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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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müssen sie wieder fort. Und in der zweiten Nacht
werden wieder zwölf andere kommen, in der
dritten vier und zwanzig, die werden dir den
Kopf abhauen; aber um zwölf Uhr ist ihre Macht
vorbei und wenn du dann ausgehalten und kein
Wörtchen gesprochen hast, so bin ich erlöst und
komme zu dir und stehe dir bei und habe das
Wasser des Lebens, damit bestreich' ich dich und
dann bist du wieder lebendig und gesund wie zu-
vor." Da sprach er: "gern will ich dich erlösen,"
und es geschah nun alles so, wie sie gesagt hatte:
die schwarzen Männer konnten ihm kein Wort
abzwingen und in der dritten Nacht ward die
Schlange zu einer schönen Prinzessin, die kam
mit dem Wasser des Lebens und machte ihn wie-
der lebendig. Und dann fiel sie ihm um den
Hals und küßte ihn und ward Jubel und Freude
im ganzen Schloß, und ihre Hochzeit wurde ge-
halten und er war König vom goldenen
Berge
.

Also lebten sie vergnügt zusammen und die
Königin gebar einen schönen Prinzen und acht
Jahre waren schon herum, da fiel ihm sein Vater
ein, daß sein Herz davon bewegt ward und er
wünschte ihn einmal heimzusuchen. Die Königin
wollte ihn aber nicht fortlassen und sagte: "ich
weiß schon, daß das mein Unglück ist," er ließ
ihr aber keine Ruhe, bis sie einwilligte. Beim
Abschied gab sie ihm noch einen Wünschring und

sprach:

muͤſſen ſie wieder fort. Und in der zweiten Nacht
werden wieder zwoͤlf andere kommen, in der
dritten vier und zwanzig, die werden dir den
Kopf abhauen; aber um zwoͤlf Uhr iſt ihre Macht
vorbei und wenn du dann ausgehalten und kein
Woͤrtchen geſprochen haſt, ſo bin ich erloͤſt und
komme zu dir und ſtehe dir bei und habe das
Waſſer des Lebens, damit beſtreich’ ich dich und
dann biſt du wieder lebendig und geſund wie zu-
vor.“ Da ſprach er: „gern will ich dich erloͤſen,“
und es geſchah nun alles ſo, wie ſie geſagt hatte:
die ſchwarzen Maͤnner konnten ihm kein Wort
abzwingen und in der dritten Nacht ward die
Schlange zu einer ſchoͤnen Prinzeſſin, die kam
mit dem Waſſer des Lebens und machte ihn wie-
der lebendig. Und dann fiel ſie ihm um den
Hals und kuͤßte ihn und ward Jubel und Freude
im ganzen Schloß, und ihre Hochzeit wurde ge-
halten und er war Koͤnig vom goldenen
Berge
.

Alſo lebten ſie vergnuͤgt zuſammen und die
Koͤnigin gebar einen ſchoͤnen Prinzen und acht
Jahre waren ſchon herum, da fiel ihm ſein Vater
ein, daß ſein Herz davon bewegt ward und er
wuͤnſchte ihn einmal heimzuſuchen. Die Koͤnigin
wollte ihn aber nicht fortlaſſen und ſagte: „ich
weiß ſchon, daß das mein Ungluͤck iſt,“ er ließ
ihr aber keine Ruhe, bis ſie einwilligte. Beim
Abſchied gab ſie ihm noch einen Wuͤnſchring und

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[48/0069] muͤſſen ſie wieder fort. Und in der zweiten Nacht werden wieder zwoͤlf andere kommen, in der dritten vier und zwanzig, die werden dir den Kopf abhauen; aber um zwoͤlf Uhr iſt ihre Macht vorbei und wenn du dann ausgehalten und kein Woͤrtchen geſprochen haſt, ſo bin ich erloͤſt und komme zu dir und ſtehe dir bei und habe das Waſſer des Lebens, damit beſtreich’ ich dich und dann biſt du wieder lebendig und geſund wie zu- vor.“ Da ſprach er: „gern will ich dich erloͤſen,“ und es geſchah nun alles ſo, wie ſie geſagt hatte: die ſchwarzen Maͤnner konnten ihm kein Wort abzwingen und in der dritten Nacht ward die Schlange zu einer ſchoͤnen Prinzeſſin, die kam mit dem Waſſer des Lebens und machte ihn wie- der lebendig. Und dann fiel ſie ihm um den Hals und kuͤßte ihn und ward Jubel und Freude im ganzen Schloß, und ihre Hochzeit wurde ge- halten und er war Koͤnig vom goldenen Berge. Alſo lebten ſie vergnuͤgt zuſammen und die Koͤnigin gebar einen ſchoͤnen Prinzen und acht Jahre waren ſchon herum, da fiel ihm ſein Vater ein, daß ſein Herz davon bewegt ward und er wuͤnſchte ihn einmal heimzuſuchen. Die Koͤnigin wollte ihn aber nicht fortlaſſen und ſagte: „ich weiß ſchon, daß das mein Ungluͤck iſt,“ er ließ ihr aber keine Ruhe, bis ſie einwilligte. Beim Abſchied gab ſie ihm noch einen Wuͤnſchring und ſprach:

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/69>, abgerufen am 09.05.2024.