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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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die Früchte von dem Baume ab." Einäuglein stieg hinauf, aber wie es einen von den goldenen Aepfeln greifen wollte, so fuhr ihm der Zweig aus den Händen und das geschah jedesmal, so daß es keinen einzigen Apfel brechen konnte, es mogte sich anstellen, wie es wollte. Da sprach die Mutter: "Dreiäuglein, steig du hinauf, du kannst mit deinen drei Augen besser um dich schauen, als Einäuglein." Einäuglein rutschte herunter und Dreiäuglein stieg hinauf, aber Dreiäuglein war nicht geschickter und mogte schauen wie es wollte, die goldenen Aepfel wichen immer zurück. Endlich ward die Mutter ungeduldig und stieg selbst hinauf, konnte aber so wenig, wie Einäuglein und Dreiäuglein die Frucht fassen und griff nur immer in die leere Luft hinein. Da sprach Zweiäuglein: "ich will mich einmal hinaufmachen, vielleicht gelingt mir's eher," die Schwestern riefen zwar: "du mit deinen zwei Augen, was willst du wohl!" aber Zweiäuglein stieg hinauf und die goldenen Aepfel zogen sich nicht vor ihm zurück, sondern es war ordentlich, als eilten sie seinen Händen entgegen, also daß es einen nach dem andern abpflücken konnte und einen ganzen Schurz voll mit herunter brachte. Die Mutter nahm sie ihm ab und statt daß sie, Einäuglein und Dreiäuglein, dafür das arme Zweiäuglein hätten besser behandeln sollen, so wurden sie nur neidisch, daß es allein die Früchte holen konnte und gingen noch härter mit ihm um.

Es trug sich zu, daß, als sie einmal beisammen an dem Baum standen, ein junger Ritter daher kam. "Geschwind, Zweiäuglein, riefen die zwei Schwestern, kriech unter, daß wir uns

die Fruͤchte von dem Baume ab.“ Einaͤuglein stieg hinauf, aber wie es einen von den goldenen Aepfeln greifen wollte, so fuhr ihm der Zweig aus den Haͤnden und das geschah jedesmal, so daß es keinen einzigen Apfel brechen konnte, es mogte sich anstellen, wie es wollte. Da sprach die Mutter: „Dreiaͤuglein, steig du hinauf, du kannst mit deinen drei Augen besser um dich schauen, als Einaͤuglein.“ Einaͤuglein rutschte herunter und Dreiaͤuglein stieg hinauf, aber Dreiaͤuglein war nicht geschickter und mogte schauen wie es wollte, die goldenen Aepfel wichen immer zuruͤck. Endlich ward die Mutter ungeduldig und stieg selbst hinauf, konnte aber so wenig, wie Einaͤuglein und Dreiaͤuglein die Frucht fassen und griff nur immer in die leere Luft hinein. Da sprach Zweiaͤuglein: „ich will mich einmal hinaufmachen, vielleicht gelingt mir’s eher,“ die Schwestern riefen zwar: „du mit deinen zwei Augen, was willst du wohl!“ aber Zweiaͤuglein stieg hinauf und die goldenen Aepfel zogen sich nicht vor ihm zuruͤck, sondern es war ordentlich, als eilten sie seinen Haͤnden entgegen, also daß es einen nach dem andern abpfluͤcken konnte und einen ganzen Schurz voll mit herunter brachte. Die Mutter nahm sie ihm ab und statt daß sie, Einaͤuglein und Dreiaͤuglein, dafuͤr das arme Zweiaͤuglein haͤtten besser behandeln sollen, so wurden sie nur neidisch, daß es allein die Fruͤchte holen konnte und gingen noch haͤrter mit ihm um.

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[219/0297] die Fruͤchte von dem Baume ab.“ Einaͤuglein stieg hinauf, aber wie es einen von den goldenen Aepfeln greifen wollte, so fuhr ihm der Zweig aus den Haͤnden und das geschah jedesmal, so daß es keinen einzigen Apfel brechen konnte, es mogte sich anstellen, wie es wollte. Da sprach die Mutter: „Dreiaͤuglein, steig du hinauf, du kannst mit deinen drei Augen besser um dich schauen, als Einaͤuglein.“ Einaͤuglein rutschte herunter und Dreiaͤuglein stieg hinauf, aber Dreiaͤuglein war nicht geschickter und mogte schauen wie es wollte, die goldenen Aepfel wichen immer zuruͤck. Endlich ward die Mutter ungeduldig und stieg selbst hinauf, konnte aber so wenig, wie Einaͤuglein und Dreiaͤuglein die Frucht fassen und griff nur immer in die leere Luft hinein. Da sprach Zweiaͤuglein: „ich will mich einmal hinaufmachen, vielleicht gelingt mir’s eher,“ die Schwestern riefen zwar: „du mit deinen zwei Augen, was willst du wohl!“ aber Zweiaͤuglein stieg hinauf und die goldenen Aepfel zogen sich nicht vor ihm zuruͤck, sondern es war ordentlich, als eilten sie seinen Haͤnden entgegen, also daß es einen nach dem andern abpfluͤcken konnte und einen ganzen Schurz voll mit herunter brachte. Die Mutter nahm sie ihm ab und statt daß sie, Einaͤuglein und Dreiaͤuglein, dafuͤr das arme Zweiaͤuglein haͤtten besser behandeln sollen, so wurden sie nur neidisch, daß es allein die Fruͤchte holen konnte und gingen noch haͤrter mit ihm um. Es trug sich zu, daß, als sie einmal beisammen an dem Baum standen, ein junger Ritter daher kam. „Geschwind, Zweiaͤuglein, riefen die zwei Schwestern, kriech unter, daß wir uns

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/297>, abgerufen am 25.11.2024.