zu regnen, zog er seinen Degen und schwenkte ihn in Kreuzhieben über seinem Kopf, daß kein Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen stärker ward und endlich so stark, als ob man mit Mul- den vom Himmel göß, schwang er den Degen im- mer schneller, und blieb so trocken, als säß er un- ter Dach und Fach. Wie der Vater das sah, er- staunte er und sprach: "du hast das beste Mei- sterstück gemacht, das Haus ist dein."
Die beiden andern Brüder waren damit zu- frieden, wie sie vorher gelobt hatten, und weil sie sich einander so lieb hatten, blieben sie alle drei zusammen im Haus, trieben ihre Profession und da sie so gut ausgelernt hatten und so geschickt waren, verdienten sie viel Geld. So lebten sie vergnügt bis in ihr Alter zusammen und als der eine krank ward und starb, grämten sich die zwei andern so sehr darüber, daß sie auch krank wur- den und bald starben. Da wurden sie, weil sie so geschickt gewesen und sich so lieb gehabt, alle drei in ein Grab gelegt.
59. Der Teufel und seine Großmutter.
Es war ein großer Krieg und der König gab seinen Soldaten wenig Sold, so daß sie nicht da- von leben konnten; da thaten sich drei zusammen
zu regnen, zog er ſeinen Degen und ſchwenkte ihn in Kreuzhieben uͤber ſeinem Kopf, daß kein Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen ſtaͤrker ward und endlich ſo ſtark, als ob man mit Mul- den vom Himmel goͤß, ſchwang er den Degen im- mer ſchneller, und blieb ſo trocken, als ſaͤß er un- ter Dach und Fach. Wie der Vater das ſah, er- ſtaunte er und ſprach: „du haſt das beſte Mei- ſterſtuͤck gemacht, das Haus iſt dein.“
Die beiden andern Bruͤder waren damit zu- frieden, wie ſie vorher gelobt hatten, und weil ſie ſich einander ſo lieb hatten, blieben ſie alle drei zuſammen im Haus, trieben ihre Profeſſion und da ſie ſo gut ausgelernt hatten und ſo geſchickt waren, verdienten ſie viel Geld. So lebten ſie vergnuͤgt bis in ihr Alter zuſammen und als der eine krank ward und ſtarb, graͤmten ſich die zwei andern ſo ſehr daruͤber, daß ſie auch krank wur- den und bald ſtarben. Da wurden ſie, weil ſie ſo geſchickt geweſen und ſich ſo lieb gehabt, alle drei in ein Grab gelegt.
59. Der Teufel und ſeine Großmutter.
Es war ein großer Krieg und der Koͤnig gab ſeinen Soldaten wenig Sold, ſo daß ſie nicht da- von leben konnten; da thaten ſich drei zuſammen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0220"n="199"/>
zu regnen, zog er ſeinen Degen und ſchwenkte<lb/>
ihn in Kreuzhieben uͤber ſeinem Kopf, daß kein<lb/>
Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen ſtaͤrker<lb/>
ward und endlich ſo ſtark, als ob man mit Mul-<lb/>
den vom Himmel goͤß, ſchwang er den Degen im-<lb/>
mer ſchneller, und blieb ſo trocken, als ſaͤß er un-<lb/>
ter Dach und Fach. Wie der Vater das ſah, er-<lb/>ſtaunte er und ſprach: „du haſt das beſte Mei-<lb/>ſterſtuͤck gemacht, das Haus iſt dein.“</p><lb/><p>Die beiden andern Bruͤder waren damit zu-<lb/>
frieden, wie ſie vorher gelobt hatten, und weil ſie<lb/>ſich einander ſo lieb hatten, blieben ſie alle drei<lb/>
zuſammen im Haus, trieben ihre Profeſſion und<lb/>
da ſie ſo gut ausgelernt hatten und ſo geſchickt<lb/>
waren, verdienten ſie viel Geld. So lebten ſie<lb/>
vergnuͤgt bis in ihr Alter zuſammen und als der<lb/>
eine krank ward und ſtarb, graͤmten ſich die zwei<lb/>
andern ſo ſehr daruͤber, daß ſie auch krank wur-<lb/>
den und bald ſtarben. Da wurden ſie, weil ſie<lb/>ſo geſchickt geweſen und ſich ſo lieb gehabt, alle<lb/>
drei in ein Grab gelegt.</p></div><lb/><divn="1"><head>59.<lb/>
Der Teufel und ſeine Großmutter.</head><lb/><p>Es war ein großer Krieg und der Koͤnig gab<lb/>ſeinen Soldaten wenig Sold, ſo daß ſie nicht da-<lb/>
von leben konnten; da thaten ſich drei zuſammen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[199/0220]
zu regnen, zog er ſeinen Degen und ſchwenkte
ihn in Kreuzhieben uͤber ſeinem Kopf, daß kein
Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen ſtaͤrker
ward und endlich ſo ſtark, als ob man mit Mul-
den vom Himmel goͤß, ſchwang er den Degen im-
mer ſchneller, und blieb ſo trocken, als ſaͤß er un-
ter Dach und Fach. Wie der Vater das ſah, er-
ſtaunte er und ſprach: „du haſt das beſte Mei-
ſterſtuͤck gemacht, das Haus iſt dein.“
Die beiden andern Bruͤder waren damit zu-
frieden, wie ſie vorher gelobt hatten, und weil ſie
ſich einander ſo lieb hatten, blieben ſie alle drei
zuſammen im Haus, trieben ihre Profeſſion und
da ſie ſo gut ausgelernt hatten und ſo geſchickt
waren, verdienten ſie viel Geld. So lebten ſie
vergnuͤgt bis in ihr Alter zuſammen und als der
eine krank ward und ſtarb, graͤmten ſich die zwei
andern ſo ſehr daruͤber, daß ſie auch krank wur-
den und bald ſtarben. Da wurden ſie, weil ſie
ſo geſchickt geweſen und ſich ſo lieb gehabt, alle
drei in ein Grab gelegt.
59.
Der Teufel und ſeine Großmutter.
Es war ein großer Krieg und der Koͤnig gab
ſeinen Soldaten wenig Sold, ſo daß ſie nicht da-
von leben konnten; da thaten ſich drei zuſammen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/220>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.