Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

er sich in ihr Bett legen und seine Glieder ordent-
lich ausruhen. Der liebe Gott wollte den beiden
Alten ihr Lager nicht nehmen, aber sie ließen
nicht ab, bis er es endlich that und sich in ihr Bett
legte; sie aber machten sich eine Streu auf die
Erde. Am andern Morgen vor Tag standen sie
schon auf und kochten ihm ein armes Frühstück.
Als nun die Sonne durchs Fensterlein herein-
schien und der liebe Gott aufgestanden war, aß
er wieder mit ihnen und wollte dann seines Weges
ziehen. Doch als er in der Thüre stand, sprach
er: "weil ihr so mitleidig und fromm seyd, so
wünscht euch dreierlei, das will ich euch erfüllen."
Da sagte der Arme: "was soll ich mir sonst wün-
schen, als die ewige Seligkeit, und daß wir
zwei, so lang wir leben, gesund sind und unser
nothdürftiges, tägliches Brot haben; fürs Dritte
weiß ich mir nichts zu wünschen." Der liebe
Gott sprach: "willst du dir nicht ein neues Haus
für das alte wünschen?" Da sagte der Mann, ja,
wenn das ging, wär's ihm wohl lieb. Alsbald
erfüllte der liebe Gott ihre Wünsche und verwan-
delte ihr altes Haus in ein schönes neues, und
verließ sie darauf.

Als es nun voller Tag war, und der Reiche
aufstand und sich in's Fenster legte, sah er gegen-
über ein schönes neues Haus stehen statt der alten
Hütte. Da machte er Augen, rief seine Frau
und sprach: "Frau, sieh einmal, wie ist das zuge-

A 2

er ſich in ihr Bett legen und ſeine Glieder ordent-
lich ausruhen. Der liebe Gott wollte den beiden
Alten ihr Lager nicht nehmen, aber ſie ließen
nicht ab, bis er es endlich that und ſich in ihr Bett
legte; ſie aber machten ſich eine Streu auf die
Erde. Am andern Morgen vor Tag ſtanden ſie
ſchon auf und kochten ihm ein armes Fruͤhſtuͤck.
Als nun die Sonne durchs Fenſterlein herein-
ſchien und der liebe Gott aufgeſtanden war, aß
er wieder mit ihnen und wollte dann ſeines Weges
ziehen. Doch als er in der Thuͤre ſtand, ſprach
er: „weil ihr ſo mitleidig und fromm ſeyd, ſo
wuͤnſcht euch dreierlei, das will ich euch erfuͤllen.“
Da ſagte der Arme: „was ſoll ich mir ſonſt wuͤn-
ſchen, als die ewige Seligkeit, und daß wir
zwei, ſo lang wir leben, geſund ſind und unſer
nothduͤrftiges, taͤgliches Brot haben; fuͤrs Dritte
weiß ich mir nichts zu wuͤnſchen.“ Der liebe
Gott ſprach: „willſt du dir nicht ein neues Haus
fuͤr das alte wuͤnſchen?“ Da ſagte der Mann, ja,
wenn das ging, waͤr’s ihm wohl lieb. Alsbald
erfuͤllte der liebe Gott ihre Wuͤnſche und verwan-
delte ihr altes Haus in ein ſchoͤnes neues, und
verließ ſie darauf.

Als es nun voller Tag war, und der Reiche
aufſtand und ſich in’s Fenſter legte, ſah er gegen-
uͤber ein ſchoͤnes neues Haus ſtehen ſtatt der alten
Huͤtte. Da machte er Augen, rief ſeine Frau
und ſprach: „Frau, ſieh einmal, wie iſt das zuge-

A 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="3"/>
er &#x017F;ich in ihr Bett legen und &#x017F;eine Glieder ordent-<lb/>
lich ausruhen. Der liebe Gott wollte den beiden<lb/>
Alten ihr Lager nicht nehmen, aber &#x017F;ie ließen<lb/>
nicht ab, bis er es endlich that und &#x017F;ich in ihr Bett<lb/>
legte; &#x017F;ie aber machten &#x017F;ich eine Streu auf die<lb/>
Erde. Am andern Morgen vor Tag &#x017F;tanden &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chon auf und kochten ihm ein armes Fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck.<lb/>
Als nun die Sonne durchs Fen&#x017F;terlein herein-<lb/>
&#x017F;chien und der liebe Gott aufge&#x017F;tanden war, aß<lb/>
er wieder mit ihnen und wollte dann &#x017F;eines Weges<lb/>
ziehen. Doch als er in der Thu&#x0364;re &#x017F;tand, &#x017F;prach<lb/>
er: &#x201E;weil ihr &#x017F;o mitleidig und fromm &#x017F;eyd, &#x017F;o<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;cht euch dreierlei, das will ich euch erfu&#x0364;llen.&#x201C;<lb/>
Da &#x017F;agte der Arme: &#x201E;was &#x017F;oll ich mir &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;chen, als die ewige Seligkeit, und daß wir<lb/>
zwei, &#x017F;o lang wir leben, ge&#x017F;und &#x017F;ind und un&#x017F;er<lb/>
nothdu&#x0364;rftiges, ta&#x0364;gliches Brot haben; fu&#x0364;rs Dritte<lb/>
weiß ich mir nichts zu wu&#x0364;n&#x017F;chen.&#x201C; Der liebe<lb/>
Gott &#x017F;prach: &#x201E;will&#x017F;t du dir nicht ein neues Haus<lb/>
fu&#x0364;r das alte <choice><sic>wu&#x0364;n&#x017F;chen?&#x201C;</sic><corr>wu&#x0364;n&#x017F;chen?&#x201C;</corr></choice> Da &#x017F;agte der Mann, ja,<lb/>
wenn das ging, wa&#x0364;r&#x2019;s ihm wohl lieb. Alsbald<lb/>
erfu&#x0364;llte der liebe Gott ihre Wu&#x0364;n&#x017F;che und verwan-<lb/>
delte ihr altes Haus in ein &#x017F;cho&#x0364;nes neues, und<lb/>
verließ &#x017F;ie darauf.</p><lb/>
        <p>Als es nun voller Tag war, und der Reiche<lb/>
auf&#x017F;tand und &#x017F;ich in&#x2019;s Fen&#x017F;ter legte, &#x017F;ah er gegen-<lb/>
u&#x0364;ber ein &#x017F;cho&#x0364;nes neues Haus &#x017F;tehen &#x017F;tatt der alten<lb/>
Hu&#x0364;tte. Da machte er Augen, rief &#x017F;eine Frau<lb/>
und &#x017F;prach: &#x201E;Frau, &#x017F;ieh einmal, wie i&#x017F;t das zuge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0024] er ſich in ihr Bett legen und ſeine Glieder ordent- lich ausruhen. Der liebe Gott wollte den beiden Alten ihr Lager nicht nehmen, aber ſie ließen nicht ab, bis er es endlich that und ſich in ihr Bett legte; ſie aber machten ſich eine Streu auf die Erde. Am andern Morgen vor Tag ſtanden ſie ſchon auf und kochten ihm ein armes Fruͤhſtuͤck. Als nun die Sonne durchs Fenſterlein herein- ſchien und der liebe Gott aufgeſtanden war, aß er wieder mit ihnen und wollte dann ſeines Weges ziehen. Doch als er in der Thuͤre ſtand, ſprach er: „weil ihr ſo mitleidig und fromm ſeyd, ſo wuͤnſcht euch dreierlei, das will ich euch erfuͤllen.“ Da ſagte der Arme: „was ſoll ich mir ſonſt wuͤn- ſchen, als die ewige Seligkeit, und daß wir zwei, ſo lang wir leben, geſund ſind und unſer nothduͤrftiges, taͤgliches Brot haben; fuͤrs Dritte weiß ich mir nichts zu wuͤnſchen.“ Der liebe Gott ſprach: „willſt du dir nicht ein neues Haus fuͤr das alte wuͤnſchen?“ Da ſagte der Mann, ja, wenn das ging, waͤr’s ihm wohl lieb. Alsbald erfuͤllte der liebe Gott ihre Wuͤnſche und verwan- delte ihr altes Haus in ein ſchoͤnes neues, und verließ ſie darauf. Als es nun voller Tag war, und der Reiche aufſtand und ſich in’s Fenſter legte, ſah er gegen- uͤber ein ſchoͤnes neues Haus ſtehen ſtatt der alten Huͤtte. Da machte er Augen, rief ſeine Frau und ſprach: „Frau, ſieh einmal, wie iſt das zuge- A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/24
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/24>, abgerufen am 18.12.2024.