Da gaben sie sich für zwei arme Handwerker aus und baten um ein wenig Essen. Einer aus dem Haufen sprach: "ja, kommt nur herein, heut wird allen Gutes gethan." Sie wurden in ein schönes Zimmer geführt und ward ihnen Speise und Wein gegeben. Darnach wurden sie gefragt, ob sie nicht zwei junge Leute von der Burg hätten kommen sehen. "Nein," sagten sie. Als aber einer sah, daß sie Blut an den Händen hatten, fragte er, woher das Blut käme? Da sprach der Soldat: "ich habe mich in den Finger geschnit- ten." Der Diener aber sagte es dem Herrn, der kam selber und wollt' es sehen, es war aber der schöne Jüngling, der ihnen beigestanden hatte und wie er sie mit Augen sah, rief er: "das sind sie, die das Schloß errettet haben!" Da em- pfing er sie mit Freuden und erzählte, wie es zu- gegangen wäre: "Im Schloß war eine Haus- hälterin mit ihren zwei Kindern, die war eine heimliche Hexe und als sie einmal von der Herr- schaft gescholten wurde, gerieth sie in Bosheit und verwandelte alles, was Leben hatte im Schloß, zu Steinen, nur über drei andere böse Hofbediente, die auch Zauberei verstanden, hatte sie keine rechte Gewalt und konnte sie nur in Thiere verwandeln, die nun oben im Schloß ihr Wesen trieben, dabei fürchtete sie sich vor ihnen und flüchtete mit ihren Kindern in den Keller. Auch über mich hatte sie nur soviel Gewalt gehabt, daß sie mich in eine
Da gaben ſie ſich fuͤr zwei arme Handwerker aus und baten um ein wenig Eſſen. Einer aus dem Haufen ſprach: „ja, kommt nur herein, heut wird allen Gutes gethan.“ Sie wurden in ein ſchoͤnes Zimmer gefuͤhrt und ward ihnen Speiſe und Wein gegeben. Darnach wurden ſie gefragt, ob ſie nicht zwei junge Leute von der Burg haͤtten kommen ſehen. „Nein,“ ſagten ſie. Als aber einer ſah, daß ſie Blut an den Haͤnden hatten, fragte er, woher das Blut kaͤme? Da ſprach der Soldat: „ich habe mich in den Finger geſchnit- ten.“ Der Diener aber ſagte es dem Herrn, der kam ſelber und wollt’ es ſehen, es war aber der ſchoͤne Juͤngling, der ihnen beigeſtanden hatte und wie er ſie mit Augen ſah, rief er: „das ſind ſie, die das Schloß errettet haben!“ Da em- pfing er ſie mit Freuden und erzaͤhlte, wie es zu- gegangen waͤre: „Im Schloß war eine Haus- haͤlterin mit ihren zwei Kindern, die war eine heimliche Hexe und als ſie einmal von der Herr- ſchaft geſcholten wurde, gerieth ſie in Bosheit und verwandelte alles, was Leben hatte im Schloß, zu Steinen, nur uͤber drei andere boͤſe Hofbediente, die auch Zauberei verſtanden, hatte ſie keine rechte Gewalt und konnte ſie nur in Thiere verwandeln, die nun oben im Schloß ihr Weſen trieben, dabei fuͤrchtete ſie ſich vor ihnen und fluͤchtete mit ihren Kindern in den Keller. Auch uͤber mich hatte ſie nur ſoviel Gewalt gehabt, daß ſie mich in eine
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Da gaben ſie ſich fuͤr zwei arme Handwerker aus
und baten um ein wenig Eſſen. Einer aus dem
Haufen ſprach: „ja, kommt nur herein, heut
wird allen Gutes gethan.“ Sie wurden in ein
ſchoͤnes Zimmer gefuͤhrt und ward ihnen Speiſe
und Wein gegeben. Darnach wurden ſie gefragt,
ob ſie nicht zwei junge Leute von der Burg haͤtten
kommen ſehen. „Nein,“ ſagten ſie. Als aber
einer ſah, daß ſie Blut an den Haͤnden hatten,
fragte er, woher das Blut kaͤme? Da ſprach der
Soldat: „ich habe mich in den Finger geſchnit-
ten.“ Der Diener aber ſagte es dem Herrn,
der kam ſelber und wollt’ es ſehen, es war aber
der ſchoͤne Juͤngling, der ihnen beigeſtanden hatte
und wie er ſie mit Augen ſah, rief er: „das ſind
ſie, die das Schloß errettet haben!“ Da em-
pfing er ſie mit Freuden und erzaͤhlte, wie es zu-
gegangen waͤre: „Im Schloß war eine Haus-
haͤlterin mit ihren zwei Kindern, die war eine
heimliche Hexe und als ſie einmal von der Herr-
ſchaft geſcholten wurde, gerieth ſie in Bosheit und
verwandelte alles, was Leben hatte im Schloß, zu
Steinen, nur uͤber drei andere boͤſe Hofbediente,
die auch Zauberei verſtanden, hatte ſie keine rechte
Gewalt und konnte ſie nur in Thiere verwandeln,
die nun oben im Schloß ihr Weſen trieben, dabei
fuͤrchtete ſie ſich vor ihnen und fluͤchtete mit ihren
Kindern in den Keller. Auch uͤber mich hatte ſie
nur ſoviel Gewalt gehabt, daß ſie mich in eine
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/255>, abgerufen am 18.12.2024.
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