Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.hungrig bin.' Sprach die weise Frau 'Zweiäuglein, trockne dir dein Angesicht, ich will dir etwas sagen, daß du nicht mehr hungern sollst. Sprich nur zu deiner Ziege 'Zicklein, meck, Tischlein, deck,' so wird ein sauber gedecktes Tischlein vor dir stehen und das schönste Essen darauf, daß du essen kannst so viel du Lust hast. Und wenn du satt bist und das Tischlein nicht mehr brauchst, so sprich nur 'Zicklein, meck, Tischlein, weg,' so wirds vor deinen Augen wieder verschwinden.' Darauf gieng die weise Frau fort. Zweiäuglein aber dachte 'ich muß gleich einmal versuchen ob es wahr ist, was sie gesagt hat, denn mich hungert gar zu sehr' und sprach 'Zicklein, meck, Tischlein, deck,' und kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, so stand da ein Tischlein mit einem weißen Tüchlein gedeckt, darauf ein Teller mit Messer und Gabel und silbernem Löffel, die schönsten Speisen standen rund herum, rauchten und waren noch warm, als wären sie eben aus der Küche gekommen. Da sagte Zweiäuglein das kürzeste Gebet her, das es wußte, 'Herr Gott, sei unser Gast zu aller Zeit, Amen,' langte zu und ließ sichs wohl schmecken. Und als es satt war, sprach es, wie die weise Frau gelehrt hatte, 'Zicklein, meck, Tischlein, weg.' Alsbald war das Tischchen und alles, was darauf stand wieder verschwunden. 'Das ist ein schöner Haushalt' dachte Zweiäuglein und war ganz vergnügt und guter Dinge. Abends, als es mit seiner Ziege heim kam, fand es ein irdenes hungrig bin.’ Sprach die weise Frau ‘Zweiäuglein, trockne dir dein Angesicht, ich will dir etwas sagen, daß du nicht mehr hungern sollst. Sprich nur zu deiner Ziege ‘Zicklein, meck, Tischlein, deck,’ so wird ein sauber gedecktes Tischlein vor dir stehen und das schönste Essen darauf, daß du essen kannst so viel du Lust hast. Und wenn du satt bist und das Tischlein nicht mehr brauchst, so sprich nur ‘Zicklein, meck, Tischlein, weg,’ so wirds vor deinen Augen wieder verschwinden.’ Darauf gieng die weise Frau fort. Zweiäuglein aber dachte ‘ich muß gleich einmal versuchen ob es wahr ist, was sie gesagt hat, denn mich hungert gar zu sehr’ und sprach ‘Zicklein, meck, Tischlein, deck,’ und kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, so stand da ein Tischlein mit einem weißen Tüchlein gedeckt, darauf ein Teller mit Messer und Gabel und silbernem Löffel, die schönsten Speisen standen rund herum, rauchten und waren noch warm, als wären sie eben aus der Küche gekommen. Da sagte Zweiäuglein das kürzeste Gebet her, das es wußte, ‘Herr Gott, sei unser Gast zu aller Zeit, Amen,’ langte zu und ließ sichs wohl schmecken. Und als es satt war, sprach es, wie die weise Frau gelehrt hatte, ‘Zicklein, meck, Tischlein, weg.’ Alsbald war das Tischchen und alles, was darauf stand wieder verschwunden. ‘Das ist ein schöner Haushalt’ dachte Zweiäuglein und war ganz vergnügt und guter Dinge. Abends, als es mit seiner Ziege heim kam, fand es ein irdenes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0224" n="212"/> hungrig bin.’ Sprach die weise Frau ‘Zweiäuglein, trockne dir dein Angesicht, ich will dir etwas sagen, daß du nicht mehr hungern sollst. Sprich nur zu deiner Ziege</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘Zicklein, meck,</l><lb/> <l>Tischlein, deck,’</l><lb/> </lg> <p>so wird ein sauber gedecktes Tischlein vor dir stehen und das schönste Essen darauf, daß du essen kannst so viel du Lust hast. Und wenn du satt bist und das Tischlein nicht mehr brauchst, so sprich nur</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘Zicklein, meck,</l><lb/> <l>Tischlein, weg,’</l><lb/> </lg> <p>so wirds vor deinen Augen wieder verschwinden.’ Darauf gieng die weise Frau fort. Zweiäuglein aber dachte ‘ich muß gleich einmal versuchen ob es wahr ist, was sie gesagt hat, denn mich hungert gar zu sehr’ und sprach</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘Zicklein, meck,</l><lb/> <l>Tischlein, deck,’</l><lb/> </lg> <p>und kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, so stand da ein Tischlein mit einem weißen Tüchlein gedeckt, darauf ein Teller mit Messer und Gabel und silbernem Löffel, die schönsten Speisen standen rund herum, rauchten und waren noch warm, als wären sie eben aus der Küche gekommen. Da sagte Zweiäuglein das kürzeste Gebet her, das es wußte, ‘Herr Gott, sei unser Gast zu aller Zeit, Amen,’ langte zu und ließ sichs wohl schmecken. Und als es satt war, sprach es, wie die weise Frau gelehrt hatte,</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘Zicklein, meck,</l><lb/> <l>Tischlein, weg.’</l><lb/> </lg> <p>Alsbald war das Tischchen und alles, was darauf stand wieder verschwunden. ‘Das ist ein schöner Haushalt’ dachte Zweiäuglein und war ganz vergnügt und guter Dinge.</p><lb/> <p>Abends, als es mit seiner Ziege heim kam, fand es ein irdenes </p> </div> </body> </text> </TEI> [212/0224]
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‘Zicklein, meck,
Tischlein, deck,’
so wird ein sauber gedecktes Tischlein vor dir stehen und das schönste Essen darauf, daß du essen kannst so viel du Lust hast. Und wenn du satt bist und das Tischlein nicht mehr brauchst, so sprich nur
‘Zicklein, meck,
Tischlein, weg,’
so wirds vor deinen Augen wieder verschwinden.’ Darauf gieng die weise Frau fort. Zweiäuglein aber dachte ‘ich muß gleich einmal versuchen ob es wahr ist, was sie gesagt hat, denn mich hungert gar zu sehr’ und sprach
‘Zicklein, meck,
Tischlein, deck,’
und kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, so stand da ein Tischlein mit einem weißen Tüchlein gedeckt, darauf ein Teller mit Messer und Gabel und silbernem Löffel, die schönsten Speisen standen rund herum, rauchten und waren noch warm, als wären sie eben aus der Küche gekommen. Da sagte Zweiäuglein das kürzeste Gebet her, das es wußte, ‘Herr Gott, sei unser Gast zu aller Zeit, Amen,’ langte zu und ließ sichs wohl schmecken. Und als es satt war, sprach es, wie die weise Frau gelehrt hatte,
‘Zicklein, meck,
Tischlein, weg.’
Alsbald war das Tischchen und alles, was darauf stand wieder verschwunden. ‘Das ist ein schöner Haushalt’ dachte Zweiäuglein und war ganz vergnügt und guter Dinge.
Abends, als es mit seiner Ziege heim kam, fand es ein irdenes
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/224>, abgerufen am 16.02.2025. |