Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.Wenn sich also mehrere unserer alten Dichter des 13ten Ganz etwas anders bleibt es hingegen, daß uns die frühe 88) Denn es ist wahrscheinlich, daß früherhin auch Volkssängern
der Name Meister beigelegt worden, und bedeutend, daß in so fern von einem Meister der Abentheuer, des Buchs oder der Rede (s. die Klage) gesprochen wird. Wenn wir manche Sitte des Meistergesangs aus der Volkspoesie erklären, so dürfen wir auch den Namen eben dahin zurückführen. Die Nibelungen sind gewiß im allgemeinsten und eigensten Sinn der wahre Meister- gesang unserer Poesie, man könnte indessen daran denken, daß auch das Lied vom alten Hildebrand so benannt worden. Nicht zu vergessen, daß Aventin (fol. 21verso) das Singbarliche, dem Gedächtniß behilfliche, dem alten Meistergesang zuschreibt, Später mag etwa der Name, als er für unsere Kunst termino- logisch ward, andern Sängern entzogen worden seyn. Die Wenn ſich alſo mehrere unſerer alten Dichter des 13ten Ganz etwas anders bleibt es hingegen, daß uns die fruͤhe 88) Denn es iſt wahrſcheinlich, daß fruͤherhin auch Volksſaͤngern
der Name Meiſter beigelegt worden, und bedeutend, daß in ſo fern von einem Meiſter der Abentheuer, des Buchs oder der Rede (ſ. die Klage) geſprochen wird. Wenn wir manche Sitte des Meiſtergeſangs aus der Volkspoeſie erklaͤren, ſo duͤrfen wir auch den Namen eben dahin zuruͤckfuͤhren. Die Nibelungen ſind gewiß im allgemeinſten und eigenſten Sinn der wahre Meiſter- geſang unſerer Poeſie, man koͤnnte indeſſen daran denken, daß auch das Lied vom alten Hildebrand ſo benannt worden. Nicht zu vergeſſen, daß Aventin (fol. 21verso) das Singbarliche, dem Gedaͤchtniß behilfliche, dem alten Meiſtergeſang zuſchreibt, Spaͤter mag etwa der Name, als er fuͤr unſere Kunſt termino- logiſch ward, andern Saͤngern entzogen worden ſeyn. Die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0110" n="100"/> <p>Wenn ſich alſo mehrere unſerer alten Dichter des 13ten<lb/> Jahrhunderts Meiſter nennen, oder ſo benannt werden, ſo be-<lb/> weiſt das weder gerade, daß die andern nicht ſo benannten, ande-<lb/> rer Art geweſen ſeyn muͤßten, ſondern etwa bloß, daß ſie nicht<lb/> ſo beruͤhmt waren, noch weiſt es auf buͤrgerlichen Stand hin.<lb/> Gerade die aͤlteſten Meiſter ſind haͤufig aus dem armen Adel<lb/> hervorgegangen, und ſelbſt bei Provenzalen und Franzoſen fin-<lb/> den wir gleichſinnig das Wort <hi rendition="#aq">maitre</hi> ꝛc. gebraucht. Auf die<lb/> dichtenden, reichen Fuͤrſten paßte der Ehrenname gar nicht,<lb/> wie ſchon einmal erinnert. Ferner habe ich bereits verworfen,<lb/> daß die Entſtehung des Meiſterſangs mit einem Grad in den<lb/> freien Kuͤnſten in Verbindung zu bringen ſey, vermuthlich ſind<lb/> unſere erſten Meiſter aͤlter, als letztere Einrichtung ſelbſt. Am-<lb/> broſtus Metzger im 17ten Jahrhundert war wirklich ein <hi rendition="#aq">magi-<lb/> ster artinm,</hi> aber er wurde — erſt ſpaͤter ein Meiſterſinger.</p><lb/> <p>Ganz etwas anders bleibt es hingegen, daß uns die fruͤhe<lb/> Exiſtenz des Namens fuͤr die Sache beweiſen muß, gleichwie<lb/> in dem, was noch nicht feſtſtehend, bereits die Verwandtſchaft<lb/> mit dem ausgebildeten wahrzunehmen. Faͤnde ſich etwa fruͤher<lb/> ein anderer Name, ſo wuͤrde daraus eine gegentheilige Ver-<lb/> muthung entſtehen. Das zufaͤllig auf die Singkunſt <note xml:id="seg2pn_8_1" next="#seg2pn_8_2" place="foot" n="88)">Denn es iſt wahrſcheinlich, daß fruͤherhin auch Volksſaͤngern<lb/> der Name Meiſter beigelegt worden, und bedeutend, daß in ſo<lb/> fern von einem Meiſter der Abentheuer, des Buchs oder der<lb/> Rede (ſ. die Klage) geſprochen wird. Wenn wir manche Sitte<lb/> des Meiſtergeſangs aus der Volkspoeſie erklaͤren, ſo duͤrfen wir<lb/> auch den Namen eben dahin zuruͤckfuͤhren. Die Nibelungen ſind<lb/> gewiß im allgemeinſten und eigenſten Sinn der wahre Meiſter-<lb/> geſang unſerer Poeſie, man koͤnnte indeſſen daran denken, daß<lb/> auch das Lied vom alten Hildebrand ſo benannt worden. Nicht<lb/> zu vergeſſen, daß Aventin (<hi rendition="#aq">fol. 21verso</hi>) das Singbarliche,<lb/> dem Gedaͤchtniß behilfliche, dem alten Meiſtergeſang zuſchreibt,<lb/> Spaͤter mag etwa der Name, als er fuͤr unſere Kunſt termino-<lb/> logiſch ward, andern Saͤngern entzogen worden ſeyn. Die</note>, wie<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0110]
Wenn ſich alſo mehrere unſerer alten Dichter des 13ten
Jahrhunderts Meiſter nennen, oder ſo benannt werden, ſo be-
weiſt das weder gerade, daß die andern nicht ſo benannten, ande-
rer Art geweſen ſeyn muͤßten, ſondern etwa bloß, daß ſie nicht
ſo beruͤhmt waren, noch weiſt es auf buͤrgerlichen Stand hin.
Gerade die aͤlteſten Meiſter ſind haͤufig aus dem armen Adel
hervorgegangen, und ſelbſt bei Provenzalen und Franzoſen fin-
den wir gleichſinnig das Wort maitre ꝛc. gebraucht. Auf die
dichtenden, reichen Fuͤrſten paßte der Ehrenname gar nicht,
wie ſchon einmal erinnert. Ferner habe ich bereits verworfen,
daß die Entſtehung des Meiſterſangs mit einem Grad in den
freien Kuͤnſten in Verbindung zu bringen ſey, vermuthlich ſind
unſere erſten Meiſter aͤlter, als letztere Einrichtung ſelbſt. Am-
broſtus Metzger im 17ten Jahrhundert war wirklich ein magi-
ster artinm, aber er wurde — erſt ſpaͤter ein Meiſterſinger.
Ganz etwas anders bleibt es hingegen, daß uns die fruͤhe
Exiſtenz des Namens fuͤr die Sache beweiſen muß, gleichwie
in dem, was noch nicht feſtſtehend, bereits die Verwandtſchaft
mit dem ausgebildeten wahrzunehmen. Faͤnde ſich etwa fruͤher
ein anderer Name, ſo wuͤrde daraus eine gegentheilige Ver-
muthung entſtehen. Das zufaͤllig auf die Singkunſt 88), wie
88) Denn es iſt wahrſcheinlich, daß fruͤherhin auch Volksſaͤngern
der Name Meiſter beigelegt worden, und bedeutend, daß in ſo
fern von einem Meiſter der Abentheuer, des Buchs oder der
Rede (ſ. die Klage) geſprochen wird. Wenn wir manche Sitte
des Meiſtergeſangs aus der Volkspoeſie erklaͤren, ſo duͤrfen wir
auch den Namen eben dahin zuruͤckfuͤhren. Die Nibelungen ſind
gewiß im allgemeinſten und eigenſten Sinn der wahre Meiſter-
geſang unſerer Poeſie, man koͤnnte indeſſen daran denken, daß
auch das Lied vom alten Hildebrand ſo benannt worden. Nicht
zu vergeſſen, daß Aventin (fol. 21verso) das Singbarliche,
dem Gedaͤchtniß behilfliche, dem alten Meiſtergeſang zuſchreibt,
Spaͤter mag etwa der Name, als er fuͤr unſere Kunſt termino-
logiſch ward, andern Saͤngern entzogen worden ſeyn. Die
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