Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.großen Steinen besäet und gewährt dürftige Weide Dieses Märchen stimmt sagenmäßig mit dem der Aber nicht blos als arabisches auch als altitaliäni- Kindermärchen II. B
großen Steinen beſaͤet und gewaͤhrt duͤrftige Weide Dieſes Maͤrchen ſtimmt ſagenmaͤßig mit dem der Aber nicht blos als arabiſches auch als altitaliaͤni- Kindermärchen II. B
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großen Steinen beſaͤet und gewaͤhrt duͤrftige Weide
fuͤr Schaafe. An ihn haben ſich natuͤrlich viele Sa-
gen geknuͤpft und durch ihn erhalten. Rings um den
Berg liegen ſechs Doͤrfer, aus einem derſelben iſt das
Maͤrchen ganz in der Mundart mit allen ungleichen
zwielichtigen Formen (denn nur die Schriftſprache
hat eine einzige beſtimmte, die lebende ſo haͤufig meh-
rere zugleich) z. B. ſehde und ſegde, graut und grot,
bede und beide, derde und dride. Teite fuͤr Vater,
das alte Tatta, wird nur in dieſen ſechs Doͤrfern
geſagt, ſonſt immer Vaer. — Der Eingang haͤngt
noch mit folgender Sitte zuſammen: wenn die Kin-
der, auf den verſchiedenen Seiten des Bergs das Vieh
huͤtend, ſich etwas ſagen wollen, ruft eins: „hela!“
oder: „helo! helo! hoͤre mal!“ Dann antwortet
das andere von druͤben: „helo! helo! wat wuſt
du?“ — „helo! helo! kumm mal to mie herover!“
— „helo! helo! ick kumme glick!“
Dieſes Maͤrchen ſtimmt ſagenmaͤßig mit dem der
1001 Nacht von den zwei Schweſtern, die auf ihre
juͤngſte eiferſuͤchtig ſind (VII. 277. ff.) uͤberein; die
arabiſche Erzaͤhlung iſt nur mehr ausgedehnt, die
deutſche einfacher und auch wohl ſchoͤner; beide haben
ihre Eigenthuͤmlichkeiten und beweiſen ihre Selbſt-
ſtaͤndigkeit damit. Aus jenem allgemein zugaͤngli-
chen Buch waͤre Auszug und Zuſammenſtellung bis
ins einzelne uͤberfluͤſſig. Der Derwiſch, welchem der
Prinz erſt Bart- und Augenhaar abſchneidet, eh er
redet (eins mit dem Geſpenſt in deutſchen Sagen,
welches ſtillſchweigend raſirt ſeyn will), iſt hier die
huͤlfreiche alte Frau; ſie geht fort und iſt erloͤſt,
gleichwie jener ſtirbt, nachdem er ſeine Beſtimmung
erfuͤllt hat.
Aber nicht blos als arabiſches auch als altitaliaͤni-
ſches erſcheint dieſes merkwuͤrdige Maͤrchen bei Stra-
parola (IV 3.); eine aͤußere Ableitung von dorther
wendet entſcheidend der Umſtand ab, daß Straparola
laͤngſt vor dem Ueberſetzer der 1001 Nacht lebte.
Manches iſt bei ihm ſogar beſſer: den Kindern fal-
len, wenn ſie gekaͤmmt werden, Perlen und Edel-
ſteine aus den Haaren, wodurch ihre Pfleg-Eltern
reich werden, dort im arabiſchen heißt es nur ein-
mal (S. 280.): „die Thraͤnen des Kinds ſollten
Kindermärchen II. B
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