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Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

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ständigkeit seeliglich beschlossen hätte; ach! sagte ich
zu mir selbst/ Simplici was thust du? du ligst halt
hier auff der faulen Berrenhaut und dienest weder
GOtt noch den Menschen! wer allein ist/ wann der-
selbe fält/ wer wird ihm wieder auffhelffen? ists nicht
besser du dienest deinen Neben-Menschen und sie dir
hingegen hinwiederumb/ als daß du hier ohn alle
Leutseeligkeit in der Einsambe sitzest wie ein Nach-
Eul? bist du nicht ein todtes Glied deß Menschlichen
Geschlechts wann du hier verharrest? und zwar wie
wirstu den Winter außdauren können/ wann diß
Gebirg mit Schnee bedeckt: und dir nit mehr wie
jetzt von den Nachbarn dein Unterhalt gebrachtwird?
zwar diese ehren dich jetzunder wie ein Oracul/
wann du aber verneujahren hast/ werden sie dich
nit mehr würdigen über ein Achsel anzuschauen/
sonder an statt dessen das sie dir jetzt hertragen/ dich
vor ihren Thüren mit helff die GOtt abspeysen; vil-
leicht ist dir Baldanderst darumb persöhnlich erschi-
nen/ damit du dich bey zeiten vorsehen: und in
Unbeständigkeit diese Welt schicken sollest/ mit sol-
chen und der gleichen Anfechtungen und Gedancken
wurde ich gequälet/ als biß ich mich entschloß auß
einem Wald ein Wallbruder oder Pilger zuwer-
den;

Demnach erdapte ich ohnversehens mein Scheer/
und stutzte meinen langen Rock der mir allerdings
auff die Füß gienge (und so lang ich ein Einsidel
gewesen/ an statt eines Klayds auch unter und
Oberbetts gedient hatte) die abgeschnittene Stück
aber setzte ich darauff und darunter/ wie es sich
schickte/ doch also/ daß es mir zugleich Säck und

Taschen

ſtaͤndigkeit ſeeliglich beſchloſſen haͤtte; ach! ſagte ich
zu mir ſelbſt/ Simplici was thuſt du? du ligſt halt
hier auff der faulen Berꝛenhaut und dieneſt weder
GOtt noch den Menſchen! wer allein iſt/ wann der-
ſelbe faͤlt/ wer wird ihm wieder auffhelffen? iſts nicht
beſſer du dieneſt deinen Neben-Menſchen und ſie dir
hingegen hinwiederumb/ als daß du hier ohn alle
Leutſeeligkeit in der Einſambe ſitzeſt wie ein Nach-
Eul? biſt du nicht ein todtes Glied deß Menſchlichen
Geſchlechts wann du hier verharꝛeſt? und zwar wie
wirſtu den Winter außdauren koͤnnen/ wann diß
Gebirg mit Schnee bedeckt: und dir nit mehr wie
jetzt von dẽ Nachbarn dein Unterhalt gebrachtwird?
zwar dieſe ehren dich jetzunder wie ein Oracul/
wann du aber verneujahren haſt/ werden ſie dich
nit mehr wuͤrdigen uͤber ein Achſel anzuſchauen/
ſonder an ſtatt deſſen das ſie dir jetzt hertragen/ dich
vor ihren Thuͤren mit helff die GOtt abſpeyſen; vil-
leicht iſt dir Baldanderſt darumb perſoͤhnlich erſchi-
nen/ damit du dich bey zeiten vorſehen: und in
Unbeſtaͤndigkeit dieſe Welt ſchicken ſolleſt/ mit ſol-
chen und der gleichen Anfechtungen und Gedancken
wurde ich gequaͤlet/ als biß ich mich entſchloß auß
einem Wald ein Wallbruder oder Pilger zuwer-
den;

Demnach erdapte ich ohnverſehens mein Scheer/
und ſtutzte meinen langen Rock der mir allerdings
auff die Fuͤß gienge (und ſo lang ich ein Einſidel
geweſen/ an ſtatt eines Klayds auch unter und
Oberbetts gedient hatte) die abgeſchnittene Stuͤck
aber ſetzte ich darauff und darunter/ wie es ſich
ſchickte/ doch alſo/ daß es mir zugleich Saͤck und

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Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/60>, abgerufen am 03.05.2024.