Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

sen/ weil mich solches verleckern: und von meiner
Gewohnheit hart zuleben/ abziehen möchte; mit
dem kam noch ein feiner reput[ir]licher alter Herr da-
her/ zu dem sagte der Junge/ schauet umb Gottes-
willen einen andern diog[e]nem Cinnam! ey: ey:
Herr Vetter/ sagt der Alte/ was redet ihr/ hat er
dann schon jemand angebollen oder gebissen/ gebt
ihm darvor ein Allmosen und last ihn seins Wegs
gehen; der Junge antwortet/ Herr Vetter er will
kein Geld/ auch sonst nichts annehmen/ was man
ihm guts thun will, erzehlte dem Alten darauff alles
was ich gered und gethan hatte; ha: sagt der Alt viel
Köpff viel Sinn; gab darauff seinen Dienern Be-
felch/ mich in ein Wirthshauß zuführen/ und dem
Wirth gutzusprechen vor alles was ich dieselbe
Nacht verzehren würde; der Junge aber schriehe
nur nach/ ich solte bey Leib und Leben morgen frühe
wieder zu ihm kommen/ er wolte mir ein gute kalte
Küch mit auff den Weg geben.

Also endtranne ich auß meinem Umbstand/ da
man mich mehr gehetzt/ als ich beschreibe; kam aber
auß dem Fegfeur in die Hell/ dann das Wirthshauß
stack voller trunckner und toller Leute/ die mir mehr
Dampfs anthäten als ich noch nie auff meiner Pil-
gerschafft erfahren; jeder wolte wissen wer ich wäre;
der eine sagte ich wäre ein Spion oder Kundtschaff-
ter/ der ander sagte ich sey ein Widdertauffer/ der
dritte hielte mich vor einen Narren/ der vierdte schätz-
te mich vor ein heiligen Propheten/ die allermeiste
aber glaubten ich wäre der ewig Jud/ davon ich be-
reits oben Meldung gethan; als daß sie mich bey
nahe dahin brachten auffzuweissen daß ich nicht be-
schnitten wär; endlich erbarmbt sich der Wirth über

mich/

ſen/ weil mich ſolches verleckern: und von meiner
Gewohnheit hart zuleben/ abziehen moͤchte; mit
dem kam noch ein feiner reput[ir]licher alter Herꝛ da-
her/ zu dem ſagte der Junge/ ſchauet umb Gottes-
willen einen andern diog[e]nem Cinnam! ey: ey:
Herꝛ Vetter/ ſagt der Alte/ was redet ihr/ hat er
dann ſchon jemand angebollen oder gebiſſen/ gebt
ihm darvor ein Allmoſen und laſt ihn ſeins Wegs
gehen; der Junge antwortet/ Herꝛ Vetter er will
kein Geld/ auch ſonſt nichts annehmen/ was man
ihm guts thun will, erzehlte dem Alten darauff alles
was ich gered und gethan hatte; ha: ſagt der Alt viel
Koͤpff viel Sinn; gab darauff ſeinen Dienern Be-
felch/ mich in ein Wirthshauß zufuͤhren/ und dem
Wirth gutzuſprechen vor alles was ich dieſelbe
Nacht verzehren wuͤrde; der Junge aber ſchriehe
nur nach/ ich ſolte bey Leib und Leben morgen fruͤhe
wieder zu ihm kommen/ er wolte mir ein gute kalte
Kuͤch mit auff den Weg geben.

Alſo endtranne ich auß meinem Umbſtand/ da
man mich mehr gehetzt/ als ich beſchreibe; kam aber
auß dem Fegfeur in die Hell/ dann das Wirthshauß
ſtack voller trunckner und toller Leute/ die mir mehr
Dampfs anthaͤten als ich noch nie auff meiner Pil-
gerſchafft erfahren; jeder wolte wiſſen wer ich waͤre;
der eine ſagte ich waͤre ein Spion oder Kundtſchaff-
ter/ der ander ſagte ich ſey ein Widdertauffer/ der
dritte hielte mich vor einen Narꝛen/ der vierdte ſchaͤtz-
te mich vor ein heiligen Propheten/ die allermeiſte
aber glaubten ich waͤre der ewig Jud/ davon ich be-
reits oben Meldung gethan; als daß ſie mich bey
nahe dahin brachten auffzuweiſſen daß ich nicht be-
ſchnitten waͤr; endlich erbarmbt ſich der Wirth uͤber

mich/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0092"/>
&#x017F;en/ weil mich &#x017F;olches verleckern: und von meiner<lb/>
Gewohnheit hart zuleben/ abziehen mo&#x0364;chte; mit<lb/>
dem kam noch ein feiner <hi rendition="#aq">reput<supplied>ir</supplied></hi>licher alter Her&#xA75B; da-<lb/>
her/ zu dem &#x017F;agte der Junge/ &#x017F;chauet umb Gottes-<lb/>
willen einen andern <hi rendition="#aq">diog<supplied>e</supplied>nem Cinnam!</hi> ey: ey:<lb/>
Her&#xA75B; Vetter/ &#x017F;agt der Alte/ was redet ihr/ hat er<lb/>
dann &#x017F;chon jemand angebollen oder gebi&#x017F;&#x017F;en/ gebt<lb/>
ihm darvor ein Allmo&#x017F;en und la&#x017F;t ihn &#x017F;eins Wegs<lb/>
gehen; der Junge antwortet/ Her&#xA75B; Vetter er will<lb/>
kein Geld/ auch &#x017F;on&#x017F;t nichts annehmen/ was man<lb/>
ihm guts thun will, erzehlte dem Alten darauff alles<lb/>
was ich gered und gethan hatte; ha: &#x017F;agt der Alt viel<lb/>
Ko&#x0364;pff viel Sinn; gab darauff &#x017F;einen Dienern Be-<lb/>
felch/ mich in ein Wirthshauß zufu&#x0364;hren/ und dem<lb/>
Wirth gutzu&#x017F;prechen vor alles was ich die&#x017F;elbe<lb/>
Nacht verzehren wu&#x0364;rde; der Junge aber &#x017F;chriehe<lb/>
nur nach/ ich &#x017F;olte bey Leib und Leben morgen fru&#x0364;he<lb/>
wieder zu ihm kommen/ er wolte mir ein gute kalte<lb/>
Ku&#x0364;ch mit auff den Weg geben.</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o endtranne ich auß meinem Umb&#x017F;tand/ da<lb/>
man mich mehr gehetzt/ als ich be&#x017F;chreibe; kam aber<lb/>
auß dem Fegfeur in die Hell/ dann das Wirthshauß<lb/>
&#x017F;tack voller trunckner und toller Leute/ die mir mehr<lb/>
Dampfs antha&#x0364;ten als ich noch nie auff meiner Pil-<lb/>
ger&#x017F;chafft erfahren; jeder wolte wi&#x017F;&#x017F;en wer ich wa&#x0364;re;<lb/>
der eine &#x017F;agte ich wa&#x0364;re ein Spion oder Kundt&#x017F;chaff-<lb/>
ter/ der ander &#x017F;agte ich &#x017F;ey ein Widdertauffer/ der<lb/>
dritte hielte mich vor einen Nar&#xA75B;en/ der vierdte &#x017F;cha&#x0364;tz-<lb/>
te mich vor ein heiligen Propheten/ die allermei&#x017F;te<lb/>
aber glaubten ich wa&#x0364;re der ewig Jud/ davon ich be-<lb/>
reits oben Meldung gethan; als daß &#x017F;ie mich bey<lb/>
nahe dahin brachten auffzuwei&#x017F;&#x017F;en daß ich nicht be-<lb/>
&#x017F;chnitten wa&#x0364;r; endlich erbarmbt &#x017F;ich der Wirth u&#x0364;ber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mich/</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0092] ſen/ weil mich ſolches verleckern: und von meiner Gewohnheit hart zuleben/ abziehen moͤchte; mit dem kam noch ein feiner reputirlicher alter Herꝛ da- her/ zu dem ſagte der Junge/ ſchauet umb Gottes- willen einen andern diogenem Cinnam! ey: ey: Herꝛ Vetter/ ſagt der Alte/ was redet ihr/ hat er dann ſchon jemand angebollen oder gebiſſen/ gebt ihm darvor ein Allmoſen und laſt ihn ſeins Wegs gehen; der Junge antwortet/ Herꝛ Vetter er will kein Geld/ auch ſonſt nichts annehmen/ was man ihm guts thun will, erzehlte dem Alten darauff alles was ich gered und gethan hatte; ha: ſagt der Alt viel Koͤpff viel Sinn; gab darauff ſeinen Dienern Be- felch/ mich in ein Wirthshauß zufuͤhren/ und dem Wirth gutzuſprechen vor alles was ich dieſelbe Nacht verzehren wuͤrde; der Junge aber ſchriehe nur nach/ ich ſolte bey Leib und Leben morgen fruͤhe wieder zu ihm kommen/ er wolte mir ein gute kalte Kuͤch mit auff den Weg geben. Alſo endtranne ich auß meinem Umbſtand/ da man mich mehr gehetzt/ als ich beſchreibe; kam aber auß dem Fegfeur in die Hell/ dann das Wirthshauß ſtack voller trunckner und toller Leute/ die mir mehr Dampfs anthaͤten als ich noch nie auff meiner Pil- gerſchafft erfahren; jeder wolte wiſſen wer ich waͤre; der eine ſagte ich waͤre ein Spion oder Kundtſchaff- ter/ der ander ſagte ich ſey ein Widdertauffer/ der dritte hielte mich vor einen Narꝛen/ der vierdte ſchaͤtz- te mich vor ein heiligen Propheten/ die allermeiſte aber glaubten ich waͤre der ewig Jud/ davon ich be- reits oben Meldung gethan; als daß ſie mich bey nahe dahin brachten auffzuweiſſen daß ich nicht be- ſchnitten waͤr; endlich erbarmbt ſich der Wirth uͤber mich/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/92
Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/92>, abgerufen am 28.11.2024.