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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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kriechen und schüttete ihr ganzes Herz aus, wie
es ihr bis dahin ergangen und wie sie von der
bösen Kammerjungfer betrogen worden war. Aber
der Ofen hatte oben ein Loch, da lauerte ihr der
alte König zu und vernahm ihr Schicksal von Wort
zu Wort. Da war's gut und Königskleider wur-
den ihr alsbald angethan und es schien ein Wun-
der, wie sie so schön war; der alte König rief sei-
nen Sohn und offenbarte ihm, daß er die falsche
Braut hätte, die wäre ein bloßes Kammermäd-
chen, die wahre aber stände hier, als die gewesene
Gänsemagd. Der junge König aber war herzens-
froh, als er ihre Schönheit und Tugend erblickte
und ein großes Mahl wurde angestellt, zu dem
alle Leute und gute Freunde gebeten wurden,
obenan saß der Bräutigam, die Königstochter zur
einen Seite und die Kammerjungfer zur andern,
aber die Kammerjungfer war verblendet und er-
kannte jene nicht mehr in dem glänzenden Schmuck.
Als sie nun gegessen und getrunken hatten und
gutes Muths waren, gab der alte König der Kam-
merfrau ein Räthsel auf: was eine solche werth
wäre, die den Herrn so und so betrogen hätte,
erzählte damit den ganzen Verlauf und fragte:
"welches Urtheils ist diese würdig?" Da sprach
die falsche Braut: "die ist nichts bessers werth,
als splinternackt ausgezogen in ein Faß inwendig
mit spitzen Nägeln beschlagen geworfen zu werden,
und zwei weiße Pferde davor gespannt müssen sie

kriechen und ſchuͤttete ihr ganzes Herz aus, wie
es ihr bis dahin ergangen und wie ſie von der
boͤſen Kammerjungfer betrogen worden war. Aber
der Ofen hatte oben ein Loch, da lauerte ihr der
alte Koͤnig zu und vernahm ihr Schickſal von Wort
zu Wort. Da war’s gut und Koͤnigskleider wur-
den ihr alsbald angethan und es ſchien ein Wun-
der, wie ſie ſo ſchoͤn war; der alte Koͤnig rief ſei-
nen Sohn und offenbarte ihm, daß er die falſche
Braut haͤtte, die waͤre ein bloßes Kammermaͤd-
chen, die wahre aber ſtaͤnde hier, als die geweſene
Gaͤnſemagd. Der junge Koͤnig aber war herzens-
froh, als er ihre Schoͤnheit und Tugend erblickte
und ein großes Mahl wurde angeſtellt, zu dem
alle Leute und gute Freunde gebeten wurden,
obenan ſaß der Braͤutigam, die Koͤnigstochter zur
einen Seite und die Kammerjungfer zur andern,
aber die Kammerjungfer war verblendet und er-
kannte jene nicht mehr in dem glaͤnzenden Schmuck.
Als ſie nun gegeſſen und getrunken hatten und
gutes Muths waren, gab der alte Koͤnig der Kam-
merfrau ein Raͤthſel auf: was eine ſolche werth
waͤre, die den Herrn ſo und ſo betrogen haͤtte,
erzaͤhlte damit den ganzen Verlauf und fragte:
„welches Urtheils iſt dieſe wuͤrdig?“ Da ſprach
die falſche Braut: „die iſt nichts beſſers werth,
als ſplinternackt ausgezogen in ein Faß inwendig
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[24/0045] kriechen und ſchuͤttete ihr ganzes Herz aus, wie es ihr bis dahin ergangen und wie ſie von der boͤſen Kammerjungfer betrogen worden war. Aber der Ofen hatte oben ein Loch, da lauerte ihr der alte Koͤnig zu und vernahm ihr Schickſal von Wort zu Wort. Da war’s gut und Koͤnigskleider wur- den ihr alsbald angethan und es ſchien ein Wun- der, wie ſie ſo ſchoͤn war; der alte Koͤnig rief ſei- nen Sohn und offenbarte ihm, daß er die falſche Braut haͤtte, die waͤre ein bloßes Kammermaͤd- chen, die wahre aber ſtaͤnde hier, als die geweſene Gaͤnſemagd. Der junge Koͤnig aber war herzens- froh, als er ihre Schoͤnheit und Tugend erblickte und ein großes Mahl wurde angeſtellt, zu dem alle Leute und gute Freunde gebeten wurden, obenan ſaß der Braͤutigam, die Koͤnigstochter zur einen Seite und die Kammerjungfer zur andern, aber die Kammerjungfer war verblendet und er- kannte jene nicht mehr in dem glaͤnzenden Schmuck. Als ſie nun gegeſſen und getrunken hatten und gutes Muths waren, gab der alte Koͤnig der Kam- merfrau ein Raͤthſel auf: was eine ſolche werth waͤre, die den Herrn ſo und ſo betrogen haͤtte, erzaͤhlte damit den ganzen Verlauf und fragte: „welches Urtheils iſt dieſe wuͤrdig?“ Da ſprach die falſche Braut: „die iſt nichts beſſers werth, als ſplinternackt ausgezogen in ein Faß inwendig mit ſpitzen Naͤgeln beſchlagen geworfen zu werden, und zwei weiße Pferde davor geſpannt muͤſſen ſie

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/45>, abgerufen am 12.10.2024.