Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.großen Wald und wußte nicht wo der Ausgang war. Auf einmal erblickte er in der Ferne zwei Riesen, die winkten ihm mit der Hand, und als er zu ihnen kam, sprachen sie 'wir streiten um einen Hut, wem er zugehören soll und da wir beide gleich stark sind, so kann keiner den andern überwältigen, die kleinen Menschen sind klüger als wir, daher wollen wir dir die Entscheidung überlassen.' 'Wie könnt ihr euch um einen alten Hut streiten?' sagte der Jüngling. 'Du weißt nicht was er für Eigenschaften hat, es ist ein Wünschhut, wer den aufsetzt, der kann sich hinwünschen, wohin er will und im Augenblick ist er dort.' 'Gebt mir den Hut', sagte der Jüngling, 'ich will ein Stück Wegs gehen und wenn ich euch dann rufe, so lauft um die Wette, und wer am ersten bei mir ist, dem soll er gehören.' Er setzte den Hut auf und gieng fort, dachte aber an die Königstochter und vergaß die Riesen und gieng immer weiter. Einmal seufzte er aus Herzensgrund und rief, 'ach, wäre ich doch auf dem Schloß der goldenen Sonne!' und kaum waren die Worte über seine Lippen, so stand er auf einem hohen Berg vor dem Thor des Schlosses. Er trat hinein und gieng durch alle Zimmer, bis er in dem letzten die Königstochter fand. Aber wie erschrack er, als er sie anblickte: sie hatte ein aschgraues Gesicht voll Runzeln, trübe Augen und rothe Haare. 'Seid Jhr die Königstochter, deren Schönheit alle Welt rühmt?' rief er aus. 'Ach,' erwiederte sie, 'das ist meine Gestalt nicht, die Augen der Menschen können mich nur in dieser Häßlichkeit erblicken, aber damit du weißt wie ich in Wahrheit aussehe, so schau in den Spiegel, der läßt sich nicht irre großen Wald und wußte nicht wo der Ausgang war. Auf einmal erblickte er in der Ferne zwei Riesen, die winkten ihm mit der Hand, und als er zu ihnen kam, sprachen sie ‘wir streiten um einen Hut, wem er zugehören soll und da wir beide gleich stark sind, so kann keiner den andern überwältigen, die kleinen Menschen sind klüger als wir, daher wollen wir dir die Entscheidung überlassen.’ ‘Wie könnt ihr euch um einen alten Hut streiten?’ sagte der Jüngling. ‘Du weißt nicht was er für Eigenschaften hat, es ist ein Wünschhut, wer den aufsetzt, der kann sich hinwünschen, wohin er will und im Augenblick ist er dort.’ ‘Gebt mir den Hut’, sagte der Jüngling, ‘ich will ein Stück Wegs gehen und wenn ich euch dann rufe, so lauft um die Wette, und wer am ersten bei mir ist, dem soll er gehören.’ Er setzte den Hut auf und gieng fort, dachte aber an die Königstochter und vergaß die Riesen und gieng immer weiter. Einmal seufzte er aus Herzensgrund und rief, ‘ach, wäre ich doch auf dem Schloß der goldenen Sonne!’ und kaum waren die Worte über seine Lippen, so stand er auf einem hohen Berg vor dem Thor des Schlosses. Er trat hinein und gieng durch alle Zimmer, bis er in dem letzten die Königstochter fand. Aber wie erschrack er, als er sie anblickte: sie hatte ein aschgraues Gesicht voll Runzeln, trübe Augen und rothe Haare. ‘Seid Jhr die Königstochter, deren Schönheit alle Welt rühmt?’ rief er aus. ‘Ach,’ erwiederte sie, ‘das ist meine Gestalt nicht, die Augen der Menschen können mich nur in dieser Häßlichkeit erblicken, aber damit du weißt wie ich in Wahrheit aussehe, so schau in den Spiegel, der läßt sich nicht irre <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0536" n="524"/> großen Wald und wußte nicht wo der Ausgang war. Auf einmal erblickte er in der Ferne zwei Riesen, die winkten ihm mit der Hand, und als er zu ihnen kam, sprachen sie ‘wir streiten um einen Hut, wem er zugehören soll und da wir beide gleich stark sind, so kann keiner den andern überwältigen, die kleinen Menschen sind klüger als wir, daher wollen wir dir die Entscheidung überlassen.’ ‘Wie könnt ihr euch um einen alten Hut streiten?’ sagte der Jüngling. ‘Du weißt nicht was er für Eigenschaften hat, es ist ein Wünschhut, wer den aufsetzt, der kann sich hinwünschen, wohin er will und im Augenblick ist er dort.’ ‘Gebt mir den Hut’, sagte der Jüngling, ‘ich will ein Stück Wegs gehen und wenn ich euch dann rufe, so lauft um die Wette, und wer am ersten bei mir ist, dem soll er gehören.’ Er setzte den Hut auf und gieng fort, dachte aber an die Königstochter und vergaß die Riesen und gieng immer weiter. Einmal seufzte er aus Herzensgrund und rief, ‘ach, wäre ich doch auf dem Schloß der goldenen Sonne!’ und kaum waren die Worte über seine Lippen, so stand er auf einem hohen Berg vor dem Thor des Schlosses.</p><lb/> <p>Er trat hinein und gieng durch alle Zimmer, bis er in dem letzten die Königstochter fand. Aber wie erschrack er, als er sie anblickte: sie hatte ein aschgraues Gesicht voll Runzeln, trübe Augen und rothe Haare. ‘Seid Jhr die Königstochter, deren Schönheit alle Welt rühmt?’ rief er aus. ‘Ach,’ erwiederte sie, ‘das ist meine Gestalt nicht, die Augen der Menschen können mich nur in dieser Häßlichkeit erblicken, aber damit du weißt wie ich in Wahrheit aussehe, so schau in den Spiegel, der läßt sich nicht irre </p> </div> </body> </text> </TEI> [524/0536]
großen Wald und wußte nicht wo der Ausgang war. Auf einmal erblickte er in der Ferne zwei Riesen, die winkten ihm mit der Hand, und als er zu ihnen kam, sprachen sie ‘wir streiten um einen Hut, wem er zugehören soll und da wir beide gleich stark sind, so kann keiner den andern überwältigen, die kleinen Menschen sind klüger als wir, daher wollen wir dir die Entscheidung überlassen.’ ‘Wie könnt ihr euch um einen alten Hut streiten?’ sagte der Jüngling. ‘Du weißt nicht was er für Eigenschaften hat, es ist ein Wünschhut, wer den aufsetzt, der kann sich hinwünschen, wohin er will und im Augenblick ist er dort.’ ‘Gebt mir den Hut’, sagte der Jüngling, ‘ich will ein Stück Wegs gehen und wenn ich euch dann rufe, so lauft um die Wette, und wer am ersten bei mir ist, dem soll er gehören.’ Er setzte den Hut auf und gieng fort, dachte aber an die Königstochter und vergaß die Riesen und gieng immer weiter. Einmal seufzte er aus Herzensgrund und rief, ‘ach, wäre ich doch auf dem Schloß der goldenen Sonne!’ und kaum waren die Worte über seine Lippen, so stand er auf einem hohen Berg vor dem Thor des Schlosses.
Er trat hinein und gieng durch alle Zimmer, bis er in dem letzten die Königstochter fand. Aber wie erschrack er, als er sie anblickte: sie hatte ein aschgraues Gesicht voll Runzeln, trübe Augen und rothe Haare. ‘Seid Jhr die Königstochter, deren Schönheit alle Welt rühmt?’ rief er aus. ‘Ach,’ erwiederte sie, ‘das ist meine Gestalt nicht, die Augen der Menschen können mich nur in dieser Häßlichkeit erblicken, aber damit du weißt wie ich in Wahrheit aussehe, so schau in den Spiegel, der läßt sich nicht irre
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