Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

den Leuten dieß Orts zu communicirn vorhabens;
welches dann nichts anders ist/ als ein Exempel zu
weisen/ wie auß einen geringen Füncklein allgemach
ein groß Feur werde/ wann man die Vorsichtigkeit
nicht beobachtet; dann gleich wie selten jemand in
dieser Welt auff einmal den höchsten Gradum der
Heiligkeit erlangt/ also wird auch keiner gehling und
so zusagen in einem Augenblick auß einem Frommen
zu einem Schelmen/ sonder jeder theil steigt allge-
mach/ sacht und sach fein Staffel weiß hinan;
welche Staffeln deß Verberbens dann in diesem mei-
nem Geschichte billich nicht ausser Acht zulassen/ da-
mit sich ein jeder zeitlich darvor zuhütten wisse; zu
welchem end ich dann vornembliche solche beschrei-
be; massen es diesen beyden Jünglingen gangen wie
einem jungen Stück Wild/ welches/ wann es den
Jäger siehet/ anfänglich nicht weiß ob es fliehen oder
stehen soll/ oder doch ehender gefällt wird/ als es den
Schützen erkennet; zwar giengen sie etwas geschwin-
der als gewöhulich/ ins Netz/ aber solches war die Ur-
sach/ daß bey jedem der Zunder bequem war/ die Fun-
cken des einen und andern Lasters also gleich zufan-
gen; dann wie das junge Viehe/ wann es wel auß-
gewintert ist/ und im Früling auß dem vertrüßlichen
Stall auff die lustige Waydt gelassen wird/ anfahet
zu gumpen/ und solte es auch zu seinem Verderben
in einen Spalt: oder Zaunstecken springen/ also
machts auch die unbesonnene Jugend/ wann sie sich
nicht mehr unter der Ruthen vätterlicher Zucht:
Sonder auß der Eltern Augen in der lang er-
wünschten Freyheit befindet: Als deren gemeinig-
lich Erfahrenheit und Vorsichtigkeit manglet.

Das obgemeldte sagte die Hoffart nicht nur vor

die

den Leuten dieß Orts zu communicirn vorhabens;
welches dann nichts anders iſt/ als ein Exempel zu
weiſen/ wie auß einen geringen Fuͤncklein allgemach
ein groß Feur werde/ wann man die Vorſichtigkeit
nicht beobachtet; dann gleich wie ſelten jemand in
dieſer Welt auff einmal den hoͤchſten Gradum der
Heiligkeit erlangt/ alſo wird auch keiner gehling und
ſo zuſagen in einem Augenblick auß einem Frommen
zu einem Schelmen/ ſonder jeder theil ſteigt allge-
mach/ ſacht und ſach fein Staffel weiß hinan;
welche Staffeln deß Verberbens dann in dieſem mei-
nem Geſchichte billich nicht auſſer Acht zulaſſen/ da-
mit ſich ein jeder zeitlich darvor zuhuͤtten wiſſe; zu
welchem end ich dann vornembliche ſolche beſchrei-
be; maſſen es dieſen beyden Juͤnglingen gangen wie
einem jungen Stuͤck Wild/ welches/ wann es den
Jaͤger ſiehet/ anfaͤnglich nicht weiß ob es fliehen oder
ſtehen ſoll/ oder doch ehender gefaͤllt wird/ als es den
Schuͤtzen erkennet; zwar giengen ſie etwas geſchwin-
der als gewoͤhulich/ ins Netz/ aber ſolches war die Ur-
ſach/ daß bey jedem der Zunder bequem war/ die Fun-
cken des einen und andern Laſters alſo gleich zufan-
gen; dann wie das junge Viehe/ wann es wel auß-
gewintert iſt/ und im Fruͤling auß dem vertruͤßlichen
Stall auff die luſtige Waydt gelaſſen wird/ anfahet
zu gumpen/ und ſolte es auch zu ſeinem Verderben
in einen Spalt: oder Zaunſtecken ſpringen/ alſo
machts auch die unbeſonnene Jugend/ wann ſie ſich
nicht mehr unter der Ruthen vaͤtterlicher Zucht:
Sonder auß der Eltern Augen in der lang er-
wuͤnſchten Freyheit befindet: Als deren gemeinig-
lich Erfahrenheit und Vorſichtigkeit manglet.

Das obgemeldte ſagte die Hoffart nicht nur vor

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034"/>
den Leuten dieß Orts zu <hi rendition="#aq">communicirn</hi> vorhabens;<lb/>
welches dann nichts anders i&#x017F;t/ als ein Exempel zu<lb/>
wei&#x017F;en/ wie auß einen geringen Fu&#x0364;ncklein allgemach<lb/>
ein groß Feur werde/ wann man die Vor&#x017F;ichtigkeit<lb/>
nicht beobachtet; dann gleich wie &#x017F;elten jemand in<lb/>
die&#x017F;er Welt auff einmal den ho&#x0364;ch&#x017F;ten <hi rendition="#aq">Gradum</hi> der<lb/>
Heiligkeit erlangt/ al&#x017F;o wird auch keiner gehling und<lb/>
&#x017F;o zu&#x017F;agen in einem Augenblick auß einem Frommen<lb/>
zu einem Schelmen/ &#x017F;onder jeder theil &#x017F;teigt allge-<lb/>
mach/ &#x017F;acht und &#x017F;ach fein Staffel weiß hinan;<lb/>
welche Staffeln deß Verberbens dann in die&#x017F;em mei-<lb/>
nem Ge&#x017F;chichte billich nicht au&#x017F;&#x017F;er Acht zula&#x017F;&#x017F;en/ da-<lb/>
mit &#x017F;ich ein jeder zeitlich darvor zuhu&#x0364;tten wi&#x017F;&#x017F;e; zu<lb/>
welchem end ich dann vornembliche &#x017F;olche be&#x017F;chrei-<lb/>
be; ma&#x017F;&#x017F;en es die&#x017F;en beyden Ju&#x0364;nglingen gangen wie<lb/>
einem jungen Stu&#x0364;ck Wild/ welches/ wann es den<lb/>
Ja&#x0364;ger &#x017F;iehet/ anfa&#x0364;nglich nicht weiß ob es fliehen oder<lb/>
&#x017F;tehen &#x017F;oll/ oder doch ehender gefa&#x0364;llt wird/ als es den<lb/>
Schu&#x0364;tzen erkennet; zwar giengen &#x017F;ie etwas ge&#x017F;chwin-<lb/>
der als gewo&#x0364;hulich/ ins Netz/ aber &#x017F;olches war die Ur-<lb/>
&#x017F;ach/ daß bey jedem der Zunder bequem war/ die Fun-<lb/>
cken des einen und andern La&#x017F;ters al&#x017F;o gleich zufan-<lb/>
gen; dann wie das junge Viehe/ wann es wel auß-<lb/>
gewintert i&#x017F;t/ und im Fru&#x0364;ling auß dem vertru&#x0364;ßlichen<lb/>
Stall auff die lu&#x017F;tige Waydt gela&#x017F;&#x017F;en wird/ anfahet<lb/>
zu gumpen/ und &#x017F;olte es auch zu &#x017F;einem Verderben<lb/>
in einen Spalt: oder Zaun&#x017F;tecken &#x017F;pringen/ al&#x017F;o<lb/>
machts auch die unbe&#x017F;onnene Jugend/ wann &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
nicht mehr unter der Ruthen va&#x0364;tterlicher Zucht:<lb/>
Sonder auß der Eltern Augen in der lang er-<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chten Freyheit befindet: Als deren gemeinig-<lb/>
lich Erfahrenheit und Vor&#x017F;ichtigkeit manglet.</p><lb/>
        <p>Das obgemeldte &#x017F;agte die Hoffart nicht nur vor<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0034] den Leuten dieß Orts zu communicirn vorhabens; welches dann nichts anders iſt/ als ein Exempel zu weiſen/ wie auß einen geringen Fuͤncklein allgemach ein groß Feur werde/ wann man die Vorſichtigkeit nicht beobachtet; dann gleich wie ſelten jemand in dieſer Welt auff einmal den hoͤchſten Gradum der Heiligkeit erlangt/ alſo wird auch keiner gehling und ſo zuſagen in einem Augenblick auß einem Frommen zu einem Schelmen/ ſonder jeder theil ſteigt allge- mach/ ſacht und ſach fein Staffel weiß hinan; welche Staffeln deß Verberbens dann in dieſem mei- nem Geſchichte billich nicht auſſer Acht zulaſſen/ da- mit ſich ein jeder zeitlich darvor zuhuͤtten wiſſe; zu welchem end ich dann vornembliche ſolche beſchrei- be; maſſen es dieſen beyden Juͤnglingen gangen wie einem jungen Stuͤck Wild/ welches/ wann es den Jaͤger ſiehet/ anfaͤnglich nicht weiß ob es fliehen oder ſtehen ſoll/ oder doch ehender gefaͤllt wird/ als es den Schuͤtzen erkennet; zwar giengen ſie etwas geſchwin- der als gewoͤhulich/ ins Netz/ aber ſolches war die Ur- ſach/ daß bey jedem der Zunder bequem war/ die Fun- cken des einen und andern Laſters alſo gleich zufan- gen; dann wie das junge Viehe/ wann es wel auß- gewintert iſt/ und im Fruͤling auß dem vertruͤßlichen Stall auff die luſtige Waydt gelaſſen wird/ anfahet zu gumpen/ und ſolte es auch zu ſeinem Verderben in einen Spalt: oder Zaunſtecken ſpringen/ alſo machts auch die unbeſonnene Jugend/ wann ſie ſich nicht mehr unter der Ruthen vaͤtterlicher Zucht: Sonder auß der Eltern Augen in der lang er- wuͤnſchten Freyheit befindet: Als deren gemeinig- lich Erfahrenheit und Vorſichtigkeit manglet. Das obgemeldte ſagte die Hoffart nicht nur vor die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/34
Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/34>, abgerufen am 21.11.2024.