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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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sie vor Tag schon auf und kochten dem Gast ein armes Frühstück. Als nun die Sonne durchs Fensterlein herein schien und der liebe Gott aufgestanden war, aß er wieder mit ihnen und wollte dann seines Weges ziehen. Doch als er in der Thüre stand, sprach er: "weil ihr so mitleidig und fromm seyd, so wünscht euch dreierlei, das will ich euch erfüllen." Da sagte der Arme: "was soll ich mir sonst wünschen, als die ewige Seligkeit, und daß wir zwei, so lang wir leben, gesund sind und unser nothdürftiges, tägliches Brot haben; fürs Dritte weiß ich mir nichts zu wünschen." Der liebe Gott sprach: "willst du dir nicht ein neues Haus für das alte wünschen?" Da sagte der Mann, ja, wenn das ging, wärs ihm wohl lieb. Nun erfüllte der Herr ihre Wünsche und verwandelte ihr altes Haus in ein schönes neues, und als das geschehen war, verließ er sie und zog weiter.

Als es voller Tag war, der Reiche aufstand und sich ins Fenster legte, sah er gegenüber ein schönes neues Haus stehen statt der alten Hütte. Da machte er Augen, rief seine Frau und sprach: "Frau, sieh einmal, wie ist das zugegangen? Gestern Abend stand dort eine elende Hütte und nun ists ein schönes neues Haus; lauf doch einmal hinüber und hör', wie das gekommen ist." Die Frau ging hin und fragte den Armen aus, der erzählte ihr: "gestern Abend kam ein Wanderer, der suchte Nachtherberge, und heute Morgen beim Abschied hat er uns drei Wünsche gewährt: die ewige Seligkeit, Gesundheit in diesem Leben und das nothdürftige tägliche Brot und statt unserer alten Hütte ein schönes neues Haus." Als die Frau des Reichen das gehört hatte, lief

sie vor Tag schon auf und kochten dem Gast ein armes Fruͤhstuͤck. Als nun die Sonne durchs Fensterlein herein schien und der liebe Gott aufgestanden war, aß er wieder mit ihnen und wollte dann seines Weges ziehen. Doch als er in der Thuͤre stand, sprach er: „weil ihr so mitleidig und fromm seyd, so wuͤnscht euch dreierlei, das will ich euch erfuͤllen.“ Da sagte der Arme: „was soll ich mir sonst wuͤnschen, als die ewige Seligkeit, und daß wir zwei, so lang wir leben, gesund sind und unser nothduͤrftiges, taͤgliches Brot haben; fuͤrs Dritte weiß ich mir nichts zu wuͤnschen.“ Der liebe Gott sprach: „willst du dir nicht ein neues Haus fuͤr das alte wuͤnschen?“ Da sagte der Mann, ja, wenn das ging, waͤrs ihm wohl lieb. Nun erfuͤllte der Herr ihre Wuͤnsche und verwandelte ihr altes Haus in ein schoͤnes neues, und als das geschehen war, verließ er sie und zog weiter.

Als es voller Tag war, der Reiche aufstand und sich ins Fenster legte, sah er gegenuͤber ein schoͤnes neues Haus stehen statt der alten Huͤtte. Da machte er Augen, rief seine Frau und sprach: „Frau, sieh einmal, wie ist das zugegangen? Gestern Abend stand dort eine elende Huͤtte und nun ists ein schoͤnes neues Haus; lauf doch einmal hinuͤber und hoͤr’, wie das gekommen ist.“ Die Frau ging hin und fragte den Armen aus, der erzaͤhlte ihr: „gestern Abend kam ein Wanderer, der suchte Nachtherberge, und heute Morgen beim Abschied hat er uns drei Wuͤnsche gewaͤhrt: die ewige Seligkeit, Gesundheit in diesem Leben und das nothduͤrftige taͤgliche Brot und statt unserer alten Huͤtte ein schoͤnes neues Haus.“ Als die Frau des Reichen das gehoͤrt hatte, lief

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[3/0081] sie vor Tag schon auf und kochten dem Gast ein armes Fruͤhstuͤck. Als nun die Sonne durchs Fensterlein herein schien und der liebe Gott aufgestanden war, aß er wieder mit ihnen und wollte dann seines Weges ziehen. Doch als er in der Thuͤre stand, sprach er: „weil ihr so mitleidig und fromm seyd, so wuͤnscht euch dreierlei, das will ich euch erfuͤllen.“ Da sagte der Arme: „was soll ich mir sonst wuͤnschen, als die ewige Seligkeit, und daß wir zwei, so lang wir leben, gesund sind und unser nothduͤrftiges, taͤgliches Brot haben; fuͤrs Dritte weiß ich mir nichts zu wuͤnschen.“ Der liebe Gott sprach: „willst du dir nicht ein neues Haus fuͤr das alte wuͤnschen?“ Da sagte der Mann, ja, wenn das ging, waͤrs ihm wohl lieb. Nun erfuͤllte der Herr ihre Wuͤnsche und verwandelte ihr altes Haus in ein schoͤnes neues, und als das geschehen war, verließ er sie und zog weiter. Als es voller Tag war, der Reiche aufstand und sich ins Fenster legte, sah er gegenuͤber ein schoͤnes neues Haus stehen statt der alten Huͤtte. Da machte er Augen, rief seine Frau und sprach: „Frau, sieh einmal, wie ist das zugegangen? Gestern Abend stand dort eine elende Huͤtte und nun ists ein schoͤnes neues Haus; lauf doch einmal hinuͤber und hoͤr’, wie das gekommen ist.“ Die Frau ging hin und fragte den Armen aus, der erzaͤhlte ihr: „gestern Abend kam ein Wanderer, der suchte Nachtherberge, und heute Morgen beim Abschied hat er uns drei Wuͤnsche gewaͤhrt: die ewige Seligkeit, Gesundheit in diesem Leben und das nothduͤrftige taͤgliche Brot und statt unserer alten Huͤtte ein schoͤnes neues Haus.“ Als die Frau des Reichen das gehoͤrt hatte, lief

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/81>, abgerufen am 02.05.2024.