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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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Vater, und sag' er der Mutter, sie sollt' eine rechte Schüssel voll zu essen kochen; ich will derweil den Acker schon herumreißen." Da ging der Bauer heim und bestellte es bei seiner Frau und die kochte eine tüchtige Schüssel voll, der Junge aber pflügte das Land, zwei Morgen Felds, ganz allein, und dann spannte er sich auch selber vor die Egge und eggte alles mit zwei Eggen zugleich. Wie er fertig war, ging er in den Wald und riß zwei Eichenbäume aus, legte sie auf die Schultern und hinten und vorn eine Egge drauf, und hinten und vorn auch ein Pferd, und trug das alles wie ein Bund Stroh nach Haus. Wie er in den Hof kam, erkannte ihn seine Mutter nicht und fragte: "wer ist der entsetzliche, große Mann?" der Bauer sagte: "das ist unser Sohn." Sie sprach: "nein, unser Sohn ist das nimmermehr, so groß haben wir keinen gehabt, unser war ein kleines Ding; geh' nur weg, wir wollen dich nicht." Der Junge aber schwieg still, zog seine Pferde in den Stall, gab ihnen Hafer und Heu und brachte alles in Ordnung; und wie er fertig war, ging er in die Stube, setzte sich auf die Bank und sagte: "Mutter, nun hätt' ich Lust zu essen, ist's bald fertig?" da sagte sie ja, getraute sich nicht ihm zu widersprechen und brachte zwei große, große Schüsseln voll herein, daran hätten sie und ihr Mann acht Tage lang satt gehabt. Er aber aß sie allein auf und fragte, ob sie nicht mehr hätten? "Nein, sagte sie, das ist alles, was wir haben." "Das war ja nur zum Schmecken, ich muß noch mehr haben." Da ging sie hin und setzte einen großen Schweinekessel voll über's Feuer und wie es gahr war, trug sie es herein. "Nun, da ist noch ein

Vater, und sag’ er der Mutter, sie sollt’ eine rechte Schuͤssel voll zu essen kochen; ich will derweil den Acker schon herumreißen.“ Da ging der Bauer heim und bestellte es bei seiner Frau und die kochte eine tuͤchtige Schuͤssel voll, der Junge aber pfluͤgte das Land, zwei Morgen Felds, ganz allein, und dann spannte er sich auch selber vor die Egge und eggte alles mit zwei Eggen zugleich. Wie er fertig war, ging er in den Wald und riß zwei Eichenbaͤume aus, legte sie auf die Schultern und hinten und vorn eine Egge drauf, und hinten und vorn auch ein Pferd, und trug das alles wie ein Bund Stroh nach Haus. Wie er in den Hof kam, erkannte ihn seine Mutter nicht und fragte: „wer ist der entsetzliche, große Mann?“ der Bauer sagte: „das ist unser Sohn.“ Sie sprach: „nein, unser Sohn ist das nimmermehr, so groß haben wir keinen gehabt, unser war ein kleines Ding; geh’ nur weg, wir wollen dich nicht.“ Der Junge aber schwieg still, zog seine Pferde in den Stall, gab ihnen Hafer und Heu und brachte alles in Ordnung; und wie er fertig war, ging er in die Stube, setzte sich auf die Bank und sagte: „Mutter, nun haͤtt’ ich Lust zu essen, ist’s bald fertig?“ da sagte sie ja, getraute sich nicht ihm zu widersprechen und brachte zwei große, große Schuͤsseln voll herein, daran haͤtten sie und ihr Mann acht Tage lang satt gehabt. Er aber aß sie allein auf und fragte, ob sie nicht mehr haͤtten? „Nein, sagte sie, das ist alles, was wir haben.“ „Das war ja nur zum Schmecken, ich muß noch mehr haben.“ Da ging sie hin und setzte einen großen Schweinekessel voll uͤber’s Feuer und wie es gahr war, trug sie es herein. „Nun, da ist noch ein

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[24/0102] Vater, und sag’ er der Mutter, sie sollt’ eine rechte Schuͤssel voll zu essen kochen; ich will derweil den Acker schon herumreißen.“ Da ging der Bauer heim und bestellte es bei seiner Frau und die kochte eine tuͤchtige Schuͤssel voll, der Junge aber pfluͤgte das Land, zwei Morgen Felds, ganz allein, und dann spannte er sich auch selber vor die Egge und eggte alles mit zwei Eggen zugleich. Wie er fertig war, ging er in den Wald und riß zwei Eichenbaͤume aus, legte sie auf die Schultern und hinten und vorn eine Egge drauf, und hinten und vorn auch ein Pferd, und trug das alles wie ein Bund Stroh nach Haus. Wie er in den Hof kam, erkannte ihn seine Mutter nicht und fragte: „wer ist der entsetzliche, große Mann?“ der Bauer sagte: „das ist unser Sohn.“ Sie sprach: „nein, unser Sohn ist das nimmermehr, so groß haben wir keinen gehabt, unser war ein kleines Ding; geh’ nur weg, wir wollen dich nicht.“ Der Junge aber schwieg still, zog seine Pferde in den Stall, gab ihnen Hafer und Heu und brachte alles in Ordnung; und wie er fertig war, ging er in die Stube, setzte sich auf die Bank und sagte: „Mutter, nun haͤtt’ ich Lust zu essen, ist’s bald fertig?“ da sagte sie ja, getraute sich nicht ihm zu widersprechen und brachte zwei große, große Schuͤsseln voll herein, daran haͤtten sie und ihr Mann acht Tage lang satt gehabt. Er aber aß sie allein auf und fragte, ob sie nicht mehr haͤtten? „Nein, sagte sie, das ist alles, was wir haben.“ „Das war ja nur zum Schmecken, ich muß noch mehr haben.“ Da ging sie hin und setzte einen großen Schweinekessel voll uͤber’s Feuer und wie es gahr war, trug sie es herein. „Nun, da ist noch ein

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/102>, abgerufen am 08.05.2024.