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Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843.

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mehrere Rodensteinische Grabsteine, von welchen die älteren liegen und ausgetreten sind, so dass die Schrift grösstentheils unleserlich geworden; mehrere neuere stehen aufrecht an der Kirchenwand. Diese sind alle aus dem sechszehnten Jahrhunderte, und von ihnen zeichnen sich besonders drei durch die sprechenden Gesichter und die sorgfältige Ausführung der Arbeit aus.

Am auffallendsten ist das Bild eines alten Ritters. Ein abgezehrtes Gesicht mit grosser Adlernase und scharf markirten Zügen guckt es aus dem zu weit gewordenen Helme hervor, der seinen Schatten darüber wirft, so dass das ganze Bild dadurch ein wahrhaft geisterhaftes Ansehen erhält. Man fühlt sich darum unwillkührlich versucht, diesen für die Hülle des spuckenden Landgeistes zu halten, obgleich weder Zeit noch Ort mit der Sage übereinstimmt. Es ist bis an die Brust mit dem hölzernen Getäfel des Kirchstuhles gedeckt. Doch haben wir uns Gelegenheit verschafft die Umschrift des Steinbildes zu lesen. Sie heisst: Ano Dmi MCCCCCXXVI - zu Rom starb der edel Junker Hans Heinrich v. Rodenstein des sele Got gnädig und barmherzig sey. Dieser Grabstein scheint von einem guten Künstler gearbeitet zu sein, und wenn der Stoff, woraus er gehauen, nicht Sandstein wäre, so könnte man glauben, er sei in Rom, dem Orte, wo Hans Heinrich von Rodenstein starb, auch gefertigt. Jedenfalls ist das Gesicht nach einer Maske des Verstorbenen bearbeitet.

Die Burg scheint noch am Ende des sechszehnten Jahrhunderts in gutem Stande gewesen zu sein. Ein Ofen aus derselben, der jetzt in der nahen Pachterwohnung steht, trägt in einem, für jene Zeit sehr schönen Eisengusse, das Wappen Philipps von Rodenstein und seiner Gemahlin Margarethe von Habern mit der Jahreszahl 1573. An dem von Gemmingischen Hause zu Fränkisch-Crumbach sieht man einen Stein mit demselben Wappen und der Jahreszahl 1574.

An dem Wege nach Fränkisch-Crumbach kommt man an einer Stelle vorbei, wo ein Brunnen unter den Wurzeln einer alten Eiche hervorquillt. Zu dieser Quelle sollen die Herren von Rodenstein, einer Sage nach, ihre Kinder zur Taufe gebracht haben.

Im Jahre 1671 starb mit Georg Friederich von Rodenstein der Mannsstamm dieser Familie aus. Man erzählt, er habe einer in der Gegend herrschenden Krankheit entfliehen wollen, sei aber

mehrere Rodensteinische Grabsteine, von welchen die älteren liegen und ausgetreten sind, so dass die Schrift grösstentheils unleserlich geworden; mehrere neuere stehen aufrecht an der Kirchenwand. Diese sind alle aus dem sechszehnten Jahrhunderte, und von ihnen zeichnen sich besonders drei durch die sprechenden Gesichter und die sorgfältige Ausführung der Arbeit aus.

Am auffallendsten ist das Bild eines alten Ritters. Ein abgezehrtes Gesicht mit grosser Adlernase und scharf markirten Zügen guckt es aus dem zu weit gewordenen Helme hervor, der seinen Schatten darüber wirft, so dass das ganze Bild dadurch ein wahrhaft geisterhaftes Ansehen erhält. Man fühlt sich darum unwillkührlich versucht, diesen für die Hülle des spuckenden Landgeistes zu halten, obgleich weder Zeit noch Ort mit der Sage übereinstimmt. Es ist bis an die Brust mit dem hölzernen Getäfel des Kirchstuhles gedeckt. Doch haben wir uns Gelegenheit verschafft die Umschrift des Steinbildes zu lesen. Sie heisst: Ano Dmi MCCCCCXXVI – zu Rom starb der edel Junker Hans Heinrich v. Rodenstein des sele Got gnädig und barmherzig sey. Dieser Grabstein scheint von einem guten Künstler gearbeitet zu sein, und wenn der Stoff, woraus er gehauen, nicht Sandstein wäre, so könnte man glauben, er sei in Rom, dem Orte, wo Hans Heinrich von Rodenstein starb, auch gefertigt. Jedenfalls ist das Gesicht nach einer Maske des Verstorbenen bearbeitet.

Die Burg scheint noch am Ende des sechszehnten Jahrhunderts in gutem Stande gewesen zu sein. Ein Ofen aus derselben, der jetzt in der nahen Pachterwohnung steht, trägt in einem, für jene Zeit sehr schönen Eisengusse, das Wappen Philipps von Rodenstein und seiner Gemahlin Margarethe von Habern mit der Jahreszahl 1573. An dem von Gemmingischen Hause zu Fränkisch-Crumbach sieht man einen Stein mit demselben Wappen und der Jahreszahl 1574.

An dem Wege nach Fränkisch-Crumbach kommt man an einer Stelle vorbei, wo ein Brunnen unter den Wurzeln einer alten Eiche hervorquillt. Zu dieser Quelle sollen die Herren von Rodenstein, einer Sage nach, ihre Kinder zur Taufe gebracht haben.

Im Jahre 1671 starb mit Georg Friederich von Rodenstein der Mannsstamm dieser Familie aus. Man erzählt, er habe einer in der Gegend herrschenden Krankheit entfliehen wollen, sei aber

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[30/0030] mehrere Rodensteinische Grabsteine, von welchen die älteren liegen und ausgetreten sind, so dass die Schrift grösstentheils unleserlich geworden; mehrere neuere stehen aufrecht an der Kirchenwand. Diese sind alle aus dem sechszehnten Jahrhunderte, und von ihnen zeichnen sich besonders drei durch die sprechenden Gesichter und die sorgfältige Ausführung der Arbeit aus. Am auffallendsten ist das Bild eines alten Ritters. Ein abgezehrtes Gesicht mit grosser Adlernase und scharf markirten Zügen guckt es aus dem zu weit gewordenen Helme hervor, der seinen Schatten darüber wirft, so dass das ganze Bild dadurch ein wahrhaft geisterhaftes Ansehen erhält. Man fühlt sich darum unwillkührlich versucht, diesen für die Hülle des spuckenden Landgeistes zu halten, obgleich weder Zeit noch Ort mit der Sage übereinstimmt. Es ist bis an die Brust mit dem hölzernen Getäfel des Kirchstuhles gedeckt. Doch haben wir uns Gelegenheit verschafft die Umschrift des Steinbildes zu lesen. Sie heisst: Ano Dmi MCCCCCXXVI – zu Rom starb der edel Junker Hans Heinrich v. Rodenstein des sele Got gnädig und barmherzig sey. Dieser Grabstein scheint von einem guten Künstler gearbeitet zu sein, und wenn der Stoff, woraus er gehauen, nicht Sandstein wäre, so könnte man glauben, er sei in Rom, dem Orte, wo Hans Heinrich von Rodenstein starb, auch gefertigt. Jedenfalls ist das Gesicht nach einer Maske des Verstorbenen bearbeitet. Die Burg scheint noch am Ende des sechszehnten Jahrhunderts in gutem Stande gewesen zu sein. Ein Ofen aus derselben, der jetzt in der nahen Pachterwohnung steht, trägt in einem, für jene Zeit sehr schönen Eisengusse, das Wappen Philipps von Rodenstein und seiner Gemahlin Margarethe von Habern mit der Jahreszahl 1573. An dem von Gemmingischen Hause zu Fränkisch-Crumbach sieht man einen Stein mit demselben Wappen und der Jahreszahl 1574. An dem Wege nach Fränkisch-Crumbach kommt man an einer Stelle vorbei, wo ein Brunnen unter den Wurzeln einer alten Eiche hervorquillt. Zu dieser Quelle sollen die Herren von Rodenstein, einer Sage nach, ihre Kinder zur Taufe gebracht haben. Im Jahre 1671 starb mit Georg Friederich von Rodenstein der Mannsstamm dieser Familie aus. Man erzählt, er habe einer in der Gegend herrschenden Krankheit entfliehen wollen, sei aber

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Zitationshilfe: Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_odenwald_1843/30>, abgerufen am 25.04.2024.