/ und als sie die Leiter angestellt/ und der eine in
GOttes Nahmen einsteigen wolte/ warff ihn der
wachtsame Haußvatter ins Teuffels Nahmen wie-
der herunter/ davon er ein Bein zerbrach/ und also
gefangen/ und über etlich Tag hernach sampt seinem
Camerad auffgeknüpffet ward. Wann ich nun so
etwas höret/ sahe/ und beredet/ und wie meine Ge-
wonheit war/ mit der H. Schrifft hervor wischte/
oder sonst treuhertzig abmahnete/ so hielten mich die
Leut vor einen Narren/ ja ich wrrde meiner guten
Meynung halber so offt außgelacht/ daß ich endlich
auch unwillig wurde/ und mir vorsetzte/ gar zu
schweigen/ welches ich doch auß Christlicher Liebe
nicht halten konte. Jch wünschte/ daß jederman bey
meinem Einsidel aufferzogen worden wäre der Mey-
nung/ es würde alsdann auch männiglich der Welt
Wesen mit Simplicii Augen ansehen/ wie ichs da-
mals beschauet. Jch war nicht so witzig/ wann lau-
ter Simplici in der Welt wären/ daß man alsdann
auch nicht so viel Laster sehen werde. Jndessen ists
doch gewiß/ daß ein Welt-Mensch/ welcher aller
Untugenden und Thorheiten gewohnt/ und selbsten
mit macht/ im wenigsten nicht empfinden kan/ auff
was vor einer bösen Sprossen er mit seinen Geferten
wandelt.

Das XXVI. Capitel.

ALs ich nun vermeynte/ ich hätte Ursach zu zweif-
feln/ ob ich unter Christen wäre oder nicht? gien-
ge ich zu dem Pfarrer/ und erzehlte alles/ was ich
gehöret und gesehen/ auch was ich vor Gedancken

hatte

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
koͤpff ſehen hencken/ die wolten einsmals bey Nacht
ſtelen/ und als ſie die Leiter angeſtellt/ und der eine in
GOttes Nahmen einſteigen wolte/ warff ihn der
wachtſame Haußvatter ins Teuffels Nahmen wie-
der herunter/ davon er ein Bein zerbrach/ und alſo
gefangen/ und uͤber etlich Tag hernach ſampt ſeinem
Camerad auffgeknuͤpffet ward. Wann ich nun ſo
etwas hoͤret/ ſahe/ und beredet/ und wie meine Ge-
wonheit war/ mit der H. Schrifft hervor wiſchte/
oder ſonſt treuhertzig abmahnete/ ſo hielten mich die
Leut vor einen Narꝛen/ ja ich wrrde meiner guten
Meynung halber ſo offt außgelacht/ daß ich endlich
auch unwillig wurde/ und mir vorſetzte/ gar zu
ſchweigen/ welches ich doch auß Chriſtlicher Liebe
nicht halten konte. Jch wuͤnſchte/ daß jederman bey
meinem Einſidel aufferzogen worden waͤre der Mey-
nung/ es wuͤrde alsdann auch maͤnniglich der Welt
Weſen mit Simplicii Augen anſehen/ wie ichs da-
mals beſchauet. Jch war nicht ſo witzig/ wann lau-
ter Simplici in der Welt waͤren/ daß man alsdann
auch nicht ſo viel Laſter ſehen werde. Jndeſſen iſts
doch gewiß/ daß ein Welt-Menſch/ welcher aller
Untugenden und Thorheiten gewohnt/ und ſelbſten
mit macht/ im wenigſten nicht empfinden kan/ auff
was vor einer boͤſen Sproſſen er mit ſeinen Geferten
wandelt.

Das XXVI. Capitel.

ALs ich nun vermeynte/ ich haͤtte Urſach zu zweif-
feln/ ob ich unter Chriſten waͤre oder nicht? gien-
ge ich zu dem Pfarꝛer/ und erzehlte alles/ was ich
gehoͤret und geſehen/ auch was ich vor Gedancken

hatte
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[94/0100] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi koͤpff ſehen hencken/ die wolten einsmals bey Nacht ſtelen/ und als ſie die Leiter angeſtellt/ und der eine in GOttes Nahmen einſteigen wolte/ warff ihn der wachtſame Haußvatter ins Teuffels Nahmen wie- der herunter/ davon er ein Bein zerbrach/ und alſo gefangen/ und uͤber etlich Tag hernach ſampt ſeinem Camerad auffgeknuͤpffet ward. Wann ich nun ſo etwas hoͤret/ ſahe/ und beredet/ und wie meine Ge- wonheit war/ mit der H. Schrifft hervor wiſchte/ oder ſonſt treuhertzig abmahnete/ ſo hielten mich die Leut vor einen Narꝛen/ ja ich wrrde meiner guten Meynung halber ſo offt außgelacht/ daß ich endlich auch unwillig wurde/ und mir vorſetzte/ gar zu ſchweigen/ welches ich doch auß Chriſtlicher Liebe nicht halten konte. Jch wuͤnſchte/ daß jederman bey meinem Einſidel aufferzogen worden waͤre der Mey- nung/ es wuͤrde alsdann auch maͤnniglich der Welt Weſen mit Simplicii Augen anſehen/ wie ichs da- mals beſchauet. Jch war nicht ſo witzig/ wann lau- ter Simplici in der Welt waͤren/ daß man alsdann auch nicht ſo viel Laſter ſehen werde. Jndeſſen iſts doch gewiß/ daß ein Welt-Menſch/ welcher aller Untugenden und Thorheiten gewohnt/ und ſelbſten mit macht/ im wenigſten nicht empfinden kan/ auff was vor einer boͤſen Sproſſen er mit ſeinen Geferten wandelt. Das XXVI. Capitel. ALs ich nun vermeynte/ ich haͤtte Urſach zu zweif- feln/ ob ich unter Chriſten waͤre oder nicht? gien- ge ich zu dem Pfarꝛer/ und erzehlte alles/ was ich gehoͤret und geſehen/ auch was ich vor Gedancken hatte

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/100>, abgerufen am 28.11.2024.