Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.Alte, 'er hat gesagt du solltest deine güldene Haube ab thun, und deiner Schwester geben.' Da that sie die Haube ab und der Schwarzen auf, und saß im bloßen Haar. So fuhren sie weiter; wiederum über ein Weilchen rief der Bruder 'deck dich zu, mein Schwesterlein, daß Regen dich nicht näßt, daß Wind dich nicht bestäubt, und du fein schön zum König kommst.' Die Braut fragte 'was sagt mein lieber Bruder?' 'Ach,' sprach die Alte, 'er hat gesagt du möchtest einmal aus dem Wagen sehen;' sie fuhren aber gerade über ein tiefes Wasser. Wie nun die Braut aufstand und aus dem Fenster sah, da stießen sie die beiden andern hinaus, daß sie gerad ins Wasser fiel. Als sie aber versunken war, in demselben Augenblick, stieg eine schneeweiße Ente hervor, und schwamm den Fluß hinab. Der Bruder hatte gar nichts davon gemerkt, und fuhr den Wagen weiter, bis sie an den Hof kamen, da brachte er dem König die Schwarze als seine Schwester, und meinte auch sie wärs, weil es ihm trübe vor den Augen war, und er doch die Goldkleider schimmern sah. Der König, wie er die grundlose Häßlichkeit an seiner vermeinten Braut erblickte, ward sehr bös, und befahl den Kutscher in eine Grube zu werfen, die voll Ottern und Schlangengezücht war. Die alte Hexe aber wußte den König doch so zu bestricken, und ihm die Augen zu verblenden, daß er sie und ihre Tochter behielt und zu sich nahm, ja daß sie ihm ganz leidlich vorkam, und er sich wirklich mit ihr verheirathete. Alte, ‘er hat gesagt du solltest deine guͤldene Haube ab thun, und deiner Schwester geben.’ Da that sie die Haube ab und der Schwarzen auf, und saß im bloßen Haar. So fuhren sie weiter; wiederum uͤber ein Weilchen rief der Bruder ‘deck dich zu, mein Schwesterlein, daß Regen dich nicht naͤßt, daß Wind dich nicht bestaͤubt, und du fein schoͤn zum Koͤnig kommst.’ Die Braut fragte ‘was sagt mein lieber Bruder?’ ‘Ach,’ sprach die Alte, ‘er hat gesagt du moͤchtest einmal aus dem Wagen sehen;’ sie fuhren aber gerade uͤber ein tiefes Wasser. Wie nun die Braut aufstand und aus dem Fenster sah, da stießen sie die beiden andern hinaus, daß sie gerad ins Wasser fiel. Als sie aber versunken war, in demselben Augenblick, stieg eine schneeweiße Ente hervor, und schwamm den Fluß hinab. Der Bruder hatte gar nichts davon gemerkt, und fuhr den Wagen weiter, bis sie an den Hof kamen, da brachte er dem Koͤnig die Schwarze als seine Schwester, und meinte auch sie waͤrs, weil es ihm truͤbe vor den Augen war, und er doch die Goldkleider schimmern sah. Der Koͤnig, wie er die grundlose Haͤßlichkeit an seiner vermeinten Braut erblickte, ward sehr boͤs, und befahl den Kutscher in eine Grube zu werfen, die voll Ottern und Schlangengezuͤcht war. Die alte Hexe aber wußte den Koͤnig doch so zu bestricken, und ihm die Augen zu verblenden, daß er sie und ihre Tochter behielt und zu sich nahm, ja daß sie ihm ganz leidlich vorkam, und er sich wirklich mit ihr verheirathete. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0281" n="265"/> Alte, ‘er hat gesagt du solltest deine guͤldene Haube ab thun, und deiner Schwester geben.’ Da that sie die Haube ab und der Schwarzen auf, und saß im bloßen Haar. So fuhren sie weiter; wiederum uͤber ein Weilchen rief der Bruder</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘deck dich zu, mein Schwesterlein,</l><lb/> <l>daß Regen dich nicht naͤßt,</l><lb/> <l>daß Wind dich nicht bestaͤubt,</l><lb/> <l>und du fein schoͤn zum Koͤnig kommst.’</l><lb/> </lg> <p>Die Braut fragte ‘was sagt mein lieber Bruder?’ ‘Ach,’ sprach die Alte, ‘er hat gesagt du moͤchtest einmal aus dem Wagen sehen;’ sie fuhren aber gerade uͤber ein tiefes Wasser. Wie nun die Braut aufstand und aus dem Fenster sah, da stießen sie die beiden andern hinaus, daß sie gerad ins Wasser fiel. Als sie aber versunken war, in demselben Augenblick, stieg eine schneeweiße Ente hervor, und schwamm den Fluß hinab. Der Bruder hatte gar nichts davon gemerkt, und fuhr den Wagen weiter, bis sie an den Hof kamen, da brachte er dem Koͤnig die Schwarze als seine Schwester, und meinte auch sie waͤrs, weil es ihm truͤbe vor den Augen war, und er doch die Goldkleider schimmern sah. Der Koͤnig, wie er die grundlose Haͤßlichkeit an seiner vermeinten Braut erblickte, ward sehr boͤs, und befahl den Kutscher in eine Grube zu werfen, die voll Ottern und Schlangengezuͤcht war. Die alte Hexe aber wußte den Koͤnig doch so zu bestricken, und ihm die Augen zu verblenden, daß er sie und ihre Tochter behielt und zu sich nahm, ja daß sie ihm ganz leidlich vorkam, und er sich wirklich mit ihr verheirathete.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [265/0281]
Alte, ‘er hat gesagt du solltest deine guͤldene Haube ab thun, und deiner Schwester geben.’ Da that sie die Haube ab und der Schwarzen auf, und saß im bloßen Haar. So fuhren sie weiter; wiederum uͤber ein Weilchen rief der Bruder
‘deck dich zu, mein Schwesterlein,
daß Regen dich nicht naͤßt,
daß Wind dich nicht bestaͤubt,
und du fein schoͤn zum Koͤnig kommst.’
Die Braut fragte ‘was sagt mein lieber Bruder?’ ‘Ach,’ sprach die Alte, ‘er hat gesagt du moͤchtest einmal aus dem Wagen sehen;’ sie fuhren aber gerade uͤber ein tiefes Wasser. Wie nun die Braut aufstand und aus dem Fenster sah, da stießen sie die beiden andern hinaus, daß sie gerad ins Wasser fiel. Als sie aber versunken war, in demselben Augenblick, stieg eine schneeweiße Ente hervor, und schwamm den Fluß hinab. Der Bruder hatte gar nichts davon gemerkt, und fuhr den Wagen weiter, bis sie an den Hof kamen, da brachte er dem Koͤnig die Schwarze als seine Schwester, und meinte auch sie waͤrs, weil es ihm truͤbe vor den Augen war, und er doch die Goldkleider schimmern sah. Der Koͤnig, wie er die grundlose Haͤßlichkeit an seiner vermeinten Braut erblickte, ward sehr boͤs, und befahl den Kutscher in eine Grube zu werfen, die voll Ottern und Schlangengezuͤcht war. Die alte Hexe aber wußte den Koͤnig doch so zu bestricken, und ihm die Augen zu verblenden, daß er sie und ihre Tochter behielt und zu sich nahm, ja daß sie ihm ganz leidlich vorkam, und er sich wirklich mit ihr verheirathete.
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/281>, abgerufen am 16.02.2025. |