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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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fangen. Wie der aber an den Baum herantrat, sprang ein Löwe darunter auf, schüttelte sich und brüllte, daß das Laub an den Bäumen zitterte: "wer mir mein singendes, springendes Löweneckerchen stehlen will, den fress' ich auf!" Da sagte der Mann: "das hab' ich nicht gewußt, daß der Vogel dir gehört; kann ich mich nicht von dir loskaufen?" "Nein!" sprach der Löwe, "da ist nichts, was dich retten kann, als wenn du mir zu eigen versprichst, was dir daheim zuerst begegnet, willst du aber das thun, so schenk' ich dir das Leben und den Vogel für deine Tochter obendrein." Der Mann aber wollte nicht und sprach: "das könnte meine jüngste Tochter seyn, die hat mich am liebsten, und lauft mir immer entgegen, wenn ich nach Haus komme." Dem Diener aber war angst und er sagte: "es könnte ja auch eine Katze oder ein Hund seyn!" Da ließ sich der Mann überreden, nahm mit traurigem Herzen das singende, springende Löweneckerchen und versprach dem Löwen zu eigen, was ihm daheim zuerst begegnen würde.

Wie er nun zu Haus eintritt, war das erste, was ihm begegnete, niemand anders, als seine jüngste, liebste Tochter; die kam gelaufen und küßte und herzte ihn, und als sie sah, daß er ein singendes, springendes Löweneckerchen mitgebracht hatte, freute sie sich noch mehr. Der Vater aber konnte sich nicht freuen, sondern fing an zu weinen und sagte: "o weh! mein liebstes Kind, den kleinen Vogel hab' ich theuer gekauft, dafür hab' ich dich einem wilden Löwen versprechen müssen, wenn er dich hat, wird er dich zerreissen und fressen" und erzählte ihr da alles, wie es

fangen. Wie der aber an den Baum herantrat, sprang ein Loͤwe darunter auf, schuͤttelte sich und bruͤllte, daß das Laub an den Baͤumen zitterte: „wer mir mein singendes, springendes Loͤweneckerchen stehlen will, den fress’ ich auf!“ Da sagte der Mann: „das hab’ ich nicht gewußt, daß der Vogel dir gehoͤrt; kann ich mich nicht von dir loskaufen?“ „Nein!“ sprach der Loͤwe, „da ist nichts, was dich retten kann, als wenn du mir zu eigen versprichst, was dir daheim zuerst begegnet, willst du aber das thun, so schenk’ ich dir das Leben und den Vogel fuͤr deine Tochter obendrein.“ Der Mann aber wollte nicht und sprach: „das koͤnnte meine juͤngste Tochter seyn, die hat mich am liebsten, und lauft mir immer entgegen, wenn ich nach Haus komme.“ Dem Diener aber war angst und er sagte: „es koͤnnte ja auch eine Katze oder ein Hund seyn!“ Da ließ sich der Mann uͤberreden, nahm mit traurigem Herzen das singende, springende Loͤweneckerchen und versprach dem Loͤwen zu eigen, was ihm daheim zuerst begegnen wuͤrde.

Wie er nun zu Haus eintritt, war das erste, was ihm begegnete, niemand anders, als seine juͤngste, liebste Tochter; die kam gelaufen und kuͤßte und herzte ihn, und als sie sah, daß er ein singendes, springendes Loͤweneckerchen mitgebracht hatte, freute sie sich noch mehr. Der Vater aber konnte sich nicht freuen, sondern fing an zu weinen und sagte: „o weh! mein liebstes Kind, den kleinen Vogel hab’ ich theuer gekauft, dafuͤr hab’ ich dich einem wilden Loͤwen versprechen muͤssen, wenn er dich hat, wird er dich zerreissen und fressen“ und erzaͤhlte ihr da alles, wie es

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[7/0085] fangen. Wie der aber an den Baum herantrat, sprang ein Loͤwe darunter auf, schuͤttelte sich und bruͤllte, daß das Laub an den Baͤumen zitterte: „wer mir mein singendes, springendes Loͤweneckerchen stehlen will, den fress’ ich auf!“ Da sagte der Mann: „das hab’ ich nicht gewußt, daß der Vogel dir gehoͤrt; kann ich mich nicht von dir loskaufen?“ „Nein!“ sprach der Loͤwe, „da ist nichts, was dich retten kann, als wenn du mir zu eigen versprichst, was dir daheim zuerst begegnet, willst du aber das thun, so schenk’ ich dir das Leben und den Vogel fuͤr deine Tochter obendrein.“ Der Mann aber wollte nicht und sprach: „das koͤnnte meine juͤngste Tochter seyn, die hat mich am liebsten, und lauft mir immer entgegen, wenn ich nach Haus komme.“ Dem Diener aber war angst und er sagte: „es koͤnnte ja auch eine Katze oder ein Hund seyn!“ Da ließ sich der Mann uͤberreden, nahm mit traurigem Herzen das singende, springende Loͤweneckerchen und versprach dem Loͤwen zu eigen, was ihm daheim zuerst begegnen wuͤrde. Wie er nun zu Haus eintritt, war das erste, was ihm begegnete, niemand anders, als seine juͤngste, liebste Tochter; die kam gelaufen und kuͤßte und herzte ihn, und als sie sah, daß er ein singendes, springendes Loͤweneckerchen mitgebracht hatte, freute sie sich noch mehr. Der Vater aber konnte sich nicht freuen, sondern fing an zu weinen und sagte: „o weh! mein liebstes Kind, den kleinen Vogel hab’ ich theuer gekauft, dafuͤr hab’ ich dich einem wilden Loͤwen versprechen muͤssen, wenn er dich hat, wird er dich zerreissen und fressen“ und erzaͤhlte ihr da alles, wie es

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/85>, abgerufen am 09.11.2024.