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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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Da sah der Soldat, wie sie hinunter stiegen, eine nach der andern, die älteste voran; es war keine Zeit für ihn zu verlieren, er richtete sich auf, hing sein Mäntelchen um, und stieg hinter der jüngsten mit hinab. Mitten auf der Treppe trat er ihr ein wenig aufs Kleid; da erschrak sie und rief: "es ist nicht richtig, es hält mich was am Kleid." "Stell dich nicht so einfältig, sagte die älteste, du bist an einem Haken hängen geblieben." Da gingen sie vollends hinab, und wie sie unten waren, standen sie in einem wunderprächtigen Baumgang, da waren alle Blätter von Silber, und schimmerten und glänzten. Der Soldat dachte, du willst dir ein Wahrzeichen mitnehmen, und brach einen Zweig davon ab, da kam ein gewaltiger Knall aus dem Baume. Die jüngste rief wieder: "es ist nicht richtig, habt ihr den Knall gehört, das ist noch nie hier geschehen." Die älteste aber sprach: "das sind Freudenschüsse, weil wir unsere Prinzen bald erlöst haben!" Sie kamen darauf in einen Baumgang, wo alle Blätter von Gold, und endlich in einen dritten, wo sie klarer Demant waren; von beiden brach er einen Zweig ab, wobei es jedesmal knallte, daß die jüngste vor Schrecken zusammenfuhr, aber die älteste blieb dabei, es wären Freudenschüsse. Da gingen sie weiter bis zu einem großen Wasser, darauf standen zwölf Schifflein, und in jedem Schifflein saß ein schöner Prinz, die hatten auf die zwölfe gewartet, und jeder nahm eine zu sich, der Soldat aber setzte sich mit der jüngsten ein, da sprach der Prinz: "ich bin doch so stark als sonst, aber heute ist das Schiff viel schwerer, und ich muß rudern, was ich kann." -- "Wovon sollt' das kommen,

Da sah der Soldat, wie sie hinunter stiegen, eine nach der andern, die aͤlteste voran; es war keine Zeit fuͤr ihn zu verlieren, er richtete sich auf, hing sein Maͤntelchen um, und stieg hinter der juͤngsten mit hinab. Mitten auf der Treppe trat er ihr ein wenig aufs Kleid; da erschrak sie und rief: „es ist nicht richtig, es haͤlt mich was am Kleid.“ „Stell dich nicht so einfaͤltig, sagte die aͤlteste, du bist an einem Haken haͤngen geblieben.“ Da gingen sie vollends hinab, und wie sie unten waren, standen sie in einem wunderpraͤchtigen Baumgang, da waren alle Blaͤtter von Silber, und schimmerten und glaͤnzten. Der Soldat dachte, du willst dir ein Wahrzeichen mitnehmen, und brach einen Zweig davon ab, da kam ein gewaltiger Knall aus dem Baume. Die juͤngste rief wieder: „es ist nicht richtig, habt ihr den Knall gehoͤrt, das ist noch nie hier geschehen.“ Die aͤlteste aber sprach: „das sind Freudenschuͤsse, weil wir unsere Prinzen bald erloͤst haben!“ Sie kamen darauf in einen Baumgang, wo alle Blaͤtter von Gold, und endlich in einen dritten, wo sie klarer Demant waren; von beiden brach er einen Zweig ab, wobei es jedesmal knallte, daß die juͤngste vor Schrecken zusammenfuhr, aber die aͤlteste blieb dabei, es waͤren Freudenschuͤsse. Da gingen sie weiter bis zu einem großen Wasser, darauf standen zwoͤlf Schifflein, und in jedem Schifflein saß ein schoͤner Prinz, die hatten auf die zwoͤlfe gewartet, und jeder nahm eine zu sich, der Soldat aber setzte sich mit der juͤngsten ein, da sprach der Prinz: „ich bin doch so stark als sonst, aber heute ist das Schiff viel schwerer, und ich muß rudern, was ich kann.“ — „Wovon sollt’ das kommen,

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[228/0306] Da sah der Soldat, wie sie hinunter stiegen, eine nach der andern, die aͤlteste voran; es war keine Zeit fuͤr ihn zu verlieren, er richtete sich auf, hing sein Maͤntelchen um, und stieg hinter der juͤngsten mit hinab. Mitten auf der Treppe trat er ihr ein wenig aufs Kleid; da erschrak sie und rief: „es ist nicht richtig, es haͤlt mich was am Kleid.“ „Stell dich nicht so einfaͤltig, sagte die aͤlteste, du bist an einem Haken haͤngen geblieben.“ Da gingen sie vollends hinab, und wie sie unten waren, standen sie in einem wunderpraͤchtigen Baumgang, da waren alle Blaͤtter von Silber, und schimmerten und glaͤnzten. Der Soldat dachte, du willst dir ein Wahrzeichen mitnehmen, und brach einen Zweig davon ab, da kam ein gewaltiger Knall aus dem Baume. Die juͤngste rief wieder: „es ist nicht richtig, habt ihr den Knall gehoͤrt, das ist noch nie hier geschehen.“ Die aͤlteste aber sprach: „das sind Freudenschuͤsse, weil wir unsere Prinzen bald erloͤst haben!“ Sie kamen darauf in einen Baumgang, wo alle Blaͤtter von Gold, und endlich in einen dritten, wo sie klarer Demant waren; von beiden brach er einen Zweig ab, wobei es jedesmal knallte, daß die juͤngste vor Schrecken zusammenfuhr, aber die aͤlteste blieb dabei, es waͤren Freudenschuͤsse. Da gingen sie weiter bis zu einem großen Wasser, darauf standen zwoͤlf Schifflein, und in jedem Schifflein saß ein schoͤner Prinz, die hatten auf die zwoͤlfe gewartet, und jeder nahm eine zu sich, der Soldat aber setzte sich mit der juͤngsten ein, da sprach der Prinz: „ich bin doch so stark als sonst, aber heute ist das Schiff viel schwerer, und ich muß rudern, was ich kann.“ — „Wovon sollt’ das kommen,

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/306>, abgerufen am 18.05.2024.