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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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Haus;" der Barbier rasirte lauter vornehme Herrn und meinte auch, das Haus wär' sein; der Fechtmeister kriegte manchen Hieb, biß aber die Zähne zusammen und ließ sichs nicht verdrießen, denn er dachte bei sich: "fürchtest du dich vor einem Hieb, so kriegst du das Haus nimmermehr." Als nun die gesetzte Zeit herum war, kamen sie zusammen nach Haus, sie wußten aber nicht, wie sie die beste Gelegenheit finden sollten, ihre Kunst zu zeigen, saßen beisammen und rathschlagten. Wie sie so saßen, kam auf einmal ein Haas übers Feld daher gelaufen. "Ei, sagte der Barbier, der kommt wie gerufen," nahm Becken und Seife, schaumte, bis der Haas in die Nähe kam, dann seifte er ihn in vollem Laufe ein und rasirte ihm auch in vollem Laufe ein Stutzbärtchen und dabei schnitt er ihn nicht und that ihm an keinem Haare weh. "Das gefällt mir, sagte der Vater, wenn sich die andern nicht gewaltig angreifen, so ist das Haus dein." Es währte nicht lang, so kam ein Herr in einem Wagen daher gerennt in vollem Jagen. "Nun sollt ihr sehen, Vater, was ich kann," sprach der Hufschmied, sprang dem Wagen nach, riß dem Pferd, das in einem fort jagte, die vier Hufeisen ab und schlug ihm auch im Jagen vier neue wieder an. "Du bist ein ganzer Kerl, sprach der Vater, du machst deine Sachen so gut, wie dein Bruder; ich weiß nicht, wem ich das Haus geben soll." Da sprach der dritte: "Vater, laßt mich auch einmal gewähren," und weil es anfing zu regnen, zog er seinen Degen und schwenkte ihn in Kreuzhieben über seinem Kopf, daß kein Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen stärker ward und endlich so stark, als ob man mit Mulden

Haus;“ der Barbier rasirte lauter vornehme Herrn und meinte auch, das Haus waͤr’ sein; der Fechtmeister kriegte manchen Hieb, biß aber die Zaͤhne zusammen und ließ sichs nicht verdrießen, denn er dachte bei sich: „fuͤrchtest du dich vor einem Hieb, so kriegst du das Haus nimmermehr.“ Als nun die gesetzte Zeit herum war, kamen sie zusammen nach Haus, sie wußten aber nicht, wie sie die beste Gelegenheit finden sollten, ihre Kunst zu zeigen, saßen beisammen und rathschlagten. Wie sie so saßen, kam auf einmal ein Haas uͤbers Feld daher gelaufen. „Ei, sagte der Barbier, der kommt wie gerufen,“ nahm Becken und Seife, schaumte, bis der Haas in die Naͤhe kam, dann seifte er ihn in vollem Laufe ein und rasirte ihm auch in vollem Laufe ein Stutzbaͤrtchen und dabei schnitt er ihn nicht und that ihm an keinem Haare weh. „Das gefaͤllt mir, sagte der Vater, wenn sich die andern nicht gewaltig angreifen, so ist das Haus dein.“ Es waͤhrte nicht lang, so kam ein Herr in einem Wagen daher gerennt in vollem Jagen. „Nun sollt ihr sehen, Vater, was ich kann,“ sprach der Hufschmied, sprang dem Wagen nach, riß dem Pferd, das in einem fort jagte, die vier Hufeisen ab und schlug ihm auch im Jagen vier neue wieder an. „Du bist ein ganzer Kerl, sprach der Vater, du machst deine Sachen so gut, wie dein Bruder; ich weiß nicht, wem ich das Haus geben soll.“ Da sprach der dritte: „Vater, laßt mich auch einmal gewaͤhren,“ und weil es anfing zu regnen, zog er seinen Degen und schwenkte ihn in Kreuzhieben uͤber seinem Kopf, daß kein Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen staͤrker ward und endlich so stark, als ob man mit Mulden

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[185/0263] Haus;“ der Barbier rasirte lauter vornehme Herrn und meinte auch, das Haus waͤr’ sein; der Fechtmeister kriegte manchen Hieb, biß aber die Zaͤhne zusammen und ließ sichs nicht verdrießen, denn er dachte bei sich: „fuͤrchtest du dich vor einem Hieb, so kriegst du das Haus nimmermehr.“ Als nun die gesetzte Zeit herum war, kamen sie zusammen nach Haus, sie wußten aber nicht, wie sie die beste Gelegenheit finden sollten, ihre Kunst zu zeigen, saßen beisammen und rathschlagten. Wie sie so saßen, kam auf einmal ein Haas uͤbers Feld daher gelaufen. „Ei, sagte der Barbier, der kommt wie gerufen,“ nahm Becken und Seife, schaumte, bis der Haas in die Naͤhe kam, dann seifte er ihn in vollem Laufe ein und rasirte ihm auch in vollem Laufe ein Stutzbaͤrtchen und dabei schnitt er ihn nicht und that ihm an keinem Haare weh. „Das gefaͤllt mir, sagte der Vater, wenn sich die andern nicht gewaltig angreifen, so ist das Haus dein.“ Es waͤhrte nicht lang, so kam ein Herr in einem Wagen daher gerennt in vollem Jagen. „Nun sollt ihr sehen, Vater, was ich kann,“ sprach der Hufschmied, sprang dem Wagen nach, riß dem Pferd, das in einem fort jagte, die vier Hufeisen ab und schlug ihm auch im Jagen vier neue wieder an. „Du bist ein ganzer Kerl, sprach der Vater, du machst deine Sachen so gut, wie dein Bruder; ich weiß nicht, wem ich das Haus geben soll.“ Da sprach der dritte: „Vater, laßt mich auch einmal gewaͤhren,“ und weil es anfing zu regnen, zog er seinen Degen und schwenkte ihn in Kreuzhieben uͤber seinem Kopf, daß kein Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen staͤrker ward und endlich so stark, als ob man mit Mulden

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/263>, abgerufen am 17.05.2024.