Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.warum soll man aber die deutsche Poesie aus einem fremden Es ist hingegen ausgemacht, daß den deutschen Meistern Jongleurs als Richter und Meister der Kunst anerkannt. Einen weiteren Beweis können die, uns bekannteren, Lieder der mit den provenzalischen genau zusammen hängenden spanischen Trou- badours liefern, deren preguntas und respuestas fast nur lite- rarisch etwas bedeuten. Dabei kommen auch Redensarten wie: apuntar los metros vor. (Schubert bibl. castell. 2. 287.) 165) Die alte Tradition ist daher eben so wahrhaft als würdig:
es trieb der heilig Geist also (Aus Ben. v. Watt's Samml. von Meisterliedern.) warum ſoll man aber die deutſche Poeſie aus einem fremden Es iſt hingegen ausgemacht, daß den deutſchen Meiſtern Jongleurs als Richter und Meiſter der Kunſt anerkannt. Einen weiteren Beweis koͤnnen die, uns bekannteren, Lieder der mit den provenzaliſchen genau zuſammen haͤngenden ſpaniſchen Trou- badours liefern, deren preguntas und respuestas faſt nur lite- rariſch etwas bedeuten. Dabei kommen auch Redensarten wie: apuntar los metros vor. (Schubert bibl. castell. 2. 287.) 165) Die alte Tradition iſt daher eben ſo wahrhaft als wuͤrdig:
es trieb der heilig Geiſt alſo (Aus Ben. v. Watt’s Samml. von Meiſterliedern.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0161" n="151"/> warum ſoll man aber die deutſche Poeſie aus einem fremden<lb/> Samen aufgehen laſſen, da ſie ſo kraftvoll iſt, daß ſie von<lb/> Anfang bis zu Ende nur ein eigenthuͤmliches Ganze gebildet<lb/> haben kann? <note place="foot" n="165)">Die alte Tradition iſt daher eben ſo wahrhaft als wuͤrdig:<lb/><cit rendition="#et"><quote><hi rendition="#et">es trieb der heilig Geiſt alſo<lb/> zwoͤlf Maͤnner froh<lb/> die fingen an zu dichten.</hi></quote><lb/><bibl>(Aus Ben. v. <hi rendition="#g">Watt’s</hi> Samml. von Meiſterliedern.)</bibl></cit></note></p><lb/> <p>Es iſt hingegen ausgemacht, daß den deutſchen Meiſtern<lb/> manche erzaͤhlende große Gedichte der Provenzalen zukamen und<lb/> uͤberſetzt wurden und unſere Dichtkunſt in ſofern weit mehr<lb/> mit der provenzaliſchen als nordfranzoͤſiſchen zuſammen ſtehet.<lb/> Selbſt <hi rendition="#g">einzelne</hi> Liebeslieder moͤgen gekannt worden ſeyn,<lb/> Bodmer hat eine ganz unleugbare Nachahmung oder Ueber-<lb/> ſetzung wirklich nachgewieſen, die ſich unter den Liedern eines<lb/> ſchweizeriſchen Dichters, des Rudolf von Neuenburg findet.<lb/> Das iſt nun eine im Ganzen gleichguͤltige Ausnahme; mit<lb/> dem Verkehr der Laͤnder konnte ſich auch die Poeſie beruͤhren,<lb/> ohne daß dadurch der Eigenthuͤmlichkeit der einen oder der an-<lb/> deren abgebrochen waͤre, geſchweige, daß ſie ſich aus aͤhnlichen<lb/> Zufaͤllen geſtaltet haͤtte. Sehr intereſſant, der Form wegen,<lb/> muͤßte hier eine Vergleichung des Originals von Folquet von<lb/> Marſeille ſeyn. Damals konnte ſich der Saͤnger aus fremden<lb/> Gedanken, und ſelbſt Worten dennoch ein ganz eigenthuͤmliches<lb/> Lied erſchaffen. Denke man an die Menge der lieblichſten<lb/> Waͤchterlieder in der Maneß. S., wo die einfachſten faſt im-<lb/> mer gegebenen Ideen faſt immer anders und gar herrlich ge-<lb/><note xml:id="seg2pn_15_2" prev="#seg2pn_15_1" place="foot" n="164)">Jongleurs als Richter und Meiſter der Kunſt anerkannt. Einen<lb/> weiteren Beweis koͤnnen die, uns bekannteren, Lieder der mit<lb/> den provenzaliſchen genau zuſammen haͤngenden ſpaniſchen Trou-<lb/> badours liefern, deren <hi rendition="#aq">preguntas</hi> und <hi rendition="#aq">respuestas</hi> faſt nur lite-<lb/> rariſch etwas bedeuten. Dabei kommen auch Redensarten wie:<lb/><hi rendition="#aq">apuntar los metros</hi> vor. (<hi rendition="#g">Schubert</hi> <hi rendition="#aq">bibl. castell.</hi> 2. 287.)</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [151/0161]
warum ſoll man aber die deutſche Poeſie aus einem fremden
Samen aufgehen laſſen, da ſie ſo kraftvoll iſt, daß ſie von
Anfang bis zu Ende nur ein eigenthuͤmliches Ganze gebildet
haben kann? 165)
Es iſt hingegen ausgemacht, daß den deutſchen Meiſtern
manche erzaͤhlende große Gedichte der Provenzalen zukamen und
uͤberſetzt wurden und unſere Dichtkunſt in ſofern weit mehr
mit der provenzaliſchen als nordfranzoͤſiſchen zuſammen ſtehet.
Selbſt einzelne Liebeslieder moͤgen gekannt worden ſeyn,
Bodmer hat eine ganz unleugbare Nachahmung oder Ueber-
ſetzung wirklich nachgewieſen, die ſich unter den Liedern eines
ſchweizeriſchen Dichters, des Rudolf von Neuenburg findet.
Das iſt nun eine im Ganzen gleichguͤltige Ausnahme; mit
dem Verkehr der Laͤnder konnte ſich auch die Poeſie beruͤhren,
ohne daß dadurch der Eigenthuͤmlichkeit der einen oder der an-
deren abgebrochen waͤre, geſchweige, daß ſie ſich aus aͤhnlichen
Zufaͤllen geſtaltet haͤtte. Sehr intereſſant, der Form wegen,
muͤßte hier eine Vergleichung des Originals von Folquet von
Marſeille ſeyn. Damals konnte ſich der Saͤnger aus fremden
Gedanken, und ſelbſt Worten dennoch ein ganz eigenthuͤmliches
Lied erſchaffen. Denke man an die Menge der lieblichſten
Waͤchterlieder in der Maneß. S., wo die einfachſten faſt im-
mer gegebenen Ideen faſt immer anders und gar herrlich ge-
164)
165) Die alte Tradition iſt daher eben ſo wahrhaft als wuͤrdig:
es trieb der heilig Geiſt alſo
zwoͤlf Maͤnner froh
die fingen an zu dichten.
(Aus Ben. v. Watt’s Samml. von Meiſterliedern.)
164) Jongleurs als Richter und Meiſter der Kunſt anerkannt. Einen
weiteren Beweis koͤnnen die, uns bekannteren, Lieder der mit
den provenzaliſchen genau zuſammen haͤngenden ſpaniſchen Trou-
badours liefern, deren preguntas und respuestas faſt nur lite-
rariſch etwas bedeuten. Dabei kommen auch Redensarten wie:
apuntar los metros vor. (Schubert bibl. castell. 2. 287.)
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