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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
zu erörtern haben/ gab vidimirte Copey von deß
Kauffmanns Handschrifft ein/ und legte das Origi-
nal
vor/ worauff wir zur Antwort bekamen/ daß wir
uns biß zu gäntzlicher Erörterung der Sach patien-
ti
ren müsten/ weil die Sachen/ davon die Handschrifft
sage/ nicht alle vorhanden wären.

Also versahe ich mich deß Müssiggangs wider auff
ein Zeitlang/ biß ich sehen wolte/ wie es in grossen
Stätten hergehet; mein Kost-Herr war/ wie gehört/
ein Notarius und Procurator, darneben hatte er etwan
ein balb Dutzet Kostgänger/ und hielte stets 8. Pferd
auff der Streu/ welche er den Räisenden umbs Geld
hinzuleyhen pflegte/ darbey hatte er einen Teutschen
und einen Welschen Knecht/ die sich beydes zum fah-
ren und reuten gebrauchen liessen/ und der Pferd war-
teten/ mit welcher drey- oder vierthalbfachen Handie-
rung er nicht allein seine Nahrung reichlich gewann/
sondern auch ohn Zweiffel trefflich vorschlug/ dann
weil keine Juden in selbige Statt kommen dörffen/
konte er mit allerley Sachen desto besser wuchern.

Jch lernete viel in der Zeit die ich bey ihm war/
vornemlich aber alle Kranckheiten kennen/ so die grö-
sie Kunst an einem Doctor Medicinae ist/ dann man
sagt/ wenn man eine Kranckheit recht erkenne/ so sey
dem Patienten schon halb geholffen. Daß ich nun sol-
che Wissenschafft begriffe/ daran war mein Wirth
Ursach/ denn von seiner Person fienge ich an/ auch
auff andere und deren Complexion zu sehen. Da fand
ich manchen todt[k]ranck/ der seine Kranckheit offt selbst
nit wuste/ und auch von andern Menschen/ ja von den
Doctoribus selbst/ vor einen Gesunden gehalten wur-
de. Jch fande Leut/ die waren vor Zorn kranck/ und

wenn

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
zu eroͤrtern haben/ gab vidimirte Copey von deß
Kauffmanns Handſchrifft ein/ und legte das Origi-
nal
vor/ worauff wir zur Antwort bekamen/ daß wir
uns biß zu gaͤntzlicher Eroͤrterung der Sach patien-
ti
ren muͤſten/ weil die Sachen/ davon die Handſchrifft
ſage/ nicht alle vorhanden waͤren.

Alſo verſahe ich mich deß Muͤſſiggangs wider auff
ein Zeitlang/ biß ich ſehen wolte/ wie es in groſſen
Staͤtten hergehet; mein Koſt-Herꝛ war/ wie gehoͤrt/
ein Notarius und Procurator, darneben hatte er etwan
ein balb Dutzet Koſtgaͤnger/ und hielte ſtets 8. Pferd
auff der Streu/ welche er den Raͤiſenden umbs Geld
hinzuleyhen pflegte/ darbey hatte er einen Teutſchen
und einen Welſchen Knecht/ die ſich beydes zum fah-
ren und reuten gebrauchen lieſſen/ und der Pferd war-
teten/ mit welcher drey- oder vierthalbfachen Handie-
rung er nicht allein ſeine Nahrung reichlich gewann/
ſondern auch ohn Zweiffel trefflich vorſchlug/ dann
weil keine Juden in ſelbige Statt kommen doͤrffen/
konte er mit allerley Sachen deſto beſſer wuchern.

Jch lernete viel in der Zeit die ich bey ihm war/
vornemlich aber alle Kranckheiten kennen/ ſo die groͤ-
ſie Kunſt an einem Doctor Medicinæ iſt/ dann man
ſagt/ wenn man eine Kranckheit recht erkenne/ ſo ſey
dem Patienten ſchon halb geholffen. Daß ich nun ſol-
che Wiſſenſchafft begriffe/ daran war mein Wirth
Urſach/ denn von ſeiner Perſon fienge ich an/ auch
auff andere und deren Complexion zu ſehen. Da fand
ich manchen todt[k]ranck/ der ſeine Kranckheit offt ſelbſt
nit wuſte/ und auch von andern Menſchen/ ja von den
Doctoribus ſelbſt/ vor einen Geſunden gehalten wur-
de. Jch fande Leut/ die waren vor Zorn kranck/ und

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[374/0380] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi zu eroͤrtern haben/ gab vidimirte Copey von deß Kauffmanns Handſchrifft ein/ und legte das Origi- nal vor/ worauff wir zur Antwort bekamen/ daß wir uns biß zu gaͤntzlicher Eroͤrterung der Sach patien- tiren muͤſten/ weil die Sachen/ davon die Handſchrifft ſage/ nicht alle vorhanden waͤren. Alſo verſahe ich mich deß Muͤſſiggangs wider auff ein Zeitlang/ biß ich ſehen wolte/ wie es in groſſen Staͤtten hergehet; mein Koſt-Herꝛ war/ wie gehoͤrt/ ein Notarius und Procurator, darneben hatte er etwan ein balb Dutzet Koſtgaͤnger/ und hielte ſtets 8. Pferd auff der Streu/ welche er den Raͤiſenden umbs Geld hinzuleyhen pflegte/ darbey hatte er einen Teutſchen und einen Welſchen Knecht/ die ſich beydes zum fah- ren und reuten gebrauchen lieſſen/ und der Pferd war- teten/ mit welcher drey- oder vierthalbfachen Handie- rung er nicht allein ſeine Nahrung reichlich gewann/ ſondern auch ohn Zweiffel trefflich vorſchlug/ dann weil keine Juden in ſelbige Statt kommen doͤrffen/ konte er mit allerley Sachen deſto beſſer wuchern. Jch lernete viel in der Zeit die ich bey ihm war/ vornemlich aber alle Kranckheiten kennen/ ſo die groͤ- ſie Kunſt an einem Doctor Medicinæ iſt/ dann man ſagt/ wenn man eine Kranckheit recht erkenne/ ſo ſey dem Patienten ſchon halb geholffen. Daß ich nun ſol- che Wiſſenſchafft begriffe/ daran war mein Wirth Urſach/ denn von ſeiner Perſon fienge ich an/ auch auff andere und deren Complexion zu ſehen. Da fand ich manchen todtkranck/ der ſeine Kranckheit offt ſelbſt nit wuſte/ und auch von andern Menſchen/ ja von den Doctoribus ſelbſt/ vor einen Geſunden gehalten wur- de. Jch fande Leut/ die waren vor Zorn kranck/ und wenn

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/380>, abgerufen am 28.11.2024.