Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.überhaupt leugnen. Entweder aber ist dieses wahr oder nicht. Dieser Krieg, sicher der merkwürdigste, war nicht der ein- 64) Siegfried schlägt dem Günther vor, jeder soll Land und Leute
in das Spiel des Streits setzen. (Nib. 465.) Brunhildens Freier hauptverlustig, sobald er gegen die Braut verliert. (v. 1324.) u. s. w. Egil Skalagrim hingegen bekommt sein verwirk- tes Leben geschenkt, um eines schönen Liedes willen, das daher den Namen Höfdlausn (Haupteslösung) führt. S. Egils saga. cap. 63. 64. Der Dichter sieht diesen Preis noch für gering an, (ebendas. p. 657.) uͤberhaupt leugnen. Entweder aber iſt dieſes wahr oder nicht. Dieſer Krieg, ſicher der merkwuͤrdigſte, war nicht der ein- 64) Siegfried ſchlaͤgt dem Guͤnther vor, jeder ſoll Land und Leute
in das Spiel des Streits ſetzen. (Nib. 465.) Brunhildens Freier hauptverluſtig, ſobald er gegen die Braut verliert. (v. 1324.) u. ſ. w. Egil Skalagrim hingegen bekommt ſein verwirk- tes Leben geſchenkt, um eines ſchoͤnen Liedes willen, das daher den Namen Hoͤfdlauſn (Hauptesloͤſung) fuͤhrt. S. Egils ſaga. cap. 63. 64. Der Dichter ſieht dieſen Preis noch fuͤr gering an, (ebendaſ. p. 657.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0089" n="79"/> uͤberhaupt leugnen. Entweder aber iſt dieſes wahr oder nicht.<lb/> Fuͤr den erſten Fall ſpricht vieles in der innern Sache, die<lb/> Wahrſcheinlichkeit, daß die Erzaͤhlung der Chroniken nicht aus<lb/> dem Gedicht ſelbſt, ſondern anderswoher, aufgefaßt; und (um<lb/> nur das bekanntaͤlteſte zu nennen) das Zeugniß des nicht viel<lb/> ſpaͤteren Dieterich von Thuͤringen, warum ſollen alſo die Ori-<lb/> ginale einer ſo merkwuͤrdigen Begebenheit nicht aufbewahrt<lb/> worden und warum ſollen die Umſtaͤnde erdichtet ſeyn? Zur<lb/> Annahme des zweiten Falls haben wir wenig bedeutende innere<lb/> Gruͤnde und aͤußere gar keine. Die Meiſter hatten wohl ſolch<lb/> eine wuͤrdige Vorſtellung von ihrer Kunſt, daß ſie alles daran<lb/> ſetzten, ſelbſt ihr Leben; es iſt etwas Herrliches in jeder edlen<lb/> Leidenſchaft, wenn ſie ſich aufs Hoͤchſte bringt, und etwas<lb/> durchaus Freies, daß die alten Germanen vom Spiel entzuͤn-<lb/> det ihre Freiheit zuletzt lieber verſpielen, als im Wagen da-<lb/> hinten bleiben wollten. Solcher Zuͤge hat die deutſche Ge-<lb/> ſchichte mehr <note place="foot" n="64)">Siegfried ſchlaͤgt dem Guͤnther vor, jeder ſoll Land und Leute<lb/> in das Spiel des Streits ſetzen. (<hi rendition="#g">Nib</hi>. 465.) Brunhildens<lb/> Freier hauptverluſtig, ſobald er gegen die Braut verliert. (<hi rendition="#aq">v.</hi><lb/> 1324.) u. ſ. w. Egil Skalagrim hingegen bekommt ſein verwirk-<lb/> tes Leben geſchenkt, um eines ſchoͤnen Liedes willen, das daher<lb/> den Namen Hoͤfdlauſn (Hauptesloͤſung) fuͤhrt. S. Egils ſaga.<lb/><hi rendition="#aq">cap.</hi> 63. 64. Der Dichter ſieht dieſen Preis noch fuͤr gering<lb/> an, (ebendaſ. <hi rendition="#aq">p.</hi> 657.)</note>. Wer aber dem Wartburger Krieg nur eine<lb/> ſymboliſche Wahrheit zugeſtehen will, von dem verlange ich<lb/> bloß etwas viel leichteres, naͤmlich daß er mir die griechiſchen<lb/> Sagen von Apollo, Silen, Midas, Chiron und Orpheus ꝛc.,<lb/> (die unvergleichbar mythiſcher liegen,) auf ſeine Art, jedoch<lb/> einigermaßen vernuͤnftig erklaͤre.</p><lb/> <p>Dieſer Krieg, ſicher der merkwuͤrdigſte, war nicht der ein-<lb/> zige in der Geſchichte unſeres Meiſterſangs, von andern mag<lb/> keine Nachricht auf uns gelangt, ihr Gegenſtand jedoch ſehr<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0089]
uͤberhaupt leugnen. Entweder aber iſt dieſes wahr oder nicht.
Fuͤr den erſten Fall ſpricht vieles in der innern Sache, die
Wahrſcheinlichkeit, daß die Erzaͤhlung der Chroniken nicht aus
dem Gedicht ſelbſt, ſondern anderswoher, aufgefaßt; und (um
nur das bekanntaͤlteſte zu nennen) das Zeugniß des nicht viel
ſpaͤteren Dieterich von Thuͤringen, warum ſollen alſo die Ori-
ginale einer ſo merkwuͤrdigen Begebenheit nicht aufbewahrt
worden und warum ſollen die Umſtaͤnde erdichtet ſeyn? Zur
Annahme des zweiten Falls haben wir wenig bedeutende innere
Gruͤnde und aͤußere gar keine. Die Meiſter hatten wohl ſolch
eine wuͤrdige Vorſtellung von ihrer Kunſt, daß ſie alles daran
ſetzten, ſelbſt ihr Leben; es iſt etwas Herrliches in jeder edlen
Leidenſchaft, wenn ſie ſich aufs Hoͤchſte bringt, und etwas
durchaus Freies, daß die alten Germanen vom Spiel entzuͤn-
det ihre Freiheit zuletzt lieber verſpielen, als im Wagen da-
hinten bleiben wollten. Solcher Zuͤge hat die deutſche Ge-
ſchichte mehr 64). Wer aber dem Wartburger Krieg nur eine
ſymboliſche Wahrheit zugeſtehen will, von dem verlange ich
bloß etwas viel leichteres, naͤmlich daß er mir die griechiſchen
Sagen von Apollo, Silen, Midas, Chiron und Orpheus ꝛc.,
(die unvergleichbar mythiſcher liegen,) auf ſeine Art, jedoch
einigermaßen vernuͤnftig erklaͤre.
Dieſer Krieg, ſicher der merkwuͤrdigſte, war nicht der ein-
zige in der Geſchichte unſeres Meiſterſangs, von andern mag
keine Nachricht auf uns gelangt, ihr Gegenſtand jedoch ſehr
64) Siegfried ſchlaͤgt dem Guͤnther vor, jeder ſoll Land und Leute
in das Spiel des Streits ſetzen. (Nib. 465.) Brunhildens
Freier hauptverluſtig, ſobald er gegen die Braut verliert. (v.
1324.) u. ſ. w. Egil Skalagrim hingegen bekommt ſein verwirk-
tes Leben geſchenkt, um eines ſchoͤnen Liedes willen, das daher
den Namen Hoͤfdlauſn (Hauptesloͤſung) fuͤhrt. S. Egils ſaga.
cap. 63. 64. Der Dichter ſieht dieſen Preis noch fuͤr gering
an, (ebendaſ. p. 657.)
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