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Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

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allem ansehen nach sich schon lange Zeit alda befun-
den/ so lauffe jedoch der Orth so voller Geflügel/ die
sich mit den Händen fangen lassen/ daß sie den Na-
chen voll zubekommen und mit Stecken todt zuschla-
gen getraut hetten; von gemeltem Teutschen glaub-
ten sie/ daß er irgends auff einem Schiff ein Ubel-
that begangen/ und dannenhero zur Straff auff di-
se Jnsul gesetzt worden; welches wir dann auch dar-
vor hielten; über das sagten sie vor gewiß/ daß der
Kerl nicht bey sich selbst: sonder ein purer Narr seyn
muste/ als von welchem sie keine eintzige richtige Red
und Antwort haben mögen.

Gleichwie nun durch diese Zeittung das gantze
Schiff-Volck/ insonderheit aber die Krancke hertz-
lich erfreut wurden/ also verlangt auch jederman
auffs Land/ sich widerumb zuerquicken; ich schickte
derowegen einen Nachen voll nach dem andern hin/
nit allein den Krancken ihre Gesundheit wider zuer-
hollen/ sondern auch das Schiff mit frischem Wasser
zuversehen/ welches uns beydes noth war; also daß
wir mehrentheils auff die Jnsul kamen; da fanden
wir mehr ein Jrrdisch Paradeiß als einen öden un-
bekandten Orth! ich vermerckte auch gleich/ daß be-
melter Teutsche kein solcher Thor seyn müste/ viel
weniger ein Vbelthäter/ wie die unserige anfangs
darvor gehalten; dann alle Bäum/ die von Art eine
glatte Rinden trugen/ hatte er mit Biblischen und
anderen schönen Sprüchen gezaichnet/ seinen
Christlichen Geist dardurch auffzumuntern/ und
das Gemüth zu GOTT zuerheben; wo aber keine
gantze Sprüche stunden/ da befanden sich wenigist
die 4. Buchstaben der Uberschrifft Christi am Creutz/
als INRI oder der Nahmen JESU und Mariae/

als

allem anſehen nach ſich ſchon lange Zeit alda befun-
den/ ſo lauffe jedoch der Orth ſo voller Gefluͤgel/ die
ſich mit den Haͤnden fangen laſſen/ daß ſie den Na-
chen voll zubekommen und mit Stecken todt zuſchla-
gen getraut hetten; von gemeltem Teutſchen glaub-
ten ſie/ daß er irgends auff einem Schiff ein Ubel-
that begangen/ und dannenhero zur Straff auff di-
ſe Jnſul geſetzt worden; welches wir dann auch dar-
vor hielten; uͤber das ſagten ſie vor gewiß/ daß der
Kerl nicht bey ſich ſelbſt: ſonder ein purer Narꝛ ſeyn
muſte/ als von welchem ſie keine eintzige richtige Red
und Antwort haben moͤgen.

Gleichwie nun durch dieſe Zeittung das gantze
Schiff-Volck/ inſonderheit aber die Krancke hertz-
lich erfreut wurden/ alſo verlangt auch jederman
auffs Land/ ſich widerumb zuerquicken; ich ſchickte
derowegen einen Nachen voll nach dem andern hin/
nit allein den Krancken ihre Geſundheit wider zuer-
hollen/ ſondern auch das Schiff mit friſchem Waſſer
zuverſehen/ welches uns beydes noth war; alſo daß
wir mehrentheils auff die Jnſul kamen; da fanden
wir mehr ein Jrꝛdiſch Paradeiß als einen oͤden un-
bekandten Orth! ich vermerckte auch gleich/ daß be-
melter Teutſche kein ſolcher Thor ſeyn muͤſte/ viel
weniger ein Vbelthaͤter/ wie die unſerige anfangs
darvor gehalten; dann alle Baͤum/ die von Art eine
glatte Rinden trugen/ hatte er mit Bibliſchen und
anderen ſchoͤnen Spruͤchen gezaichnet/ ſeinen
Chriſtlichen Geiſt dardurch auffzumuntern/ und
das Gemuͤth zu GOTT zuerheben; wo aber keine
gantze Spruͤche ſtunden/ da befanden ſich wenigiſt
die 4. Buchſtaben der Uberſchrifft Chriſti am Creutz/
als INRI oder der Nahmen JESU und Mariæ/

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[0146] allem anſehen nach ſich ſchon lange Zeit alda befun- den/ ſo lauffe jedoch der Orth ſo voller Gefluͤgel/ die ſich mit den Haͤnden fangen laſſen/ daß ſie den Na- chen voll zubekommen und mit Stecken todt zuſchla- gen getraut hetten; von gemeltem Teutſchen glaub- ten ſie/ daß er irgends auff einem Schiff ein Ubel- that begangen/ und dannenhero zur Straff auff di- ſe Jnſul geſetzt worden; welches wir dann auch dar- vor hielten; uͤber das ſagten ſie vor gewiß/ daß der Kerl nicht bey ſich ſelbſt: ſonder ein purer Narꝛ ſeyn muſte/ als von welchem ſie keine eintzige richtige Red und Antwort haben moͤgen. Gleichwie nun durch dieſe Zeittung das gantze Schiff-Volck/ inſonderheit aber die Krancke hertz- lich erfreut wurden/ alſo verlangt auch jederman auffs Land/ ſich widerumb zuerquicken; ich ſchickte derowegen einen Nachen voll nach dem andern hin/ nit allein den Krancken ihre Geſundheit wider zuer- hollen/ ſondern auch das Schiff mit friſchem Waſſer zuverſehen/ welches uns beydes noth war; alſo daß wir mehrentheils auff die Jnſul kamen; da fanden wir mehr ein Jrꝛdiſch Paradeiß als einen oͤden un- bekandten Orth! ich vermerckte auch gleich/ daß be- melter Teutſche kein ſolcher Thor ſeyn muͤſte/ viel weniger ein Vbelthaͤter/ wie die unſerige anfangs darvor gehalten; dann alle Baͤum/ die von Art eine glatte Rinden trugen/ hatte er mit Bibliſchen und anderen ſchoͤnen Spruͤchen gezaichnet/ ſeinen Chriſtlichen Geiſt dardurch auffzumuntern/ und das Gemuͤth zu GOTT zuerheben; wo aber keine gantze Spruͤche ſtunden/ da befanden ſich wenigiſt die 4. Buchſtaben der Uberſchrifft Chriſti am Creutz/ als INRI oder der Nahmen JESU und Mariæ/ als

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Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/146>, abgerufen am 17.05.2024.