Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

Glas, einmal ist keinmal," bis er sich überreden ließ und einen Trunk nahm. Nachmittags gegen zwei Uhr ging er hinaus in den Garten auf die Lohhucke und wollte auf die Rabe warten; wie er da stand, auf einmal ward er so müd' und wollte sich nicht hinlegen, aber er konnte es gar nicht mehr aushalten, und mußte sich ein bischen legen; doch wollte er nicht einschlafen. Aber kaum hatte er sich gelegt, da fielen ihm die Augen von selber zu und er schlief ein und schlief so fest, daß ihn nichts auf der Welt hätte erwecken können. Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier weißen Hengsten gefahren und war schon in voller Trauer und sprach: "ich weiß doch schon, daß er schläft!" Und als sie in den Garten kam, lag er auch da auf der Lohhucke und schlief; und wie sie vor ihm war, stieg sie aus dem Wagen, schüttelte ihn und rief ihn an, er wollte nicht erwachen. Sie rief aber so lang' bis sie ihn endlich aus dem Schlaf erweckte, da sagte sie: "ich sehe wohl, daß du mich hier nicht erlösen kannst, aber morgen will ich noch einmal wiederkommen, dann habe ich vier braune Hengste vor dem Wagen, aber du darfst bei Leibe nichts nehmen von der Frau, kein Essen und kein Trinken." Da sagte er: "nein gewiß nicht." Sie sprach aber: "ach! ich weiß es wohl, du nimmst doch etwas!" Am andern Tag zur Mittagszeit kam die alte Frau und sagte, er äße und tränke ja nichts, was das wäre? Da sprach er: "nein, ich will nicht essen und trinken." Sie aber stellte das Essen und Trinken vor ihn hin, daß der Geruch zu ihm aufging und beredete ihn, daß er wieder etwas trank. Gegen zwei Uhr ging er in den Garten auf die Lohhucke und wollte

Glas, einmal ist keinmal,“ bis er sich uͤberreden ließ und einen Trunk nahm. Nachmittags gegen zwei Uhr ging er hinaus in den Garten auf die Lohhucke und wollte auf die Rabe warten; wie er da stand, auf einmal ward er so muͤd’ und wollte sich nicht hinlegen, aber er konnte es gar nicht mehr aushalten, und mußte sich ein bischen legen; doch wollte er nicht einschlafen. Aber kaum hatte er sich gelegt, da fielen ihm die Augen von selber zu und er schlief ein und schlief so fest, daß ihn nichts auf der Welt haͤtte erwecken koͤnnen. Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier weißen Hengsten gefahren und war schon in voller Trauer und sprach: „ich weiß doch schon, daß er schlaͤft!“ Und als sie in den Garten kam, lag er auch da auf der Lohhucke und schlief; und wie sie vor ihm war, stieg sie aus dem Wagen, schuͤttelte ihn und rief ihn an, er wollte nicht erwachen. Sie rief aber so lang’ bis sie ihn endlich aus dem Schlaf erweckte, da sagte sie: „ich sehe wohl, daß du mich hier nicht erloͤsen kannst, aber morgen will ich noch einmal wiederkommen, dann habe ich vier braune Hengste vor dem Wagen, aber du darfst bei Leibe nichts nehmen von der Frau, kein Essen und kein Trinken.“ Da sagte er: „nein gewiß nicht.“ Sie sprach aber: „ach! ich weiß es wohl, du nimmst doch etwas!“ Am andern Tag zur Mittagszeit kam die alte Frau und sagte, er aͤße und traͤnke ja nichts, was das waͤre? Da sprach er: „nein, ich will nicht essen und trinken.“ Sie aber stellte das Essen und Trinken vor ihn hin, daß der Geruch zu ihm aufging und beredete ihn, daß er wieder etwas trank. Gegen zwei Uhr ging er in den Garten auf die Lohhucke und wollte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0125" n="47"/>
Glas, einmal ist keinmal,&#x201C; bis er sich u&#x0364;berreden ließ und einen Trunk nahm. Nachmittags gegen zwei Uhr ging er hinaus in den Garten auf die Lohhucke und wollte auf die Rabe warten; wie er da stand, auf einmal ward er so mu&#x0364;d&#x2019; und wollte sich nicht hinlegen, aber er konnte es gar nicht mehr aushalten, und mußte sich ein bischen legen; doch wollte er nicht einschlafen. Aber kaum hatte er sich gelegt, da fielen ihm die Augen von selber zu und er schlief ein und schlief so fest, daß ihn nichts auf der Welt ha&#x0364;tte erwecken ko&#x0364;nnen. Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier weißen Hengsten gefahren und war schon in voller Trauer und sprach: &#x201E;ich weiß doch schon, daß er schla&#x0364;ft!&#x201C; Und als sie in den Garten kam, lag er auch da auf der Lohhucke und schlief; und wie sie vor ihm war, stieg sie aus dem Wagen, schu&#x0364;ttelte ihn und rief ihn an, er wollte nicht erwachen. Sie rief aber so lang&#x2019; bis sie ihn endlich aus dem Schlaf erweckte, da sagte sie: &#x201E;ich sehe wohl, daß du mich hier nicht erlo&#x0364;sen kannst, aber morgen will ich noch einmal wiederkommen, dann habe ich vier braune Hengste vor dem Wagen, aber du darfst bei Leibe nichts nehmen von der Frau, kein Essen und kein Trinken.&#x201C; Da sagte er: &#x201E;nein gewiß nicht.&#x201C; Sie sprach aber: &#x201E;ach! ich weiß es wohl, du nimmst doch etwas!&#x201C; Am andern Tag zur Mittagszeit kam die alte Frau und sagte, er a&#x0364;ße und tra&#x0364;nke ja nichts, was das wa&#x0364;re? Da sprach er: &#x201E;nein, ich will nicht essen und trinken.&#x201C; Sie aber stellte das Essen und Trinken vor ihn hin, daß der Geruch zu ihm aufging und beredete ihn, daß er wieder etwas trank. Gegen zwei Uhr ging er in den Garten auf die Lohhucke und wollte
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0125] Glas, einmal ist keinmal,“ bis er sich uͤberreden ließ und einen Trunk nahm. Nachmittags gegen zwei Uhr ging er hinaus in den Garten auf die Lohhucke und wollte auf die Rabe warten; wie er da stand, auf einmal ward er so muͤd’ und wollte sich nicht hinlegen, aber er konnte es gar nicht mehr aushalten, und mußte sich ein bischen legen; doch wollte er nicht einschlafen. Aber kaum hatte er sich gelegt, da fielen ihm die Augen von selber zu und er schlief ein und schlief so fest, daß ihn nichts auf der Welt haͤtte erwecken koͤnnen. Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier weißen Hengsten gefahren und war schon in voller Trauer und sprach: „ich weiß doch schon, daß er schlaͤft!“ Und als sie in den Garten kam, lag er auch da auf der Lohhucke und schlief; und wie sie vor ihm war, stieg sie aus dem Wagen, schuͤttelte ihn und rief ihn an, er wollte nicht erwachen. Sie rief aber so lang’ bis sie ihn endlich aus dem Schlaf erweckte, da sagte sie: „ich sehe wohl, daß du mich hier nicht erloͤsen kannst, aber morgen will ich noch einmal wiederkommen, dann habe ich vier braune Hengste vor dem Wagen, aber du darfst bei Leibe nichts nehmen von der Frau, kein Essen und kein Trinken.“ Da sagte er: „nein gewiß nicht.“ Sie sprach aber: „ach! ich weiß es wohl, du nimmst doch etwas!“ Am andern Tag zur Mittagszeit kam die alte Frau und sagte, er aͤße und traͤnke ja nichts, was das waͤre? Da sprach er: „nein, ich will nicht essen und trinken.“ Sie aber stellte das Essen und Trinken vor ihn hin, daß der Geruch zu ihm aufging und beredete ihn, daß er wieder etwas trank. Gegen zwei Uhr ging er in den Garten auf die Lohhucke und wollte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/125
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/125>, abgerufen am 22.11.2024.