Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht allein, geht doch mit mir.' Weil sich der Zorn gelegt hatte, so ließ der Vater sich endlich bereden, und gieng mit ihm heim. Da sprach er zum Sohn 'geh und verkauf die verschändete Axt, und sieh zu was du dafür kriegst; das übrige muß ich verdienen, um sie dem Nachbar zu bezahlen.' Der Sohn nahm die Axt, und trug sie in die Stadt zu einem Goldschmied, der probierte sie, legte sie auf die Wage, und sprach 'sie ist vierhundert Thaler werth, so viel habe ich nicht baar.' Der Schüler sprach 'gebt mir was ihr habt, das übrige will ich euch borgen.' Der Goldschmied gab ihm dreihundert Thaler, und blieb einhundert schuldig. Darauf gieng der Schüler heim, und sprach 'Vater, ich habe Geld, geht und fragt, was der Nachbar für die Axt haben will.' 'Das weiß ich schon,' antwortete der Alte, 'einen Thaler, sechs Groschen.' 'So gebt ihm zwei Thaler zwölf Groschen, das ist das Doppelte, und ist genug; seht ihr, ich habe Geld im Überfluß;' und gab dem Vater einhundert Thaler und sprach 'es soll euch niemals fehlen, lebt nach eurer Bequemlichkeit.' 'Mein Gott,' sprach der Alte, 'wie bist du zu dem Reichthum gekommen?' Da erzählte er ihm wie alles zugegangen wäre, und wie er im Vertrauen auf sein Glück einen so reichen Fang gethan hätte. Mit dem übrigen Geld aber zog er wieder hin auf die hohe Schule, und lernte weiter, und weil er mit seinem Pflaster alle Wunden heilen konnte, ward er der berühmteste Doctor auf der ganzen Welt.



nicht allein, geht doch mit mir.’ Weil sich der Zorn gelegt hatte, so ließ der Vater sich endlich bereden, und gieng mit ihm heim. Da sprach er zum Sohn ‘geh und verkauf die verschändete Axt, und sieh zu was du dafür kriegst; das übrige muß ich verdienen, um sie dem Nachbar zu bezahlen.’ Der Sohn nahm die Axt, und trug sie in die Stadt zu einem Goldschmied, der probierte sie, legte sie auf die Wage, und sprach ‘sie ist vierhundert Thaler werth, so viel habe ich nicht baar.’ Der Schüler sprach ‘gebt mir was ihr habt, das übrige will ich euch borgen.’ Der Goldschmied gab ihm dreihundert Thaler, und blieb einhundert schuldig. Darauf gieng der Schüler heim, und sprach ‘Vater, ich habe Geld, geht und fragt, was der Nachbar für die Axt haben will.’ ‘Das weiß ich schon,’ antwortete der Alte, ‘einen Thaler, sechs Groschen.’ ‘So gebt ihm zwei Thaler zwölf Groschen, das ist das Doppelte, und ist genug; seht ihr, ich habe Geld im Überfluß;’ und gab dem Vater einhundert Thaler und sprach ‘es soll euch niemals fehlen, lebt nach eurer Bequemlichkeit.’ ‘Mein Gott,’ sprach der Alte, ‘wie bist du zu dem Reichthum gekommen?’ Da erzählte er ihm wie alles zugegangen wäre, und wie er im Vertrauen auf sein Glück einen so reichen Fang gethan hätte. Mit dem übrigen Geld aber zog er wieder hin auf die hohe Schule, und lernte weiter, und weil er mit seinem Pflaster alle Wunden heilen konnte, ward er der berühmteste Doctor auf der ganzen Welt.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0097" n="87"/>
nicht allein, geht doch mit mir.&#x2019; Weil sich der Zorn gelegt hatte, so ließ der Vater sich endlich bereden, und gieng mit ihm heim. Da sprach er zum Sohn &#x2018;geh und verkauf die verschändete Axt, und sieh zu was du dafür kriegst; das übrige muß ich verdienen, um sie dem Nachbar zu bezahlen.&#x2019; Der Sohn nahm die Axt, und trug sie in die Stadt zu einem Goldschmied, der probierte sie, legte sie auf die Wage, und sprach &#x2018;sie ist vierhundert Thaler werth, so viel habe ich nicht baar.&#x2019; Der Schüler sprach &#x2018;gebt mir was ihr habt, das übrige will ich euch borgen.&#x2019; Der Goldschmied gab ihm dreihundert Thaler, und blieb einhundert schuldig. Darauf gieng der Schüler heim, und sprach &#x2018;Vater, ich habe Geld, geht und fragt, was der Nachbar für die Axt haben will.&#x2019; &#x2018;Das weiß ich schon,&#x2019; antwortete der Alte, &#x2018;einen Thaler, sechs Groschen.&#x2019; &#x2018;So gebt ihm zwei Thaler zwölf Groschen, das ist das Doppelte, und ist genug; seht ihr, ich habe Geld im Überfluß;&#x2019; und gab dem Vater einhundert Thaler und sprach &#x2018;es soll euch niemals fehlen, lebt nach eurer Bequemlichkeit.&#x2019; &#x2018;Mein Gott,&#x2019; sprach der Alte, &#x2018;wie bist du zu dem Reichthum gekommen?&#x2019; Da erzählte er ihm wie alles zugegangen wäre, und wie er im Vertrauen auf sein Glück einen so reichen Fang gethan hätte. Mit dem übrigen Geld aber zog er wieder hin auf die hohe Schule, und lernte weiter, und weil er mit seinem Pflaster alle Wunden heilen konnte, ward er der berühmteste Doctor auf der ganzen Welt.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0097] nicht allein, geht doch mit mir.’ Weil sich der Zorn gelegt hatte, so ließ der Vater sich endlich bereden, und gieng mit ihm heim. Da sprach er zum Sohn ‘geh und verkauf die verschändete Axt, und sieh zu was du dafür kriegst; das übrige muß ich verdienen, um sie dem Nachbar zu bezahlen.’ Der Sohn nahm die Axt, und trug sie in die Stadt zu einem Goldschmied, der probierte sie, legte sie auf die Wage, und sprach ‘sie ist vierhundert Thaler werth, so viel habe ich nicht baar.’ Der Schüler sprach ‘gebt mir was ihr habt, das übrige will ich euch borgen.’ Der Goldschmied gab ihm dreihundert Thaler, und blieb einhundert schuldig. Darauf gieng der Schüler heim, und sprach ‘Vater, ich habe Geld, geht und fragt, was der Nachbar für die Axt haben will.’ ‘Das weiß ich schon,’ antwortete der Alte, ‘einen Thaler, sechs Groschen.’ ‘So gebt ihm zwei Thaler zwölf Groschen, das ist das Doppelte, und ist genug; seht ihr, ich habe Geld im Überfluß;’ und gab dem Vater einhundert Thaler und sprach ‘es soll euch niemals fehlen, lebt nach eurer Bequemlichkeit.’ ‘Mein Gott,’ sprach der Alte, ‘wie bist du zu dem Reichthum gekommen?’ Da erzählte er ihm wie alles zugegangen wäre, und wie er im Vertrauen auf sein Glück einen so reichen Fang gethan hätte. Mit dem übrigen Geld aber zog er wieder hin auf die hohe Schule, und lernte weiter, und weil er mit seinem Pflaster alle Wunden heilen konnte, ward er der berühmteste Doctor auf der ganzen Welt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/97
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/97>, abgerufen am 19.12.2024.