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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

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ein. Nun ward die dicke Trine Heinzens Frau, und trieb die beiden Ziegen aus, und Heinz hatte gute Tage, so daß er sich von keiner andern Arbeit zu erholen brauchte, als von seiner eigenen Faulheit. Nur dann und wann gieng er mit hinaus, und sagte 'es geschieht bloß damit mir die Ruhe hernach desto besser schmeckt; man verliert sonst alles Gefühl dafür.'

Aber die dicke Trine war auch faul. 'Lieber Heinz,' sprach sie eines Tages, 'warum sollen wir uns das Leben ohne Noth sauer machen, und unsere beste Jugendzeit verkümmern? Jst es nicht besser, wir geben die beiden Ziegen, die jeden Morgen einen mit ihrem Meckern im besten Schlafe stören, unserm Nachbar, und der giebt uns einen Bienenstock dafür? den Bienenstock stellen wir an einem sonnigen Platz hinter das Haus, und bekümmern uns weiter nicht darum. Die Bienen brauchen nicht gehütet und nicht ins Feld getrieben zu werden: sie fliegen aus, finden den Weg nach Haus von selbst wieder, und sammeln Honig ohne daß es uns die geringste Mühe macht.' 'Du hast wie eine verständige Frau gesprochen,' antwortete Heinz, 'deinen Vorschlag wollen wir ohne Zaudern ausführen; außerdem schmeckt und nährt der Honig besser als die Ziegenmilch, und läßt sich auch länger aufbewahren.'

Der Nachbar gab für die beiden Ziegen gerne einen Bienenstock. Die Bienen flogen unermüdlich vom frühen Morgen bis zum späten Abend aus und ein, und füllten den Stock mit dem schönsten Honig, so daß Heinz im Herbst einen ganzen Krug voll heraus nehmen konnte.

ein. Nun ward die dicke Trine Heinzens Frau, und trieb die beiden Ziegen aus, und Heinz hatte gute Tage, so daß er sich von keiner andern Arbeit zu erholen brauchte, als von seiner eigenen Faulheit. Nur dann und wann gieng er mit hinaus, und sagte ‘es geschieht bloß damit mir die Ruhe hernach desto besser schmeckt; man verliert sonst alles Gefuͤhl dafuͤr.’

Aber die dicke Trine war auch faul. ‘Lieber Heinz,’ sprach sie eines Tages, ‘warum sollen wir uns das Leben ohne Noth sauer machen, und unsere beste Jugendzeit verkuͤmmern? Jst es nicht besser, wir geben die beiden Ziegen, die jeden Morgen einen mit ihrem Meckern im besten Schlafe stoͤren, unserm Nachbar, und der giebt uns einen Bienenstock dafuͤr? den Bienenstock stellen wir an einem sonnigen Platz hinter das Haus, und bekuͤmmern uns weiter nicht darum. Die Bienen brauchen nicht gehuͤtet und nicht ins Feld getrieben zu werden: sie fliegen aus, finden den Weg nach Haus von selbst wieder, und sammeln Honig ohne daß es uns die geringste Muͤhe macht.’ ‘Du hast wie eine verstaͤndige Frau gesprochen,’ antwortete Heinz, ‘deinen Vorschlag wollen wir ohne Zaudern ausfuͤhren; außerdem schmeckt und naͤhrt der Honig besser als die Ziegenmilch, und laͤßt sich auch laͤnger aufbewahren.’

Der Nachbar gab fuͤr die beiden Ziegen gerne einen Bienenstock. Die Bienen flogen unermuͤdlich vom fruͤhen Morgen bis zum spaͤten Abend aus und ein, und fuͤllten den Stock mit dem schoͤnsten Honig, so daß Heinz im Herbst einen ganzen Krug voll heraus nehmen konnte.

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[341/0357] ein. Nun ward die dicke Trine Heinzens Frau, und trieb die beiden Ziegen aus, und Heinz hatte gute Tage, so daß er sich von keiner andern Arbeit zu erholen brauchte, als von seiner eigenen Faulheit. Nur dann und wann gieng er mit hinaus, und sagte ‘es geschieht bloß damit mir die Ruhe hernach desto besser schmeckt; man verliert sonst alles Gefuͤhl dafuͤr.’ Aber die dicke Trine war auch faul. ‘Lieber Heinz,’ sprach sie eines Tages, ‘warum sollen wir uns das Leben ohne Noth sauer machen, und unsere beste Jugendzeit verkuͤmmern? Jst es nicht besser, wir geben die beiden Ziegen, die jeden Morgen einen mit ihrem Meckern im besten Schlafe stoͤren, unserm Nachbar, und der giebt uns einen Bienenstock dafuͤr? den Bienenstock stellen wir an einem sonnigen Platz hinter das Haus, und bekuͤmmern uns weiter nicht darum. Die Bienen brauchen nicht gehuͤtet und nicht ins Feld getrieben zu werden: sie fliegen aus, finden den Weg nach Haus von selbst wieder, und sammeln Honig ohne daß es uns die geringste Muͤhe macht.’ ‘Du hast wie eine verstaͤndige Frau gesprochen,’ antwortete Heinz, ‘deinen Vorschlag wollen wir ohne Zaudern ausfuͤhren; außerdem schmeckt und naͤhrt der Honig besser als die Ziegenmilch, und laͤßt sich auch laͤnger aufbewahren.’ Der Nachbar gab fuͤr die beiden Ziegen gerne einen Bienenstock. Die Bienen flogen unermuͤdlich vom fruͤhen Morgen bis zum spaͤten Abend aus und ein, und fuͤllten den Stock mit dem schoͤnsten Honig, so daß Heinz im Herbst einen ganzen Krug voll heraus nehmen konnte.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/357>, abgerufen am 17.06.2024.