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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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er hatte einigen Schein und konnte etwas in der Nähe unterscheiden. Er wußte aber nicht woher das gekommen war. Da sah er ein Vöglein, das flog ganz nah an seinem Gesicht vorbei, gerade wider den Baumstamm, so daß es sich daran stieß, gleich als wär es blind; es senkte sich aber in das Wasser und badete sich darin, dann flog es wieder auf und strich ganz sicher zwischen den Bäumen hin, so daß man wohl bemerken konnte, es sey jetzt wieder sehend. Da kam es dem Königssohn in das Herz, dies wäre ein Wink Gottes, also daß er sich herabneigte zu dem Wasser und sich darin das Gesicht wusch und badete. Und wie er sich aufrichtete, hatte er seine Augen wieder, so hell und rein, wie sie nie gewesen waren.

Der Königssohn dankte Gott für die große Gnade und zog mit seinem Löwen weiter in der Welt herum. Nun trug es sich zu, daß er vor ein Schloß kam, welches verwünscht war; in dem Thor stand eine Jungfrau von schöner Gestalt und feinem Antlitz, aber sie war ganz schwarz. Sie redete ihn an und sprach: "ach, könntest du mich erlösen aus dem Zauber, der mich hier hält und Gewalt über mich hat!" Da sagte der Königssohn: "was soll ich thun, dich zu befreien?" Die Jungfrau antwortete: "drei Nächte mußt du in dem großen Saal des verwünschten Schlosses zubringen, aber es darf keine Furcht in dein Herz kommen. Hältst du aus, was dir böses angethan wird, ohne einen Laut von dir zu geben, so bin ich erlöst; das Leben dürfen sie dir doch nicht nehmen." Da sprach der Königssohn: "ich wills mit Gottes Hülfe versuchen, ich fürchte nichts auf der ganzen Welt." Also

er hatte einigen Schein und konnte etwas in der Naͤhe unterscheiden. Er wußte aber nicht woher das gekommen war. Da sah er ein Voͤglein, das flog ganz nah an seinem Gesicht vorbei, gerade wider den Baumstamm, so daß es sich daran stieß, gleich als waͤr es blind; es senkte sich aber in das Wasser und badete sich darin, dann flog es wieder auf und strich ganz sicher zwischen den Baͤumen hin, so daß man wohl bemerken konnte, es sey jetzt wieder sehend. Da kam es dem Koͤnigssohn in das Herz, dies waͤre ein Wink Gottes, also daß er sich herabneigte zu dem Wasser und sich darin das Gesicht wusch und badete. Und wie er sich aufrichtete, hatte er seine Augen wieder, so hell und rein, wie sie nie gewesen waren.

Der Koͤnigssohn dankte Gott fuͤr die große Gnade und zog mit seinem Loͤwen weiter in der Welt herum. Nun trug es sich zu, daß er vor ein Schloß kam, welches verwuͤnscht war; in dem Thor stand eine Jungfrau von schoͤner Gestalt und feinem Antlitz, aber sie war ganz schwarz. Sie redete ihn an und sprach: „ach, koͤnntest du mich erloͤsen aus dem Zauber, der mich hier haͤlt und Gewalt uͤber mich hat!“ Da sagte der Koͤnigssohn: „was soll ich thun, dich zu befreien?“ Die Jungfrau antwortete: „drei Naͤchte mußt du in dem großen Saal des verwuͤnschten Schlosses zubringen, aber es darf keine Furcht in dein Herz kommen. Haͤltst du aus, was dir boͤses angethan wird, ohne einen Laut von dir zu geben, so bin ich erloͤst; das Leben duͤrfen sie dir doch nicht nehmen.“ Da sprach der Koͤnigssohn: „ich wills mit Gottes Huͤlfe versuchen, ich fuͤrchte nichts auf der ganzen Welt.“ Also

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[169/0247] er hatte einigen Schein und konnte etwas in der Naͤhe unterscheiden. Er wußte aber nicht woher das gekommen war. Da sah er ein Voͤglein, das flog ganz nah an seinem Gesicht vorbei, gerade wider den Baumstamm, so daß es sich daran stieß, gleich als waͤr es blind; es senkte sich aber in das Wasser und badete sich darin, dann flog es wieder auf und strich ganz sicher zwischen den Baͤumen hin, so daß man wohl bemerken konnte, es sey jetzt wieder sehend. Da kam es dem Koͤnigssohn in das Herz, dies waͤre ein Wink Gottes, also daß er sich herabneigte zu dem Wasser und sich darin das Gesicht wusch und badete. Und wie er sich aufrichtete, hatte er seine Augen wieder, so hell und rein, wie sie nie gewesen waren. Der Koͤnigssohn dankte Gott fuͤr die große Gnade und zog mit seinem Loͤwen weiter in der Welt herum. Nun trug es sich zu, daß er vor ein Schloß kam, welches verwuͤnscht war; in dem Thor stand eine Jungfrau von schoͤner Gestalt und feinem Antlitz, aber sie war ganz schwarz. Sie redete ihn an und sprach: „ach, koͤnntest du mich erloͤsen aus dem Zauber, der mich hier haͤlt und Gewalt uͤber mich hat!“ Da sagte der Koͤnigssohn: „was soll ich thun, dich zu befreien?“ Die Jungfrau antwortete: „drei Naͤchte mußt du in dem großen Saal des verwuͤnschten Schlosses zubringen, aber es darf keine Furcht in dein Herz kommen. Haͤltst du aus, was dir boͤses angethan wird, ohne einen Laut von dir zu geben, so bin ich erloͤst; das Leben duͤrfen sie dir doch nicht nehmen.“ Da sprach der Koͤnigssohn: „ich wills mit Gottes Huͤlfe versuchen, ich fuͤrchte nichts auf der ganzen Welt.“ Also

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/247>, abgerufen am 24.11.2024.